AfD - Die Selbstzerstörungspartei

Ihr Parteitag hat gezeigt: Die größte Leidenschaft der AfD ist die politische Intrige, gegen andere, vor allem aber gegen sich selbst. Die Wichtigkeit in ihrem Paralleluniversum scheint den Parteispitzen wichtiger zu sein als Einfluss in der Gesellschaft. Warum die Partei so keine politische Alternative sein kann

Traurige Alternative: AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland / picture alliance
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es gibt Menschen, die sich absichtlich Verletzungen zufügen, die ihre überbordende Energie, ihre Wut und ihre Aggressionen nicht nach außen richten, sondern zerstörerisch gegen sich selber wenden. Sie bestrafen sich selbst, fügen sich selbst Verletzungen oder Schaden zu und zerstören sehenden Auges ihre Gesundheit oder ihre Lebensperspektiven. Es gibt offenbar auch Parteien, die von diesem autoaggressiven Selbstzerstörungsdrang getrieben werden. Mit großer Hingabe richten die Mitglieder solcher Parteien ihre politische Wut gegen sich selbst. Weil sie sich ohnmächtig fühlen gegenüber den politischen Eliten, die sie verachten, zerstören sie ihre eigenen politischen Perspektiven. Weil sie sich ausgegrenzt fühlen, richten sie ihre Aggression gegen die eigenen Reihen. Weil ihnen ein kleines bisschen Wichtigkeit im eigenen Paralleluniversum am Ende mehr bedeutet, als das Streben nach Macht und Einfluss in der Gesellschaft, ist die politische Intrige ihre größte Leidenschaft. Die AfD scheint so eine Partei zu sein, eine Selbstzerstörungspartei.

AfD nutzt ihre zweite Chance nicht

Als die AfD vor vier Jahren gegründet wurde, hatte sie alle Chancen, sich als bürgerliche, rechtskonservative und nationalliberale Partei zu etablieren. Eine in die Mitte drängende CDU hatte rechts von ihr ein politisches Vakuum hinterlassen. Konservative Christdemokraten, eurokritische Volkswirte und Liberale, die von der FDP enttäuscht waren, hatten sich aufgemacht, dieses politische Vakuum zu füllen. Beinahe wäre dieser Partei 2013 der Einzug in den Bundestag gelungen. 2015 jedoch war die Partei eigentlich am Ende, weil schon damals starke Selbstzerstörungskräfte wirkten. Die Partei spaltete sich. Angela Merkels Flüchtlingspolitik jedoch eröffnete der AfD ab Herbst 2015 eine zweite Chance. Doch offenbar weiß die AfD diese zweite Chance nicht zu nutzen.

Auf ihrem Parteitag am Wochenende in Köln offenbarte die AfD stattdessen einmal mehr ihren manischen Selbstzerstörungswillen. Auf strategische Debatten wurde verzichtet, das Programm zusammengeschustert, das politische Profil auf die Feststellung reduziert, dass die Flüchtlinge – vor allem die Flüchtlinge aus muslimischen Ländern – in diesem Land irgendwie an fast allem Schuld sind. Dazu kommen noch die 68er natürlich. Außerdem wurde die populäre Parteivorsitzende Frauke Petry demontiert, so wie vor zwei Jahren der Parteigründer Bernd Lucke demontiert und aus der Partei getrieben wurde. Wobei Lucke und Petry sicherlich beide mit ihrer eigenen Lust zur politischen Selbstzerstörung einen entscheidenden Beitrag zu dieser Demontage geleistet haben.

Gauland? Weidel? Höcke!

Zum Spitzenkandidaten der AfD wurde in Köln mit Alexander Gauland ein 76-jähriger Ex-Christdemokrat gekürt, dessen einziges Trachten es zu sein scheint, sich mit der puren Existenz der AfD an seinen ehemaligen Parteifreunden von der CDU zu rächen. Ein Politiker, der viele Jahre als konservativer Intellektueller galt, dessen größte intellektuelle Leistung in der AfD jedoch darin besteht, selbst offensichtlich nationalistischen und demokratiefeindlichen Parolen seinen altväterlichen Segen zu erteilen.

An die Seite wurde ihm mit Alice Weidel eine junge Frau gestellt, der der Ruf vorauseilt, den liberalen Flügel der Partei zu repräsentieren. Nur muss man die liberalen Gedanken im Wahlprogramm der AfD mittlerweile mit der Lupe suchen. Als politischer Gewinner dieses Selbstzerstörungswochenendes kann sich darüber hinaus ein AfD-Politiker fühlen, der gar nicht nach Köln angereist war: Björn Höcke, der Rechtsausleger aus Thüringen treibt seine Partei mit seinem national-revolutionären Gerede und seinen Machtergreifungsfantasien weiter nach rechtsaußen. Dass gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens läuft, scheint ihn regelrecht anzuspornen.

Keine politische Alternative 

Wenn es in Deutschland genug Wähler gibt, deren Hass auf das politisches Establishment so groß ist, dass sie jeden autoaggressiven politischen Dilettantismus verzeihen, und danach sieht es aus, dann wird die AfD trotzdem bei der Bundestagswahl im September die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Eine politische Alternative wird diese Partei dennoch nicht werden. Im Gegenteil: Es gehört zu den Paradoxien des Erfolges der AfD, dass ihr Einzug in den Bundestag vermutlich dazu führen wird, dass die Kanzlerin, die aus Sicht der AfD eigentlich weg muss und zwar sofort, weitere vier Jahre das Land regieren wird. Aber vielleicht brauchen die Mitglieder der AfD ja in Wirklichkeit die Kanzlerin, um auch weiterhin ihre Lust an der politischen Selbstzerstörung ausleben zu können.

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