AfD und CDU - Frankensteins Monster

AfD und CDU bilden im rheinland-pfälzischen Frankenstein eine Fraktionsgemeinschaft. Was wie ein Ausrutscher aussieht, offenbart ein heftiges Problem für die Union. Und es könnte sehr viel größer sein, als es die Linke für die SPD je war

Passen blaue Socken zur CDU? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vielleicht hätte es die CDU seinerzeit nicht so übertreiben sollen mit der Häme, dem Dissen der SPD und den Roten Socken. Jedes Mal, wenn sich aus der SPD heraus jemand auch nur einen Spalt offen zeigte für ein Bündnis mit der Linkspartei oder wie immer sie sich nannte auf dem Weg von der SED bis heute, jedes Mal zog die CDU die müffelnden alten Fußwärmer raus, um sie den Genossen unter die Nase zu reiben. Peter Hintze hatte sie als Generalsekretär erfunden und zum festen Bestandteil des Instrumentenkastens der politischen Agitation gemacht.

Denn jetzt hat die CDU ihre blauen Socken. Manche würden sagen: mit bräunlicher Tönung. Es gibt nun in Frankenstein, einem kleinen Ort in der Nähe von Kaiserslautern, die erste offizielle Fraktionsgemeinschaft von CDU und AfD in einem Stadtrat, ein etwas sonderbares Gebilde eines Ehepaares in zwei Parteien.

Kein Königsweg aus dem Dilemma

Frankensteins Monster lebt also, für wie tot  auch immer die CDU-Parteispitze es erklärt. Wenn es nur der Rat von Frankenstein wäre. Aber die Qualen mit der rechtskonservativen Konkurrenz betreffen den ganzen Corpus der CDU, bundesweit. In Vorahnung dieses Dilemmas hatte so mancher schon vor einiger Zeit empfohlen, sich lieber die roten Socken überzustreifen, bevor einen die Umstände in eine wie auch immer geartete Abhängigkeit (Koalition, Duldung) führen könnten.

Doch aus diesem Dilemma gibt es keinen Königsweg. Das lässt sich gerade in Sachsen bei der Regierungsbildung nach den Landtagswahlen beobachten. Der amtierende CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hat einen – gemessen am Bundestrend – achtbaren Wahlerfolg errungen. Und im Wahlkampf hatte er immer wieder deutlich gemacht, dass er mit den Deutsch-Alternativen nichts am Hut haben möchte.

Grüne als kleineres Übel

Bleibt also nur Kenia, also ein Bündnis aus CDU, SPD und Grünen. Nun ist aber gerade die Sachsen-CDU eine stramm konservative, die Grünen sind in deren Augen Öko-Kommunisten und Antifa-Anhänger, also das Gegenteil dessen, wofür die Sachsen-CDU steht. Manche Landtagskandidaten hatten sich sogar rausgenommen, den zum Paria erklärten Hans-Georg Maaßen von der Werteunion zur Wahlkampfunterstützung einzuladen.

Für maßgebliche Teile einer solchen CDU ist es schwer nachvollziehbar, warum die Grünen und die Sozis in einem Dreierbündnis gegenüber der AfD in einem Zweierbündnis das kleinere Übel sein sollen.

Die Linkspartei hat sich als gefährliche Konkurrenz für die SPD in dem Moment entwickelt, als die Sozialdemokraten unter ihrem Kanzler Gerhard Schröder Richtung Mitte gingen und Linksaußen damit Raum eröffnete, den der Unterlegene des Machtkampfe in der SPD, Oskar Lafontaine, dann systematisch für die Linke ausdehnte.

Erkennt die SPD ihre Gelegenheit?

Mit Angela Merkel ist die CDU ebenfalls in die Mitte gegangen, manche ihrer innerparteiliche Gegner würden sagen: sogar darüber hinaus. Folglich hat sich in dem Raum, den Merkel preisgab, die AfD breit gemacht. So breit, wie es die Linke in Relation zur SPD nie geschafft hat. Das Blaue-Socken-Problem ist insofern qualitativ und quantitativ ein noch größeres als das Rote-Socken-Problem der SPD. Zumal das Stigma einer latenten Nazi-Partei in Deutschland mindestens genauso wirkt wie jenes von unverbesserlichen Kommunisten.

Die SPD hat von der neuen Waffe im Konkurrenzkampf bisher nicht Gebrauch gemacht. Entweder das ist vornehme Zurückhaltung in einer Großen Koalition oder Unaufmerksamkeit. Sie sollte sich aber diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich für die Kampagnen des Peter Hintze zu revanchieren. Daran ist nichts unfein.

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