Muslimische Gewalt - Das Eindringen der Wirklichkeit

Wenn Flaggen verbrannt werden, scheint die Empörung größer, als wenn Frauen vergewaltigt werden. Doch die brennenden Davidsterne haben etwas aufgebrochen in der Gemeinschaft der ideologisch Gefestigten. Es schließt sich ein Kreis

Verbrennung israelischer Flagge in Ägypten: Antisemitismus mit im Gepäck / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Scheußlich und unerträglich ist es, wenn auf deutschem Boden Flaggen des Staates Israel verbrannt und Parolen wie „Juden ins Gas!“ skandiert werden. Wie in Berlin geschehen. Noch scheußlicher und unerträglicher ist es, wenn Frauen vergewaltigt und/oder ermordet werden. Wie in Köln und Freiburg und der Bonner Siegaue vor einem Jahr geschehen. 

Qualitativ liegen dazwischen Welten. Das eine ist ein symbolischer oder rhetorischer Akt der Gewalt. Rufmord. Volksverhetzung. Das andere ist ein realer Akt der Gewalt. Körperverletzung, seelische Verletzung und realer Mord. Während die sexuellen Verfehlungen von Filmmagnaten von vor 30 bis 40 Jahren bei den Gefestigten einen großen metoo-Aufschrei auslösen, bleiben diese Fälle sexueller Gewalt reichlich unerwähnt.

Das Eis der Ideologie bricht

Und doch scheint quantitativ die Aufregung jetzt größer als seinerzeit nach Köln und Freiburg und Bonn. Offenkundig bricht die aktuelle Schmähung und Verhetzung Israels eher das Eis der, sagen wir: ideologisch Gefestigten. Das Dilemma zwischen der eigenen fürchterlichen Bürde gegenüber dem jüdischen Volk und dem aktuellen Geschehen ist offenbar schwerer auszuhalten als jenes zwischen Feminismus und islamischem Frauenbild, über das Alice Schwarzer so trefflich sprechen kann. Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld hat sich getraut, diese Paradoxie anzusprechen und ist dafür durch den Wolf der selbsternannten Gerechten gedreht worden. Kauft nicht bei Karl – das hätte noch gefehlt kurz vor Weihnachten, einen derartigen Aufruf und keinen Parfümflacon seines Namens unter den Weihnachtsbaum zu legen. Es ist richtig und wichtig, dass der Historiker Michael Wolffsohn dezidiert für Lagerfeld Partei ergriffen hat.

Aber die Wirklichkeit dringt ein in die wohlgeordnete Welt derer, die sich bisher gegen das Offenkundige immunisiert haben. Die antisemitischen Ausschreitungen sind das erste Ereignis, bei dem nicht versucht wird, es kleinzureden, zu beschönigen, zu etwas anderem umzudeklarieren, wie seinerzeit nach Köln, als Justizminister Heiko Maas seriellen Handyraub als den Kern des Vorgangs dieser Nacht dingfest machte.

Eine aktuelle Studie des American Jewish Commitee (AJC) belegt nun empirisch, zu den Geschehnissen passend, was als Vermutung bereits im Raum stand: Die Migration aus dem islamischen Kulturkreis hat einen handfesten Antisemitismus mit im Gepäck. In Malmö hat dieser Tage eine Synagoge gebrannt, nicht nur eine Fahne. Ein 18-jähriger Syrer und ein 21-jähriger Palästinenser stehen unter Tatverdacht. Der schwedische Premier Stefan Löfven konstatierte vor diesem Hintergrund, es gebe einen zunehmenden Antisemitismus „in der schwedischen Gesellschaft“.

Mehr Muslime bringen mehr Antisemitismus

Mit Verlaub, Herr Ministerpräsident: Nein. Es gibt keinen zunehmenden Antisemitismus unter denen, die schon länger in Malmö und Stockholm leben. Es gibt einen neuen Judenhass in den Ländern, in denen der Anteil der muslimischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Von der einen oder anderen Aktion von Sawsan Chebli, der Berliner SPD-Politikerin, kann jeder halten, was er will. Aber dass sie die Muslime in Deutschland auffordert, sich klar und deutlich gegen Antisemitismus zu stellen, verdient großen Respekt. Hoffentlich ist ihr Tun nurmehr idealistisch. Und nicht letztendlich naiv. Man wünscht ihr jeden Erfolg.

In der Gemeinschaft der Gefestigten ist durch die brennenden Davidsterne etwas aufgebrochen. Diese Schandtaten haben ihren Panzer, den sie sich in den vergangenen zwei Jahren zugelegt haben, perforiert. Weil jede Form von Judenhass in Deutschland aus guten Gründen ein No-Go ist. In gewisser Weise schließt sich ein Kreis. Denn die Willkommenskultur, die Teddybären vom Münchner Bahnhof haben den gleichen Ursprung wie das Entsetzen über brennende Fahnen und Judenhetze. Es ist die Verantwortung der Deutschen für die eigene Geschichte.

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