Cicero im Dezember - Der Rechtsstaat vor dem Kollaps

Die Bundesrepublik hat sich verändert. Bahnhöfe und öffentliche Plätze sind Kristallisationspunkte von Kriminalität geworden. Die Justiz kommt nicht mehr hinterher. Wie konnte das passieren und was kann man dagegen tun? In der Dezember-Ausgabe des Cicero suchen wir nach Antworten

Die Justiz wird der Verbrechen nicht mehr Herr / Illustration : Marco Wagner
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Eine zufällige Begebenheit im Stuttgarter Innenministerium, günstig gelegen nahe dem Bahnhof, mit Blick auf den Schlossgarten, an dem die Bagger von Stuttgart 21 nagen, der aber immer noch von einladender Schönheit ist. Die junge Dame, die durch die Gänge führt, reagiert auffällig kühl auf das Schwärmen des Gastes über die Grünanlage im Herbstgold. Früher, als junges Mädchen, sei sie immer gern in diesem Park gewesen, sogar nachts. Heute aber gehe dort schon nachmittags niemand mehr rein. Zu gefährlich. 

Ein irritierendes Gespräch, zumal im Flur eines Ministeriums, das für die Ordnung zuständig ist. Aber symptomatisch für das Deutschland dieser Tage. Die Bundesrepublik hat sich verändert, allerdings nicht so, wie sich manche das gewünscht hatten. Bahnhöfe, öffentliche Plätze, Parkanlagen, S- und U-Bahnen sind Kristallisationspunkte von Kriminalität geworden. Das subjektive Gefühl der Bedrohung wird von den Statistiken bestätigt. Einbrüche und Gewaltverbrechen nehmen zu, der Anteil an Zuwanderern, sowohl aus dem europäischen Ausland als auch darüber hinaus, ist überproportional hoch. Polizei und Straf­verfolgungsbehörden schlagen Alarm. Die Justiz kommt nicht mehr hinterher, der Rechtsstaat kapituliert.

Brennglas Berlin

Wie so oft erweist sich Berlin als Brenn­glas der Probleme, wie sie aber allerorten vorkommen. Unser Reporter Birk Meinhardt hat sich für die Titelgeschichte in der Berliner Justiz umgehört und ist mit einem erschütternden Befund zurückgekommen. Die Gerichte, die Staatsanwaltschaften werden der Verbrechen nicht mehr Herr, das System steht vor dem Kollaps. Nach dem Kontrollverlust über die Grenzen 2015/2016 kommt es nun zum Kontrollverlust über die öffentliche Ordnung. Beides geht an die Grundfesten unseres Gemeinwesens – und erschüttert das Sicherheitsgefühl der Bürger. In seinem Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ hat Jens Gnisa auf das drohende Scheitern des Rechtsstaats hingewiesen. Im Interview verweist der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds auf derzeit 100 000 offene Haftbefehle bundesweit, die auch wegen Überlastung des Justiz­apparats infolge der Flüchtlingswelle nicht vollstreckt werden könnten.

 

Die November-Ausgabe des Cicero erhalten Sie ab Donnerstag, den 23.11.2017 am Kiosk oder in unserem Online-Shop. Die Titelgeschichte können Sie schon jetzt über Cicero Plus lesen. Wer dort einen Monatspass erwirbt, bekommt die komplette Ausgabe als E-Paper kostenlos dazu.

Außerdem in dieser Ausgabe:

- Ein Porträt von Markus Söder, Herausforderer des angeschlagenen CSU-Chefs Horst Seehofer 

Eine Reportage über die explosive Situation in Nordafrika

- Ein Essay von Monika Maron über den neuen Hass auf die Ostdeutschen

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