Zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump - Das Impeachment könnte die Büchse der Pandora öffnen

Wegen der Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol soll gegen Donald Trump zum zweiten Mal ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden. Wie aussichtsreich dieses Vorhaben ist, hängt jedoch nicht allein von Kongressmehrheiten ab.

Im Repräsentantenhaus wurde das zweite Impeachment Trumps bereits beschlossen / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

So erreichen Sie Thomas Jäger:

Anzeige

Das zweite Impeachment Trumps steht an. Dem amerikanischen Präsidenten wird vorgeworfen, zum gewaltsamen Aufruhr angestiftet zu haben. Deswegen hat ihn das Repräsentantenhaus angeklagt. Alle 222 demokratischen Abgeordneten und 10 Republikaner stimmten dafür; 197 Republikaner dagegen. Das ist eine deutliche, aber keine überwältigende Mehrheit.

Die Debatte selbst war vor allem davon gekennzeichnet, dass die Mehrheitsfraktion die Charakterisierung des Sturms auf das Kapitol als inländischen Terrorismus im öffentlichen Bewusstsein festsetzen wollte. Radikalisierte Terroristen hätten das Parlament gestürmt. Gleichzeitig wurde dem Präsidenten ein Putsch von oben, also ein Staatsstreich vorgeworfen. Darum seien jetzt tausende Nationalgardisten in Washington, D.C. eingesetzt, um das Parlament vor dem Präsidenten zu schützen. Republikanische Abgeordnete sprachen hingegen von gewaltsamen Ausschreitungen, in deren Kontext der Präsident eine Rolle spielte, die aber keineswegs ein Impeachment rechtfertige. Mit diesen unterschiedlichen Sichtweisen geht die politische Auseinandersetzung an drei Schauplätzen in die nächsten Runden.

Schauplatz Senat

Der erste Schauplatz ist der Senat, denn dort wird über die Anklage verhandelt. Zu Recht wurde in der Impeachment-Debatte bemängelt, dass die Anklage ohne vorherige Zeugenbefragungen, intensive Recherchen und weiterführende Untersuchungen erhoben wurde. Alles schien zu offensichtlich zu sein – die Rede Trumps, der Marsch auf das Kapitol die Gewaltanwendung dort – als dass es noch einer weiteren Aufarbeitung bedurft hätte. Zu groß waren sowohl der Zeitdruck sowie der Druck aus der demokratischen Fraktion auf die Führung der Partei, als auch die Versuchung, endlich einen Keil zwischen Trump und die Republikaner treiben zu können. Dass man schon nicht so recht weiß, wie der Sturm auf das Kapitol zu bewerten ist – Terrorismus, Staatsstreich, Putsch von oben – wird im weiteren Verlauf mehr als eine semantische Unebenheit sein. Die Eile und scheinbare Offensichtlichkeit des Vergehens könnten dann weitere Fragen aufwerfen, die noch nicht untersucht wurden.

Parallel wird diskutiert, ob überhaupt ein Impeachment nach dem Ende von Trumps Amtszeit durchgeführt werden kann. Zwei Präzedenzfälle (William Blount 1797 und William Belknap 1879) scheinen dies nahezulegen. Aber erste Stimmen erheben sich, die ein solches Vorgehen für verfassungswidrig erachten. J. Michael Luttig argumentiert, dass die Verfassung hier eindeutig sei und deshalb ein Urteil des Supreme Court zu erwarten sei, das einen solchen Prozess unterbindet. Der Senat wird – Stand heute – erstmals am 19. Januar 2021 zusammentreten. Am nächsten Tag wird Joe Biden als Präsident vereidigt.

Allem Anschein nach, kann die Verhandlung im Senat erst beginnen, nachdem Donald Trump aus dem Amt geschieden ist. Ob zuerst die Frage der Zulässigkeit geklärt wird oder der Senat den Prozess direkt aufnimmt, wird sich dann zeigen. Noch sind die Klageunterlagen ja gar nicht zugestellt und die Ankläger nicht bestimmt. Ob dann mehr als 16 republikanische Senatoren gegen Trump stimmen, ist derzeit völlig offen. Wie solide die republikanischen Reihen um Trump zusammenstehen, wird auch davon abhängen, wie groß demnächst seine Unterstützung in der republikanischen Wählerschaft sein wird.

Die öffentliche Meinung

Der zweite Schauplatz, auf dem um politischen Einfluss gerungen wird, ist deshalb die öffentliche Meinung und insbesondere die republikanische Basis. Erste Umfragen deuten darauf hin, dass Trumps Ansehen insgesamt gesunken, bei den republikanischen Wählern aber stabil verankert ist. Nach einer Umfrage von MaristPoll beantworteten 48 Prozent der US-Bürger die Frage, ob Trump vor Ende seiner Amtszeit aus dem Amt entfernt werden soll mit ja; 49 sagten nein. Um Trump aus dem Amt zu bekommen, gab es ja mehrere Wege – Rücktritt, Artikel 15. Jetzt bleibt das Impeachment und das unterstützen – je nach Umfrage – etwas mehr als 50 Prozent, während etwas mehr als 40 Prozent dagegen sind. Beim ersten Impeachment war die Unterstützung etwa 5 Prozent geringer.

Entscheidend aber ist, was die republikanische Basis denkt und hier sind 80 Prozent gegen das Impeachment und meinen immer noch drei Viertel, Trump habe die Wahl gewonnen. Hier findet eine der wichtigsten Auseinandersetzungen um die Zukunft der republikanischen Partei statt und entscheidet sich, ob die Absicht, Trump und die Republikaner zu spalten, Erfolg haben wird. Bleiben die republikanischen Wähler Trump treu, dann werden die Abgeordneten Angst vor seinem Einfluss auf deren Wahlverhalten haben. Konkret: durch Unterstützung von innerparteilichen Gegenkandidaten kann er jede politische Karriere beenden. Das diszipliniert.

Die Marke Trump

Dafür ist es auch nachrangig, ob Trump nochmals als Präsident antreten kann – das Verbot sollte die republikanischen Funktionäre ja ködern. Denn Trump kann auch für eine andere Kandidatin – vielleicht seine Tochter Ivanka, die in fein abgestimmter Distanz zu ihrem Vater an ihrer Karriere arbeitet – in den Wahlkampf ziehen. Trump hat jedenfalls seinen Namen als politische Marke etabliert, und solange ihm die republikanischen Wähler folgen, müssen es die Funktionäre notgedrungen. Trump wäre also auch nicht weg, falls das Impeachment erfolgreich wäre und wenn er nicht mehr bei Präsidentschaftswahlen antreten dürfte. Er wäre wohl nur entfesselter.

In den nächsten Jahren wird Trumps weißen Wählern noch bewusster werden, dass sie bald nur die größte Minderheit in den USA und nicht wie seither die Mehrheit sind. Sollten zudem Versuche unternommen werden, den Waffenbesitz einzuschränken, wird das weiteren Zorn gegen „die in Washington“ anstacheln. Bleibt schließlich die wirtschaftliche Erholung hinter den Erwartungen zurück, werden die Folgen der relativen Deprivation – dass man eigentlich ein besseres Leben verdient hätte, als man führt – handlungsbestimmender. Die soziale Kraft von parallelweltlichen Verschwörungsmythen wurde schon in den letzten Jahren bewiesen. Der Sturm auf das Kapitol könnte im Rückblick dann der Anfang einer Bewegung und nicht ihr unrühmlicher Höhepunkt gewesen sein.

Der neue Präsident

Der dritte Schauplatz ist die anstehende Regierungsbildung und Bidens vorrangiges Interesse an einer raschen Gesetzgebung, um der ersten Amtszeit erfolgreich seinen Stempel aufzudrücken. Denn die Mehrheit der Demokraten im Senat hängt an einem Sitz und im Repräsentantenhaus sind es gerade mal elf Abgeordnete (222 zu 211). Es ist wahrscheinlicher, dass die Republikaner bei den Wahlen in zwei Jahren zulegen, als dass die Demokraten ihren Vorsprung in beiden Kammern ausbauen können, weil häufig die Partei des neuen Präsidenten die folgenden Midterm-Wahlen verliert. Also bleiben Biden zwei Jahre, eher weniger, um seine Agenda durchzusetzen: ein Konjunkturprogramm mit Infrastrukturgesetz, die Krankenversicherung, neue Klimagesetze – und das alles parallel zur Aufgabe, die demokratische Partei bei der Stange zu halten.

Biden hat deshalb gar kein Interesse daran, dass der Senat vom Impeachment zeitlich so in Anspruch genommen wird, dass die anderen Aufgaben liegen bleiben. Der neue Präsident möchte rasch seine Minister bestätigt sehen und will, dass mit den Gesetzesinitiativen begonnen wird. Aus langjähriger Erfahrung im Senat weiß er, dass die Mühlen dort manchmal langsamer mahlen, als es einer ambitionierten Präsidentenagenda gefällt.

Stoff für weitere Spaltung

Zudem wird das Impeachment seine vorrangige Aufgabe, Brücken über die tiefen Gräben zwischen den Parteien zu bauen, nicht erleichtern. Diese Aufgabe steht nicht nur aus höherer Einsicht, sondern auch aus praktischen parteipolitischen Interessen ganz oben an. Schon Barack Obama scheiterte daran, aus dem blauen und roten Amerika das eine Amerika zu machen. Mit unerwünschten Konsequenzen, denn eine der Folgen weiterer Polarisierung war die Wahl von Donald Trump. Die Demokraten wissen, dass sie, sollten sie die Republikaner nicht in zwei Lager spalten können, diese Aufgabe jetzt umso dringlicher angehen müssen.

Denn gegen die Regierung ist angesichts der aufgeladenen Politisierung des Landes leichter Stimmung zu machen als für sie. Angesichts der sich abzeichnenden innen- und außenpolitischen Herausforderungen – der Aufbau der Wirtschaft nach der Pandemie und die Konkurrenz zu China – werden sich immer wieder Bruchstellen auftun, die nationalpopulistisch ausgenutzt werden können. Und Donald Trump wird es sein, der das am lautesten unternimmt, um seine Anhänger im Zorn auf eine „illegitime Regierung“ zu bestätigen.

Anzeige