Weltwirtschaftsforum in Singapur - Nur mal eben schnell die Welt retten

Klaus Schwab hat das Weltwirtschaftsforum gegründet. Eigentlich trifft sich die globale Elite in Davos. Coronabedingt findet es jetzt in Singapur statt. Dort will Schwab wieder die Welt verbessern, aber lädt sich gleichzeitig Gäste wie Xi Jinping ein. Wie geht das zusammen?

Der Weltretter hofiert dem Weltverderber / dpa
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Autoreninfo

Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.

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Nichts gegen Klaus Schwab. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums WEF hat Großes geleistet, leistet es noch. Sein Weltwirtschaftsforum ist eine Show von Weltrang. Wer Geld und Zeit erübrigen kann, strömt jährlich im Januar von allen Kontinenten in die Gänge und Säle des Davoser Treffens, bewirkt und genießt ein Gedränge, das den Reiz der Veranstaltung ausmacht: Globalismus in der Provinz, pathetisch umrankt, ja gekrönt durch schneebedeckte Bergketten.

In Würdigung der Tatsache, dass die Welt doch stets ein wenig kränkelt, könnte metaphorisch Thomas Manns „Zauberberg“ herangezogen werden: Klaus Schwab als Hofrat Behrens, der seinem zu kurzzeitigem Aufenthalt angereisten Patienten Hans Castorp das Hörrohr auf Brust und Rücken setzt – und prompt Tuberkulose diagnostiziert, wobei die überaus sensible, wenn nicht zarte Gestalt des Schiffsingenieurs Castorp, Manns Hauptfigur, als Sinnbild für die kommerzgetriebenen WEF-Besucher zu schmeichelhaft sein dürfte.

Allesamt Elite

Nein, nichts gegen Klaus Schwab, der seinem Publikum politische Weltgrössen vorführt – gegen horrende Eintrittspreise, weshalb sich die Teilnehmer allesamt als Elite fühlen, was die zugelassenen Journalisten wiederum WEF-„embedded“ weiterrapportieren – und nicht etwa relativierend oder gar kritisch als Geldelite zu bezeichnen sich erkühnen. Im Übrigen war Castorps romanhafter Sanatoriums-Aufenthalt am „Zauberberg“ wesentlich preisgünstiger: 160 Franken pro Woche, lukullische Mahlzeiten inbegriffen.

Und dennoch, nichts gegen Klaus Schwab: Er ist ein genialer Gastgeber. Was heißt Gastgeber? Eine Salonnière ist er, wie sie das 19. Jahrhundert kannte, führt er doch seit 1971 den grössten Salon der Welt, allwo er seine Gäste beschmeichelt und bezirzt, auf dass sie sich größer und bedeutender und prächtiger nicht fühlen könnten.

Zur erhabenen Selbstgewissheit trägt auch bei, dass die Schweizer Luftwaffe für himmlische Sicherheit sorgt: Die Provinz schützt die Welt, wobei die Schweizer Soldaten dieses Jahr aufatmen dürfen, denn der Zirkus Schwab muss – Corona sei's geklagt – seine Zelte ausnahmsweise in Singapur aufschlagen.

The Great Reset

Was aber ist nun einzuwenden gegen diesen Wohltäter einer Community, die neben geistreichem Gerede übers Große und Ganze auch dem romantischen Gestöber von Schweizer Schnee allerhand abzugewinnen vermag?

Klaus Schwab hat sich in den Kopf gesetzt, die Welt zu retten. Gerade erst rief er „Covid 19: The Great Reset“ ins Leben, einen Umkehrplan für den fehlgesteuerten Globus, bei dem er unter Zuhilfenahme des Pandemiejahres „unsere ökonomischen und sozialen Grundlagen neu zu starten“ beabsichtigt.

Der globale Umbau soll sofort beginnen, Schöpfer Klaus Schwab verkündet: „Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das widerstandsfähiger, inklusiver und nachhaltiger ist.“ Wer könnte solchen Worten nicht zustimmen, verpflichtet die luftige Botschaft doch zu nichts. Verpflichtet sie wenigstens Klaus Schwab?

Xi Jinping zu Gast

Der Herrscher über das WEF empfängt in Singapur den Herrscher über China, Xi Jinping. Das ist nicht nichts. Damit lässt sich protzen: Der Allermächtigste aller Mächtigen – mein Gast!

Klaus Schwab weiß, wem er zum wärmsten Willkommensgruß die Hand drückt: dem Unterdrücker der Uiguren, dem Kerkermeister aller freiheitsliebenden Chinesen, dem Liquidator der Demokratie in Hongkong, dem Bedroher des demokratischen Rechtsstaates Taiwan, dem Aggressor überall dort, wo es um strategischen oder wirtschaftlichen Vorteil geht, dem kommunistischen Kopierer, Käufer und Klauer von Forschungsresultaten und Fertigungsfortschritten.

Xi Jinpings Reich ist auf avantgardistische Weise modern: unfreie Menschen, freie Wirtschaft – unter totaler digitaler Kontrolle. Der Faschismus des 21. Jahrhunderts.

Klaus Krull

Freilich muss man in dieser verzwickten und vernetzten Welt mit allen reden. Also kann man auch die Wiedergeburt Maos, den chinesischen Digital-Stalin empfangen. Klaus Schwab empfängt ihn.

Der Weltretter hofiert den Weltverderber.

Geht das zusammen?

Es geht natürlich nicht zusammen. Wer es trotzdem unternimmt, dessen Weltretterei ist Hochstapelei. Auch hierzu wäre eine Figur Thomas Manns anzuführen: Felix Krull, Hochstapler von grandiosem Format – und ein höchst bemerkenswerter Charakter.

In dieser Beziehung Klaus Schwab also durchaus angemessen.

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