USA und Nordkorea - Ohne China wird es keine Lösung geben

Nach den jüngsten Drohungen Donald Trumps gegen Nordkorea und der aufkommenden Angst vor einem Atomkrieg forderten manche ein Abkommen wie mit dem Iran. Doch die Voraussetzungen in Nordkorea sind völlig andere

Werden Donald Trump und Chinas Staatspräsident Xi Jinping auch in Sachen Nordkorea Hand in Hand gehen? / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Die Eskalation der Krise zwischen den USA und Nordkorea bis zur Androhung militärischer Gewalt hat vor allem eines verdeutlicht: Beide Staaten verfolgen widersprüchliche, ja sich ausschließende Interessen und verfügen über keine Handlungsoptionen, diesen Interessengegensatz aufzulösen.

Nordkorea ist bestrebt, die Sicherheit des Regimes und die Herrschaft der politischen Elite durch nukleare Drohgebärden abzusichern. Das ist die Lektion, die autoritäre Herrscher aus den Entwicklungen im Irak und Libyen lernen konnten: Ohne nukleare Abschreckung droht der Regimewechsel. Die nukleare Drohung gegen Großmächte ist deshalb in den Augen der nordkoreanischen Führung die effektive Abwehr eines Staatsstreichs von außen.

Gefährliche Eskalationsspirale

Abschreckung funktioniert aber nur, wenn sie glaubhaft vermittelt wird, also der Einsatz nuklearer Waffen von der Gegenseite auch ernst genommen wird. Deshalb gehört die offensive Drohung paradoxerweise zur defensiven Strategie der Abschreckung. Daraus kann, wie derzeit viele befürchten, eine Dynamik entstehen, in der die Eskalationsspirale der Kontrolle entgleitet, weil beide Seiten meinen, ihre Glaubwürdigkeit anders nicht aufrechterhalten zu können.

Die amerikanische Regierung will eine nukleare Bedrohung ihres eigenen Territoriums abwenden. Vorher aber wären wohl die pazifischen Verbündeten der USA, Japan oder Südkorea, in Gefahr. Würden die USA für deren Sicherheit aufkommen und in eine nukleare Auseinandersetzung eingreifen? Oder würden sie es nur dann tun, wenn sie selbst verwundbar sind?

Auflösen lässt sich dieser Widerspruch nicht, weil sich die Intentionen von Regierungen verändern können. Ob Japan und Südkorea später versuchen werden, selbst Nuklearwaffen zu erlangen, um die Abschreckung autonom gewährleisten zu können, hängt jetzt auch vom Verhalten der USA ab.

Eingreifen oder abwarten?

In multilateralen Gesprächen und durch wirtschaftliche Sanktionen versuchten die USA seit Präsident Bill Clinton und teilweise gemeinsam mit Russland und China, Nordkorea dazu zu bewegen, auf das Nuklearwaffenprogramm zu verzichten. Weder Drohungen noch Anreize konnten aber bisher etwas in Pjöngjang bewegen. Auch jetzt fordern die USA als Vorbedingung für Gespräche die Aufgabe des Nuklearwaffenprogramms, Nordkorea aber will darüber noch nicht einmal sprechen.

Je stärker das nordkoreanische Regime jedoch isoliert wird, desto geringer sind die Aussichten auf ein Ende des Nuklearwaffenprogramms. Das ist das Paradox der Sanktionen, die jetzt als Druckmittel eingesetzt werden. Sie werden dem Kim-Regime erneut drastisch vor Augen führen, dass es nur aus eigener Kraft überleben kann.

In dieser Lage bleiben zwei Optionen: entweder militärisch einzugreifen oder die Entwicklung so hinzunehmen, wie sie kommt. Während ein militärisches Eingreifen in die direkte Katastrophe führen würde, fürchten einige, das Abwarten in ein späteres Desaster münden könnte. Oder gibt es eine dritte Variante? Häufig wird geraten, das Iran-Abkommen zum Vorbild zu nehmen.

Der Iran-Deal

Vom Prozess der multilateralen Gespräche bis zum Ergebnis – der Kontrolle eines reduzierten Nuklearprogramms auf Zeit – erscheint dieses Abkommen jetzt als die bestmögliche Lösung. Aber die Bedingungen in Nordkorea sind aus mehreren Gründen anders als im Iran und deshalb erscheint es eher unwahrscheinlich, dass sich das strategische Dilemma so lösen ließe.

Anders als der Iran verfügt Nordkorea mit China über eine Anlehnungsmacht, die sich mit den USA als politisch gleichwertig ansieht. China wird einen Umsturz in Nordkorea nicht tolerieren können, allein schon, weil die Gefahr besteht, dass über die Vereinigung Koreas amerikanische Truppen an der chinesischen Grenze stehen könnten. Dieses Motiv hat sich über die Jahrzehnte nicht verändert. Zusicherungen seitens der USA wird man in Peking nicht glauben.

Die Rolle Chinas

Kann China auf die Handlungen Nordkoreas direkten Einfluss nehmen? Diese Frage wird in den USA derzeit unterschiedlich beantwortet. Für die einen reicht der Einfluss Chinas noch nicht aus, weshalb effektive Sanktionen mehr Zeit benötigen, um diesen über wirtschaftlichen Druck herzustellen. Andere sehen hinter Nordkoreas Handlungen jedoch die Regierung in Peking, die über den Hebel Nordkorea die USA aus dem Pazifik drängen möchte.

Jede politische Lösung wird China gleichwohl mit seiner besonderen Rolle als Schutzmacht einbeziehen müssen. Ob Nordkorea im Sinne Chinas gerade die Krise eskalieren lässt, um als Lösung die Einschränkung des Aktionsradius der amerikanischen Streitkräfte im Pazifik anzubieten. Oder ob Chinas Einfluss nicht reicht, um Nordkorea von der Entwicklung nuklearer Waffen abzuhalten: In beiden Fällen wird man in den USA die Nordkoreapolitik vor allem auch unter chinapolitischen Aspekten beurteilen.

Keine Hebel gegenüber Nordkorea

Anders als der Iran muss sich Nordkorea nicht von internationalen Beschränkungen lösen, um als regionale Großmacht auftreten zu können. Für den Iran waren die regionale Konkurrenz mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, und parallel die politische Emanzipation der Schiiten im Irak sowie die regionalpolitischen Ansprüche der Türkei wichtige Gründe, die internationale Isolation zu überwinden. Ein entscheidender Hebel kam hinzu, als die USA den Iran effektiv vom internationalen Handel abschnitten. Der Druck im Innern auf Wohlstand und Entwicklung und die Aussicht auf gute Ressourcengeschäfte trugen die Entscheidung mit. Denn anders als in Nordkorea wird im Iran, mit Einschränkungen freilich, demokratisch gewählt.

Alle Gründe entfallen bei Nordkorea, sowohl hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Hebel als auch mit Blick auf die Anreize, die Regimestabilität durch größere Zufriedenheit der Bevölkerung zu erhöhen. Es hat den Anschein, als meinte die Kim-Dynastie, ihre Herrschaft nur in internationaler Isolation aufrechterhalten zu können. Wer jetzt fordert, die USA sollten mit ihren Verbündeten keine militärischen Übungen mehr durchführen, vergisst die bündnispolitischen Konsequenzen.

Vor einer Bewährungsprobe

Aber weder die USA werden dies akzeptieren können, weil dies in der Konkurrenz zu China ein erheblicher Nachteil wäre, noch werden die Verbündeten der USA das befürworten. Dies wäre nichts weniger als die Auflösung der amerikanischen Allianz mit Südkorea und wohl auch Japan. Deshalb hat der frühere Verteidigungsminister Robert Gates angeführt, die USA sollten als Gegenleistung die Sicherheit für Kims Regime anbieten, also: niemals Regime-Change. Abgesehen davon, dass das in Nordkorea wohl auf Unglauben treffen würde, lehnt die Administration Trump diesen Vorschlag ab.

Wie die USA und China mit der derzeitigen Krise um Nordkorea umgehen, wird zudem viel über die anstehende Neuordnung der Staatenbeziehungen aussagen können. Eine kooperative Lösung würde alle Regierungen betreffen, die erhebliche Interessen in den internationalen Beziehungen, vom Handel bis zum Entwicklungsmanagement, haben. Eine Konfrontation ebenso. Die Weltmächte USA und China stehen vor einer Bewährungsprobe.

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