Die Verlierer der letzten Nacht stehen bereits fest: Zum zweiten Mal haben sich die Meinungsforschungsinstitute vertan. Der von vielen sicher geglaubte Sieg Joe Bidens und die „blaue Welle“, also auch die Eroberung des Senats durch die Demokraten, stellen sich als Irrtum, als enttäuschte Hoffnung heraus.
Dabei ist es bei genauerem Hinsehen vielleicht nicht so überraschend, dass Donald Trump eine realistische Chance hat, die Wahlen doch noch zu gewinnen. Ohne Corona stünde er schon seit Stunden als eindeutiger und klarer Wahlsieger fest. Corona hat die sichere Wiederwahl gefährdet, und wenn Joe Biden sich letztlich doch durchsetzt, ist dies dem schlechten Krisenmanagement Trumps geschuldet.
Trump hat die Wirtschaft gestärkt
Der Grund für diese Einschätzung ist simpel. Auf die von Ronald Reagan im Wahlkampf 1980 aufgeworfene Frage, „Are you better off now than you were four years ago?“ antworteten in einer Umfrage von Gallup im September 56 Prozent der befragten Amerikaner mit „Yes“. Keinem anderen Präsidenten seit besagtem Ronald Reagan ist es bisher gelungen, dass am Ende seiner ersten Amtszeit die Mehrheit der Amerikaner eine Verbesserung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage verspürten – besonders solche in den unteren Einkommensgruppen.
Und diese Einschätzung ist nicht nur subjektiv, sondern lässt sich auch an konkreten Daten ablesen: So ist das mittlere Haushaltseinkommen nicht nur im Jahr 2019 gestiegen; der Anstieg der letzten fünf Jahre war der höchste je gemessene, sogar über den Zuwächsen die in den 1990er Jahren erzielt wurden.
Wiegen Corona-Tote schwerer als wirtschaftliche Erfolge?
Die Corona-Krise hat zwar zu einer deutlichen Zunahme der Arbeitslosigkeit geführt – in den USA wird diese nicht wie bei uns mit Instrumenten wie dem Kurzarbeitergeld kaschiert – aber die großzügige finanzielle Unterstützung durch den Staat kompensierte die Einkommensverluste.
Nicht wenige Amerikaner hatten sogar mehr Geld in der Tasche als zuvor. Nicht wenige dürften die letzten Jahre unter Trump als positiv erlebt haben, und auch jene, die vielleicht über das Corona-Management Trumps unglücklich waren, wurden finanziell aufgefangen. Wenn nun also Biden es dennoch schafft, dann nur, weil die Wähler die hohe Anzahl an Toten höher gewichten als die wirtschaftlichen Erfolge.
Börsianer sehen einen klaren Sieger
Die Wall Street und die Börsen der Welt haben in den letzten Stunden deutlich geschwankt. Wie schon vor vier Jahren gab es im Vorfeld der Wahl deutliche Gewinne, über die Nacht hinweg Verluste und im Laufe des Tages danach ging es wieder aufwärts.
Das kann man relativ leicht erklären. Die Märkte mögen keine Unsicherheit, und die Erholung der Börsen könnte so ein Zeichen dafür sein, dass die Börsianer am Ende der Auszählung einen klaren Sieger und damit keine lange juristische Hängepartie sehen. Dies war zumindest die Schlussfolgerung am Mittwochnachmittag, als die Börsen der Welt alle im grünen Bereich sind.
Die Märkte spielen Stabilität
Irren sie sich, und es kommt doch zu einer wochenlangen, schmutzigen juristischen Auseinandersetzung, dürfte es noch deutlich turbulenter werden. Auch ansonsten sind die Markreaktionen recht nachvollziehbar. Der Ölpreis zieht leicht an – in der Erwartung, dass die Iransanktionen bestehen bleiben, die Pharma- und Internetwerte gewinnen, weil die von einem demokratischen Präsidenten erwarteten Regulierungen nun nicht kommen.
Und selbst wenn Biden gewählt ist, dürfte die Tatsache, dass der Senat in republikanischer Hand bleibt, in die gleiche Richtung wirken. Die Anleihen steigen in Europa und in den USA in Erwartung weiter tiefer Inflation und vor allem geldpolitischer Aktivitäten. Die Märkte spielen Stabilität und dies wohl zu Recht.
Angst vor einem erheblichen Wohlstandsverlust
Viel interessanter als die kurzfristigen Schwankungen ist der Blick auf die kommenden Jahre. Die USA stehen wie Europa vor erheblichen Herausforderungen.
Kurzfristig gilt es, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu überwinden.
Mittelfristig müssen sie zu früheren Wachstumsraten zurückkehren, was nach neuesten Studien eine erhebliche Herausforderung sein wird. Nachdem Europa und die USA schon nach der Finanzkrise nicht zum ursprünglichen Wachstum zurückgefunden haben, droht nun eine nochmalige Senkung des Wachstumstrends. Dies bedeutet einen erheblichen Wohlstandsverlust und damit schärfere Verteilungskonflikte.
Mittel- bis langfristig müssen sie die zu hohen Schulden von Privatsektor und Staat bereinigen.
Die Last bleibt bei der Notenbank
Egal wer nun am Ende als Sieger der Wahl feststeht, er muss sich bei der Bewältigung dieser Herausforderungen mit einem Parlament auseinandersetzen, welches Kompromisse erforderlich macht. Wenig wahrscheinlich deshalb, dass es zu großen staatlichen Programmen kommen wird.
Bidens Plan des großen ökologischen Umbaus der USA dürfte wenig Realisierungschancen haben. Damit bleibt die Last weiterhin wie in Europa bei der Notenbank, die mit immer mehr und immer billigerem Geld versuchen wird, die Wirtschaft einigermaßen am Laufen zu halten. Auch darauf stellen sich die Börsianer ein.