Parteitag der Republikaner - Wer braucht Inhalt, wenn er Trump hat?

Die Republikaner verzichten offenbar darauf, darüber nachzudenken, für welche Werte und Prinzipien die Partei im Jahr 2020 einsteht. Die Grand Old Party hat Trump eine Bühne geboten, und der hat daraus sein eigenes Theater gezimmert, wie der Parteitag gezeigt hat.

Die große Trump-Show am Donnerstagabend / dpa
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Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Wenn einem in den vergangenen Tage jemand leid tun musste, dann waren das wohl die Faktenchecker. Vier Nächte lang Zahlen, Daten, Aussagen überprüfen und (in sehr vielen Fällen) richtigstellen. Manchmal waren es Kleinigkeiten, manchmal größere Falschaussagen. Es gab genug zu tun.

Alles aufzuzählen soll an dieser Stelle gar nicht das Thema sein. Dass der Präsident und die Wahrheit ein eher loses Verhältnis pflegen, ist inzwischen bekannt. Vielmehr wollen wir ein paar Schlüsse aus dem Parteitag der Republikaner ziehen, der am Donnerstag, eine Woche nach dem der Demokraten, mit Donald Trumps Abschlussrede im Garten des Weißen Hauses zu Ende ging. 

Trump und der Zerfall der GOP

Die erste Lehre, die am Montag zum Auftakt herausstach, war die inhaltliche Leere: Anstatt politische Programmpunkte zu erarbeiten, gab die GOP vor dem Nominierungsparteitag bekannt, dass „die Republikanische Partei wie in der Vergangenheit auch in Zukunft weiterhin begeistert die America-first-Agenda des Präsidenten unterstützt”. 

Mit anderen Worten: Die Delegierten sparten es sich, darüber nachzudenken, für welche Werte und Prinzipien die Partei im Jahr 2020 einsteht. Von einem Personenkult um Donald Trump war auch deshalb in den Kommentarspalten in dieser Woche viel die Rede; von einem Präsidenten, der den Zerfall der Republikanischen Partei zu verantworten hat. Naturgemäß war vier Tage lang alles auf Trump ausgerichtet, es geht vornehmlich um seine Wiederwahl. Aber auch andersherum hat die Aussage Bestand: Den Zerfall der Republikanischen Partei hat Donald Trump zu verantworten. 

Trumps Wahlkampf-Theater

Von Reagans sonnigem Kalifornien-Konservativismus oder George W. Bushs religiösem Wertekanon ist aktuell nicht mehr viel übrig innerhalb der Partei. Sie hat Trump eine Bühne geboten, und der hat daraus sein eigenes Theater gezimmert. 

Und das eine Drama, das bis mindestens November darauf aufgeführt wird, geht laut Parteitag so: Amerikas Freiheit steht auf dem Spiel, das Land läuft Gefahr, von Sozialismus und Cancel Culture unterwandert zu werden; Einfühlungsvermögen ist für Schwächlinge, und für den ganzen Rest ist China verantwortlich.

Widersprüchliche Agenda 

Das größte Problem der vier Parteitagsabende war das thematische Durcheinander und die konträre Botschaft der verschiedenen Redner. Mal steckt das Land im Chaos, mal ist es dank Trump auf dem Weg zu neuem, ungeahntem Wohlstand. Mal ist der Zentrist Biden das trojanische Pferd für die sozialistischen Kräfte innerhalb der Partei, mal wird er als inkompetent und unwirksam abgestempelt. So oder so, die angstschürenden Leitmotive machten noch einmal deutlich, dass es nicht Trumps ernsthaftes Ziel ist, seine Stammwählerschaft zu vergrößern. 

„Niemand wird sicher sein in Bidens Amerika”, sagte Trump in seiner Abschlussrede, was der in einem Interview gleich auffing. Die Gewalt, die das Land in diesem Sommer heimgesucht habe, sagte der Demokratische Präsidentschaftskandidat, finde immerhin in Trumps Amerika statt. 

Wahlbereitschaft und Richtungswechsel 

Bidens virtueller Parteitag vor einer Woche war relativ reibungslos abgelaufen. Die geladenen Redner hatten ihm nach und nach den Mantel des „netten Joe” umgelegt, der, wie er selbst in seiner Abschlussrede sagte, für alle da sein will. Inhaltlich positionierte die Partei ihn auf dem Parteitag so, dass ehemalige und unentschlossene Republikaner-Wähler sich mit ihm anfreunden könnten. Dort, wo bei ihm die linke Flanke offen scheint, weil sich Bernie-Sanders-Anhänger immer noch enttäuscht über einen Mangel an echter linker Politik zeigen, soll die Vorstellung „noch einmal vier Jahre Trump” die Lücke stopfen.

Wobei es um zwei Dinge geht: persuasion und turnout – Überzeugung und Teilnahme. Wenn die Demokraten Donald Trump im November aus dem Weißen Haus jagen wollen, müssen sie Wähler an die Wahlurnen bringen (Teilnahme) und gleichzeitig ehemalige Obama-Wähler zurückgewinnen, die sie 2016 an Trump verloren haben (Überzeugung). Michelle Obama trug das Dilemma, im wahrsten Sinne, vor sich her. Die Halskette, die die ehemalige First Lady vergangene Woche während ihrer Parteitagsrede trug, bestand aus vier einfachen Buchstaben: vote – wählen. 

Donald Trump Jr. trollt auch analog 

Auch ohne maßgebliche Auseinandersetzung mit Programmatik konnte man bei den Republikanern diese Woche zumindest einen Plan erkennen: Der Rahmen der Veranstaltung, die Themen, sowie die ausgewählten Redner (sehr viele Familienmitglieder) waren für sich genommen ein offensichtliches Mobilisierungsbemühen um die Republikanische Wählerschaft. 

Die alte GOP fehlte, wie erwähnt; dafür gab es auch einen Ausblick auf das, was in vier Jahren kommen könnte. Donald Trump jr., der 2016 im Wahlkampf noch ein überraschendes Gespür für die von seinem Vater so umgarnte Arbeiterseele hatte, ist inzwischen auch analog online: Seine Rede auf dem Parteitag wirkte wie ein etwas zu langer Twitter-Thread mit ein paar eingebauten Gemeinheiten und ausformulierten Memes, um die Liberalen da draußen zu ärgern. Ein Troll, wie er im Buche steht. 

Nikki Haley zeigt sich gemäßigter

Für das traditionellere Publikum bot Nikki Haley sich an, die ehemalige Gouverneurin von South Carolina und Botschafterin bei der UN unter Trump. Auch sie verfiel zwischendurch in Trumpismen („das kommunistische China hat uns das Coronavirus eingebockt”), legte den Fokus ansonsten größtenteils auf ein anderes Gesicht der Partei: weltoffener, positiver und der Zukunft zugewandter. 

„Amerika ist eine Geschichte des ständigen Fortschritts. Jetzt ist es an der Zeit, auf diesen Fortschritt aufzubauen und Amerika noch freier, fairer und besser für jeden Bürger zu machen”, sagte sie. Später fügte sie hinzu: „Ich bin die stolze Tochter von indischen Einwanderern.”

Ob sich dieser Ton oder der grelle eines Trump jr. durchsetzt, wird am Ende davon abhängen, ob Donald Trump im November noch einmal gewinnt oder wie hoch er gegen Biden verliert. 

Das verdrängte Virus 

Am letzten Abend des Parteitags hatte man jedenfalls den Eindruck bekommen können, dass es gut läuft. Präsident Trump hielt seine Rede auf der Südseite des Weißen Hauses, im Freien vor etwa 1500 Gästen, die dicht beieinander auf der Rasenfläche vor der Bühne Platz genommen hatten.

„Wir werden einen sicheren und effektiven Impfstoff in diesem Jahr haben”, sagte Trump. „Zusammen werden wir das Virus zermalmen.”

Wenn man die Menschen dort sitzen sah, größtenteils ohne Maske, konnte man beinah denken, das Virus sei unter Kontrolle. Dabei starben zwischen Montag und Donnerstagnachmittag mehr als 3600 Amerikaner an Folgen von Covid-19. Das sind mehr Opfer, als der 11. September 2001 gefordert hat.

Alles eine Frage der Perspektive

Wahrscheinlich kommt es auf den Blickwinkel an. Wer denkt, dass in einem riesigen Land wie Amerika eine solche Zahl kaum zu Buche schlägt oder die Zahl anzweifelt, wird sich an den Bildern vom Weißen Haus erfreut haben – ein Präsident, der sich nicht einschüchtern lässt. Wer hingegen glaubt, dass das Virus immer noch unkontrolliert durch das Land wütet, wird sich bei den Szene rund um die Abschlussrede bestätigt gefühlt haben, dass Trump bislang unverantwortlich mit dieser Pandemie umgegangen ist. 

Diese zwei Perspektiven sind sinnbildlich für die alternativen Realitäten, in denen Amerika zurzeit lebt. Eine von beiden dürfte den Ausgang der Wahl entscheiden. 

 

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