US-Präsident in Quarantäne - Was Trumps Corona-Infektion für den US-Wahlkampf bedeutet

Am Dienstag verspottete er seinen Kontrahenten Joe Biden noch, dass er Maske trage. Nun könnte Donald Trumps positiver Corona-Test alles umschmeißen. Was bedeutet das für den Verlauf des Wahlkampfs?

Für vierzehn Tage in Quarantäne, einen Monat vor der Wahl: Donald Trump / dpa
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Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Zunächst einmal eine einfache Frage: Hatte es nur eine Frage der Zeit sein können? 

Nach der Meldung am späten Abend, dass eine enge Mitarbeiterin im Weißen Haus positiv getestet wurde, ist jetzt klar: Donald Trump und seine Frau Melania haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Der amerikanische Präsident ist jetzt der amerikanische Patient. Wie lang und schwer die Krankheit bei Trump verläuft, wird ausmachen, ob jetzt alles anders kommt. Unsicherheit ist gewiss, Chaos nicht ausgeschlossen. 

Trumps Arzt sagt, der Präsident sei fit

In wahrer Trump-Manier kam die Ankündigung von ihm selbst, per Tweet: „Heute Nacht wurden die First Lady und ich positiv auf Covid-19 getestet“, schrieb Trump 00:54 Uhr Ortszeit. „Wir begeben uns unverzüglich in Quarantäne und auf den Weg der Besserung. Wir werden das ZUSAMMEN durchstehen!“

Anschließend kam die Bestätigung von offizieller Seite: Ein Schreiben von Trumps Arzt, Sean Conley, in dem es heißt, beide seien „fit zu diesem Zeitpunkt“. Eine Beschreibung, die sich natürlich jederzeit ändern kann, Trump ist 74 Jahre alt, er gehört zu absoluten Risikogruppe. „Seien Sie unbesorgt, ich erwarte, dass der Präsident sein Amt ohne Störungen ausübt, während er den Genesungsprozess antritt“, schrieb der Arzt weiter, „und ich werde Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.“

Wie geht der Secret Service damit um?

Die Beschwichtigungsformel in dem Satz, dass der Präsident einfach so, ungestört, sein Amt weiter ausübt, ist ein notwendiger Hinweis, um die Menschen und Märkte zu beruhigen: Keine Sorge, kein Problem, es geht weiter, wir haben alles im Griff. 

Praktisch dürfte das allerdings ganz anders aussehen. Selbst ein isolierter Präsident, der wohlauf ist und sich in Quarantäne befindet, hat einen Stab an Mitarbeitern, der normalerweise in engem Kontakt mit ihm steht. Das wird sich ändern, für mindestens 14 Tage. Selbst der Secret Service muss jetzt Mittel und Wege finden, die hochansteckende Krankheit zu umgehen und trotzdem dafür zu sorgen, 24 Stunden am Tag den Präsidenten zu schützen. All das verursacht: Störungen des normalen Ablaufes, ohne dass ein erschwerter Krankheitsverlauf mit eingerechnet wäre. 

Auch Pence und Pelosi müssen isoliert werden

Zudem müssen protokollarisch jetzt die Nachfolger beschützt werden: Vizepräsident Mike Pence wird mit hoher Wahrscheinlichkeit isoliert werden, um ein Ansteckungsrisiko für ihn komplett zu vermeiden. Auch Nancy Pelosi, Sprecherin des Abgeordnetenhauses im Kongress, muss extra geschützt werden, sie wäre nach Pence die nächste in der Rangfolge. Gleiches gilt für den 87 Jahre alten Chuck Grassley, der für den Bundesstaat Iowa im Senat sitzt und dort eine Art Alterspräsident ist und damit nach dem Vizepräsidenten der ranghöchste Vertreter in der Kammer. Auch Kabinettsmitglieder der Regierung müssen jetzt besonders vorsichtig sein. 

All das wirft allein logistisch eine ganze Menge durcheinander. Sollte Trumps Krankheitsbild sich verschlimmern und er zeitweise unfähig sein, sein Amt auszuüben, übernimmt Pence für den Moment die Aufgaben. Die USA wären also handlungsfähig, aber was bedeutet das für den Wahlkampf, 32 Tage vor der Wahl? 

Von Biden noch keine Bestätigung

Lässt sich das wirklich schon sagen, mit absoluter Gewissheit? Nein, selbstverständlich nicht. Die scheinbare Sorglosigkeit, mit der Trump der Krankheit über Wochen und Monate begegnete, das Herunterspielen, es bringt ihm zunächst einmal Häme ein. Die USA haben mehr als 200.000 Corona-Todesopfer zu verzeichnen. Bei schneller Genesung könnte es allerdings heißen: Seht her, ich bin doch fit, 74 Jahre, kein Kratzer – mehr als eine Grippe ist es wirklich nicht.

Wahlkampfauftritte und Termine mit Spendern in Person, live und vor Ort, sind für mindestens zwei Wochen kein Thema, selbst wenn bei Trump keine Symptome zu erkennen sein sollten. Von Joe Biden, über den der Präsident sich beim TV-Duell am Dienstag noch lustig gemacht hatte, weil der selbst bei riesigem Abstand Maske trage, fehlt bislang noch eine offizielle Bestätigung, wie es ihm geht. 

Trump kann sich nicht einmal selbst schützen

Sollte sich Trumps Krankheitsverlauf verschlechtern, würde Biden sich in seinem Narrativ bestätigt sehen, das er auch schon am Dienstag in Cleveland bedient hatte: Dieser Mann kann Amerika nicht vor dem Virus beschützen. Jetzt ist klar, dass er nicht nur das Land nicht davor beschützen kann, sondern nicht einmal sich selbst. 

Biden hatte ohnehin keine großen Stadien bespielt, keine Flugplätze gebucht, wie Trump zuletzt, sondern bloß kleinere, ausgesuchtere Termine vor Ort anberaumt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er durch das Land tourt, während der Präsident sich im Weißen Haus verschanzt und auf Besserung hofft. Alles hängt am Ende davon ab, wie schwerwiegend der Verlauf von Trumps Infizierung aussieht. 

Zoom-Meeting statt TV-Duell?

Dass Biden am 15. Oktober neben ihm in Miami am Pult steht, wo die zweite TV-Debatte stattfinden sollte, ist jedoch ungewisser denn je. Auch das Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris am 7. Oktober dürfte vorerst hinfällig sein, allein, um den Vizepräsidenten keinem erhöhten Risiko auszusetzen.

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