Die USA und der UN-Migrationspakt - Im Westen nichts Neues

Amerika wird den UN-Migrationspakt nicht unterzeichnen. Das liegt nicht nur an US-Präsident Donald Trump, der den Pakt als Eingriff in die Souveränität des Landes ablehnt. Amerika tut so, als sei der Streit um die Rechte von Migranten ein europäisches Problem

Auf dem Weg in ein besseres Leben? Kaum ein Land macht es Migranten so schwer wie die USA / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Die USA werden den UN-Migrationspakt, der hierzulande so kontrovers diskutiert wird, nicht unterzeichnen. Dafür machen viele US-Präsident Donald Trump verantwortlich. Und tatsächlich läuft der Pakt – der ein grundsätzliches Recht auf Migration festschreibt – Trumps Politik diametral entgegen. Auch wenn darin immer wieder betont wird, dass alles rechtlich unverbindlich ist und die nationale Selbstbestimmung nicht in Frage gestellt wird.

Trump geht es aber nicht nur darum, sich als Migrationsgegner zu positionieren. Er glaubt den Beteuerungen von Unverbindlichkeit nicht. Er meint, der Pakt sei ein Angriff auf die Souveränität der USA. Der Präsident hat im vergangenen Dezember angeordnet, dass Amerika bereits die Teilnahme an den Gesprächen abbricht, die unter seinem Vorgänger Barack Obama begonnen wurden. „Wir können nicht einen Prozess unterstützen, der infrage stellt, dass wir unsere Immigrationsgesetze durchsetzen und unsere Grenzen schützen“, sagte Trumps damaliger Außenminister Rex Tillerson. Trumps damalige UN-Botschafterin, Nikki R. Haley, die selber Immigrantin aus Indien ist, erklärte, die USA seien zwar stolz auf ihre Identität als Nation von Immigranten und auf die Hilfe, die sie Flüchtlingen weltweit böten. Aber Entscheidungen über die Immigrationspolitik würden ausschließlich von Amerikanern getroffen.

UN-Initiativen haben es in den USA schwer

Ob aber ein demokratischer Präsident die nunmehr ausgearbeitete Vereinbarung unterzeichnet hätte, ist ebenfalls fraglich. Denn der Widerstand gegen die Trump-Entscheidung kam nicht von Demokraten, sondern von Nicht-Regierungsorganisationen wie „Human Rights Watch“ oder dem „Scalabrini International Migration Network“, dessen Direktor Kevin Appleby Trump „Appeasement" vorwarf, Einknicken vor dem Wähler. Amerikanische Zeitungen, darunter sogar die New York Times, die generell eher migrationsfreundlich ist, berichten inzwischen über den Streit um den „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration", als sei der ein rein europäisches Problem.

Entworfen wurde der Migrationspakt bei den Vereinten Nationen. Obwohl die USA dort Mitglied sind – sogar der Sitz der UN ist in New York – stimmen US-Vertreter internationalen UN-Initiativen nur ungerne zu oder nur dann, wenn sie so verwässert werden, dass kein amerikanisches Anwaltsteam die Regierung in Verlegenheit bringen kann. Das betraf beispielsweise das UN-Vorhaben, ein Recht auf eine eigene Wohnung zu garantieren – dann könnten sich ja schwarze Obdachlose in weiße Viertel einklagen – oder das Vorhaben, die Rekrutierung von Kindersoldaten zu verbieten. In den USA liegt das Mindestalter für das Militär bei 17 Jahren.

Trump stellt sogar die Nato in Frage

Das prominenteste Beispiel ist der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, den die USA offen boykottieren. Dabei geht die Idee eines internationalen Strafgerichts auf Amerikaner wie Benjamin Ferencz zurück, einen der Ankläger bei den Nürnberger Prozessen. 1998 aber, als nach vielen UN-Debatten das Römische Statut verabschiedet wurde, auf dem der Strafgerichtshof basiert, unterschrieben oder ratifizierten eine ganze Reihe von Ländern das Vertragswerk nicht. Dazu zählen China, Russland, der halbe Mittlere Osten eingeschlossen Israel, und eben die Vereinigten Staaten. Das geschah noch unter Bill Clinton. Clintons Nachfolger George W. Bush ging noch einen Schritt weiter. In seiner Amtszeit wurde der „American Service-Members’ Protection Act" erlassen, der US-Regierungsmitglieder und Soldaten von internationaler Strafverfolgung ausnimmt, diesbezügliche Ermittlungen in den USA unter Strafe stellt und den Präsidenten sogar ermächtigt, Truppen nach Den Haag zu senden, um Amerikaner vor Gericht zu befreien. Das Gesetz wurde kurz vor dem Einmarsch in den Irak mit Zustimmung der Demokraten verabschiedet.

Nun geht Trump, was Eigenmächtigkeit betrifft, immer noch einen Schritt weiter als seine Vorgänger. Unter ihm sind die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen, aus Nafta, dem Handelsabkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada, und aus der panasiatischen Trans-Pacific Partnership (TPP). Trump stellt gelegentlich sogar die Nato in Frage. Aber die Demokraten bleiben – wenn sie am Ruder sind – oft nur in internationalen Abkommen, um die Verbündeten bei Laune zu halten und um durch ihre Präsenz den Einfluss der USA weltweit sicherzustellen. Was sie tatsächlich umsetzen, ist eine andere Frage. Das gilt auch für den Migrationspakt.

Flüchtlinge aus Mittelamerika werden bevorzugt

Zwar verstehen sich die Demokraten, anders als die Republikaner, als Partei der Migranten. Ihre Solidarität gilt aber vornehmlich Arbeitsimmigranten aus Mexiko, Guatemala oder Honduras, nicht den großen Flüchtlingsströmen aus Afrika und dem Mittleren Osten. Unter Obama nahmen die USA rund 80.000 Flüchtlinge pro Jahr auf. Darunter waren 2016 nur knapp 40.000 Moslems, und 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, sogar nur gut 30.000. Und die werden sehr ungleich innerhalb den USA verteilt. Der ohnehin dünn besiedelte Staat Wyoming etwa, der flächenmäßig nicht wesentlich kleiner ist als Deutschland, nahm nur zehn Flüchtlinge auf. Das entspricht dem Wählerwillen; laut dem Umfrageinstitut PEW fanden 54 Prozent der amerikanischen Wähler im Oktober 2016, die USA seien nicht in der Verantwortung, Flüchtlinge aus Syrien einzulassen. Und weder Hillary Clinton und noch nicht einmal der demokratische Linksaußen Bernie Sanders machten das im Wahlkampf zum Thema. Für das Jahr 2019 plant Trump, die Gesamtzahl der Flüchtlinge auf 30.000 zu senken.

Meinungsfreiheit First 

Neben der grundsätzlichen Linie enthält der Globale Migrationspakt auch einzelne Punkte, die der rechtlichen Praxis in den USA zuwiderlaufen. So sieht er vor, dass Flüchtlinge nur in Ausnahmefällen kaserniert werden dürfen, die USA machen das aber routinemäßig. Der dort geforderte Zugang zu Bildung und Arbeit sind in den USA keine garantierten Grundrechte. Dass Leuten, die in die Sozialsysteme eingezahlt haben, auch Ansprüche zustehen, wenn sie das Land verlassen, gilt selbst für Inhaber eine Green Card nur für maximal sechs Monate. Und Formulierungen wie „Eliminate all forms of discrimination and promote evidence-based public discourse to shape perceptions of migration", also die Idee, dass die Regierung die veröffentlichte Meinung über Immigration beeinflusst, so etwas geht in den USA gar nicht. Da ist die Meinungsfreiheit, das First Amendment in der Verfassung vorrangig.

Trumps harte Linie und die wegduckende Haltung der Demokraten hält allerdings US-Zeitungen nicht davon ab, Europa für seinen „inhumanen“ Umgang mit Flüchtlingen zu kritisieren — und das, nachdem sie jahrelang Europa und insbesondere Deutschland aufgefordert haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Das wiederum ist ähnlich wie beim Internationalen Kriminalgericht. Obwohl die Regierung der USA Den Haag boykottiert, feierte es die US-Presse, dass der serbische Staatschef Slobodan Milosevic dort vor dem Richter stand. Als sei dies das Verdienst Amerikas.

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