Ukraine-Konflikt - Weimarer Dreieck: Europa rückt zusammen

Am Dienstag trafen in Berlin im Rahmen des Weimarer Dreiecks Bundeskanzler Scholz, Frankreichs Präsident Macron und der polnische Präsident Duda zusammen. Großen Einfluss auf eine Lösung des Ukraine-Konflikts dürfte das Treffen nicht haben. Doch es zeigt, dass die Europäer trotz aller Differenzen in dieser Krise endlich zusammenrücken und aktiv werden.

Andrzej Duda, Olaf Scholz und Emmanuel Macron beim Weimarer Dreieck / dpa
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Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Es war eine schwere Geburt, das gestrige Treffen des Weimarer Dreiecks in Berlin – eines 1991 entstandenen Gesprächs- und Konsultationsforums, dem Deutschland, Frankreich und Polen angehören. Bereits vergangene Woche gab es die ersten Meldungen über ein Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz, dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda und Frankreichs Emmanuel Macron in Berlin, bei es um die Ukraine-Krise gehen sollte. Die Initiative für das Treffen soll von Paris ausgegangen sein, welches auch darauf hoffte, dass es bereits am Freitag zu einem Treffen der drei Politiker kommt. Was jedoch aus terminlichen Gründen nicht möglich war. Duda gehörte zu den wenigen westlichen Staatsoberhäuptern, die sich nicht am diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking beteiligen, und der daher am vergangenen Freitag bei der Eröffnungsfeier in der chinesischen Hauptstadt anwesend war.

Ein Treffen am vergangenen Freitag wäre vor allem für Macron von enormer diplomatischer Bedeutung gewesen. Am Montag weilte der französische Präsident in Moskau, wo er mit Putin über die aktuelle Krise sprach. Ein vorher stattgefundenes Treffen mit Scholz und Duda sowie eine gemeinsame Stellungnahme hätten sicherlich seine Verhandlungsbasis gestärkt. Doch auch wenn man sich nun einige Tage später traf, nach Macrons Besuchen in Moskau und in Kiew sowie Scholz’ Antrittsvisite in Washington konnten sich die drei Politiker auf eine Abschlusserklärung einigen, in der bemerkenswerte und wichtige Formulierungen zu finden sind.

Bemerkenswerte Erklärung

„Die Staats- und Regierungschefs bekundeten ihre große Sorge angesichts der Massierung russischer Streitkräfte innerhalb und außerhalb der Ukraine; sie bekräftigten ihre Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine und würdigten die fortgesetzte Zurückhaltung und den diplomatischen Ansatz der Ukraine. Sie sprechen sich für diplomatische Bemühungen aus und unterstützen das Normandie-Format bei der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen“, heißt es zum Beispiel in der Erklärung. Eine deutliche Ansage, dass man auch die Rolle Russlands in den sogenannten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine und die Annexion der Krim nicht aus den Augen verloren hat. Zudem wird in der Erklärung die verstärkte Bereitschaft der drei Länder bei einer Lösung des Konflikts ebenso hervorgehoben wie die Warnung an Russland, dass jede militärische Aggression gegen die Ukraine „massive Konsequenzen“ nach sich ziehen wird.  

Doch so bemerkenswert und deutlich die Aussagen der Berliner Erklärung auch sind, große diplomatische Wirkung sollte man von dieser nicht erwarten. Zumindest nicht bei der Lösung des Ukraine-Konflikts. Was aber nicht an Deutschland, Frankreich und Polen liegt, sondern an der Haltung des Kreml. Denn auch wenn man jetzt noch weitere Erklärungen solcher Art veröffentlicht und nach Moskau zu Verhandlungen fliegt, so wie Bundeskanzler Scholz in der kommenden Woche: Die Bemühungen werden in Russland wahrgenommen, aber nicht honoriert. Und dies aus einem simplen Grund: Die Europäer sind in den Augen von Putin und seiner Administration kein gleichwertiger Partner. Dies sind für Moskau die USA. Von diesen und der Nato wollen sie Zugeständnisse haben.

Europäische Staaten als Zaungast

Dies zeigten nicht nur die bereits im Dezember gestellten Forderungen, die Russland an Washington und die Nato adressierte. Schmerzlich erfahren musste es der französische Präsident Macron auch bei seinem Besuch in Moskau. Trotz über fünfstündiger Verhandlungen widersprach der Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow dem französischen Präsidenten, dass Putin zugesichert habe, keine neuen Manöver mehr an der Grenze zur Ukraine durchzuführen.  

Doch trotz all dieser Umstände bedeutet das nicht, dass der Dreiergipfel nur pure Symbolpolitik ist. Sogar im Gegenteil. Er hat auch zwei positive Aspekte. Einerseits zeigt das Treffen von Scholz, Macron und Duda, dass die Europäer bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts endlich selbst aktiver werden. Spät, aber besser als nie. Bisher hatte man eher das Gefühl, sie halten sich zurück und lassen die USA für sich sprechen, wodurch die europäischen Staaten nicht nur durch Russland, sondern auch durch sich selbst zu einer Verhandlungsmasse degradiert werden. Dabei geht es nicht nur um einen Konflikt vor ihrer Haustür, sondern durch die russischen Forderungen an die Nato auch um ihre eigene Sicherheit. Diesen Eindruck konnte man jedenfalls durch das lange Schweigen von Olaf Scholz gewinnen. Es gab zwar lediglich gelegentliche Äußerungen zu Nord Stream 2, doch über irgendwelche diplomatischen Aktivitäten des Kanzlers wurde nichts bekannt. Dabei soll doch gerade die Russlandpolitik Chefsache sein.

Europäische Partner rücken zusammen

Das Treffen von Duda, Macron und Scholz im Rahmen des Weimarer Dreiecks zeigt aber auch, dass die Europäer durch den Konflikt offenbar wieder aufeinander zugehen und zusammenrücken. Dabei hat das 1991 entstandene Format schon seit Jahren politisches Potenzial. Allein schon durch die Tatsache, dass da mit Deutschland, Frankreich und Polen drei Staaten zusammentreffen, die wegen ihrer Wirtschaftskraft treibende Kräfte in der EU sein könnten. Doch in den letzten Jahren führte das Weimarer Dreieck eher ein Schattendasein. Das am Dienstag stattgefundene Treffen war das erste seit zehn Jahren auf der höchsten politischen Ebene. Zehn lange Jahre, die unter anderem auf die politischen Differenzen wie das Reizthema Rechtsstaatlichkeit zurückzuführen sind. In Berlin und Paris tat man sich schwer mit der umstrittenen Justizreform und Medienpolitik der in Polen regierenden Nationalkonservativen, in Warschau wiederum verbat man sich jede Kritik von außerhalb. Wenn nun die drei Staaten trotz aller Differenzen zusammenrücken, ist dies ein erfreulicher Nebeneffekt der Ukraine-Krise. Profitieren davon kann vielleicht nicht nur die Ukraine, sondern langfristig auch Europa.

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