Ukraine-Konflikt - Baerbocks lächerliche „Wasserstoff-Diplomatie“

Auf dem Weg nach Moskau hat Außenministerin Annalena Baerbock einen Zwischenstopp in Kiew gemacht. Ihre Ankündigung, dort „ein Büro für Wasserstoff-Diplomatie“ zu eröffnen, wirkte hilflos bis peinlich. Gleichzeitig schickt Großbritannien das, was die Ukraine jetzt wirklich braucht: Panzerabwehrraketen.

Gefährliche Abhängigkeit: Außenministerin Annalena Baerbock in Moskau / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Wer nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Was die neue deutsche Außenministerin der von einem russischen Militäraufmarsch bedrohten Ukraine anzubieten hat, ist der Hammer. Die Grünen-Co-Chefin kündigte bei ihrem Zwischenstopp in Kiew an, dass die deutsche Bundesregierung dort sehr bald „ein Büro für Wasserstoff-Diplomatie eröffnen“ wird.

Baerbock sprach von einem „Update unserer beiden Gesellschaften“, von einer deutsch-ukrainischen Energiepartnerschaft, die der Erfüllung der Pariser Klimaziele und dem Erlangen von Energiesouveränität diene. „Dafür brauchen wir sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und vor allen Dingen ein Hochlaufen des Marktes für grünen Wasserstoff“, erklärte die Außenministerin vor den Kameras, während ihr ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba geduldig am Nachbarpult wartete.

Keine schlechte Idee

Die Idee, in der Ukraine langfristig eine Wasserstoffindustrie aufzubauen, ist eigentlich gar nicht verkehrt. Ausreichend Platz für Windkraftanlagen gibt es dort schließlich. Deren Strom könnte eines Tages genutzt werden, um Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Wasserstoff eignet sich als Brennstoff und damit als Ersatz für russisches Erdgas. Sollte es tatsächlich gelingen, dass dieses grüne Gas irgendwann einmal durch Pipelines aus der Ukraine nach Deutschland fließt, wäre das nicht nur für unsere CO2-Bilanz vorteilhaft, sondern würde auch die politische Unabhängigkeit der Ukraine stärken. Das ist die Vision, die hinter Baerbocks Begriff der Energiesouveränität steckt.

Doch das akute Problem der Ukraine verlangt nicht nach Visionen. Es ist kein Nagel, der mit dem Klimaschutz-Hammer der Grünen versenkt werden könnte. Für die Ökopartei, die den Ausbau von Wind- und Solarenergie zur Schicksalsfrage des Planeten erklärt hat, mag es schwierig sein, sich das vorzustellen: Aber es gibt einige Völker und Regierungen auf dieser Welt, deren oberste politische Priorität nicht der Kampf gegen den Klimawandel ist. Erst recht nicht, wenn sie sich gerade einer anderen, viel akuteren Bedrohung ausgesetzt sehen. Zum Beispiel einem aggressiven Nachbarland, das Teile des eigenen Territoriums besetzt hält und unmittelbar an der Grenze zigtausende zusätzliche Soldaten mit schwerem Kriegsgerät zusammenzieht.

In einer solchen Situation, in der Sicherheit und Bestand der Nation auf dem Spiel stehen, ist „Wasserstoff-Diplomatie“ wohl ziemlich das Letzte, was man sich als Unterstützung von anderen Nationen wünscht. Und auf ein Update der Gesellschaft, ausgeführt nach den Vorstellungen deutscher Grüner, hofft in der Ukraine derzeit wohl auch kaum jemand.

Russlandkritik der Grünen bislang nur Rhetorik

Baerbocks Ankündigung wirkte daher mehr als deplatziert. Deutschland hält eisern an seiner Energiepartnerschaft mit Russland fest und will die Nord-Stream-2-Pipeline nicht aufgeben, obwohl die damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Gefahren für die Ukraine offensichtlich sind. Zwar sind die Grünen und ihre Co-Chefin diesbezüglich deutlich realistischer und russlandkritischer eingestellt als ihr großer Koalitionspartner SPD. Doch das ist bisher nur Rhetorik.

In der Realität machen die Grünen Deutschland noch abhängiger von russischen Erdgaslieferungen, als wir es ohnehin schon sind. Um es doch noch hinzubekommen, gleichzeitig aus Atomkraft und Kohleverstromung auszusteigen, will Klimaminister Robert Habeck etliche neue Gaskraftwerke bauen lassen. Sie sollen zwar irgendwann mit grünem Wasserstoff betrieben werden, doch das ist Zukunftsmusik.

Die benötigten Mengen sind gigantisch. Da auch die Industrie auf das neue Klimaschutz-Gas umgestellt werden soll, wird die heimische Wasserstoffproduktion niemals ausreichen, um Deutschlands Bedarf zu decken. Der Import aus sonnen- oder windreichen Regionen ist Teil des Plans. Doch die deutsche „Wasserstoff-Diplomatie“ befindet sich noch ganz am Anfang, und auch die technische Infrastruktur ist erst im Entstehen. Von einem wirklich „Hochlaufen“, ein neues Lieblingswort der Grünen-Minister Habeck und Baerbock, ist die Wasserstoffindustrie noch Jahre entfernt.

Baerbocks Gerede klingt in ukrainischen Ohren wie Hohn

Deshalb muss das Gerede der Außenministerin von künftiger Energiesouveränität in ukrainischen Ohren wie Hohn klingen, wenn zugleich die dringliche Bitte nach Mitteln zur Bewahrung der eigentlichen Souveränität übergangen wird. Die Ukraine braucht Waffen, um Russland von einem Einmarsch abzuhalten. Mit Windrädern wird sie ihre Grenzen nicht sichern können.

Doch den Wunsch nach deutschen Rüstungslieferungen lehnt Außenministerin Baerbock im Einklang mit SPD-Kanzler Olaf Scholz weiterhin ab. Bei ihrer Pressekonferenz in Kiew sprach sie das Thema gar nicht erst an. Erst als ein Journalist danach fragte, antwortete sie: „Die Haltung der deutschen Bundesregierung mit Blick auf Waffenlieferungen und zwar mit Blick auf eine restriktive Rüstungsexportpolitik, die ist ja nicht nur bekanntermaßen bekannt, sondern sie ist auch in unserer Geschichte begründet.“

Lehren aus der deutschen Geschichte

Weshalb aus der deutschen Geschichte die Lehre gezogen werden sollte, ein ehemals von Deutschland besetztes und verwüstetes Land nicht dabei zu unterstützen, sich gegen eine erneute Besetzung zu wehren, ist in der ukrainischen Öffentlichkeit schwer nachzuvollziehen. Baerbocks Auftritt in Kiew löste entsprechende Reaktionen aus. Etwa diese:

Während Annalena Baerbock weiter nach Moskau reiste, schaffte das aus der EU ausgetretene Großbritannien Tatsachen. Anders als Deutschland, das nicht nur eigene Rüstungsexporte in die Ukraine verweigert, sondern auch Waffenlieferungen anderer westliche Länder blockiert, haben die Briten den Hilferuf aus Kiew erhört. In der Nacht auf Dienstag schickte London militärische Transportflugzeuge in die Ukraine, die mit Panzerabwehrraketen gefüllt waren. Sie flogen sogar einen Umweg, um nicht den deutschen Luftraum durchqueren zu müssen.

Verteidigungsminister Ben Wallace veröffentlichte dazu ein Statement, in dem er sich vehement für das Recht der Ukraine ausspricht, die eigenen Grenzen zu verteidigen und Bündnispartner frei zu wählen. Und er betonte: Geliefert würden leichte, defensive Waffensysteme, die keine Bedrohung Russlands darstellten. Es sei nun Präsident Putins Wahl, „ob er sich für Diplomatie und Dialog oder für Konflikt und die Konsequenzen entscheidet“.

Das sind klare Worte und klare Taten, die im Kreml verstanden werden. Die deutsche Bundesregierung ist dazu weder willens noch in der Lage. Baerbocks „Wasserstoff-Diplomatie“ ist ein lächerlicher Versuch, die eigene Hilflosigkeit zu kaschieren.

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