Tschechien nach den Parlamentswahlen - Der unkaputtbare Skandalpolitiker

Andrej Babiš und seine ANO haben die Parlamentswahlen in Tschechien verloren. Doch ob damit der in mehrere Skandale verwickelte milliardenschwere Politiker für die Justiz greifbar wird, ist derzeit fraglich. Denn nun könnte er nach dem Präsidentenamt greifen.

Andrej Babis, Ministerpräsident von Tschechien, spricht bei einer Pressekonferenz / dpa
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Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Andrej Babiš ist ein politisches Phänomen. Der Milliardär, der 2013 zunächst Finanzminister und nach der gewonnen Parlamentswahl 2017 Ministerpräsident der Tschechischen Republik wurde, zog in den letzten Jahren die unterschiedlichsten Skandale an. Es wurden ihm Interessenskonflikte vorgeworfen, Subventionsbetrug, ja sogar sein eigener Sohn behauptet seit 2018, im Auftrag seines Vaters auf die Krim entführt worden zu sein, damit er gegen diesen nicht aussagen kann.

Doch all diese Skandale prallten an Babiš ebenso ab wie die Ermittlungen der tschechischen Polizei, des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (Olaf), mehrere Misstrauensanträge im tschechischen Parlament, Proteste und öffentliche Unmutsbekundungen, durch die sich Babiš sogar gezwungen sah, 2018 die Opfer der Samtenen Revolution von 1989 mit einer heimlichen, nächtlichen Kranzniederlegung zu ehren. Auch die miserable Krisenpolitik während der Corona-Pandemie, die sich in Tschechien mit bis heute rund 30.000 Toten zu einer Katastrophe entwickelte, schadete nicht seiner Popularität. Noch in den letzten Umfragen vor der vom Freitag bis Samstag stattfindenden Parlamentswahl schnitt Babiš‘ Partei ANO, wenn auch mit knappem Vorsprung, als stärkste Kraft ab.

Babiš fehlen die Partner

Was viele Beobachter jedoch für unwahrscheinlich hielten, ist seit Samstag Gewissheit. Wortwörtlich auf den letzten Metern überholte das konservativ-bürgerliche Bündnis Spolu, den die ODS, KDU-ČSL und Top 9 bilden, die ANO und wurde mit 27,7 Prozent die stärkste Kraft. Amtsverteidiger Babiš, dem in den letzten Tagen des Wahlkampfs wohl seine Verwicklung in die Pandora Papers zum Verhängnis wurde, und seine Partei kamen auf 27,1 Prozent. Gemeinsam mit dem liberalen drittplatzierten Bündnis Pirstan, zu dem sich die Piraten des charismatischen Vorsitzenden Ivan Bartoš  und die Bürgermeisterpartei Stan zusammenschlossen, hätte Spolu eine Parlamentsmehrheit von 108 Abgeordneten. Bereits Samstagabend kündigten beide Bündnisse Koalitionsgespräche an. Abgestraft wurden dagegen die sozialdemokratische ČSSD, bisheriger Koalitionspartner von Babiš, und die Kommunisten, welche die bisherige Regierung tolerierten. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes schafften beide Parteien nicht den Sprung ins Parlament.

Ähnlich wie Laschet und der CDU in Deutschland fällt es Babiš und seiner ANO jedoch schwer, sich mit der Niederlage abzufinden. Trotz der Ankündigung von Spolu und Pirstan, Koalitionsgespräche bilden zu wollen, erklärte auch Babiš seine Bereitschaft zu einer Regierungsbildung. Was bei dem Wahlergebnis eher dem Verschließen der Augen vor der Realität gleicht, da der milliardenschwere Politiker schlicht keine Optionen hat. Das siegreiche Bündnis Spolu hat bereits angekündigt, nicht für Koalitionsgespräche mit der ANO zur Verfügung zu stehen. Was wenig erstaunlich ist. Sowohl Spolu als auch Pirstan führten einen klaren Anti-Babiš-Wahlkampf. Jegliche Koalitionsgespräche mit der ANO würden das Bündnis unglaubwürdig machen.

Unterstützung durch den Präsidenten

Die tschechische Verfassung sorgt jedoch dafür, dass für Babiš die Lage nicht hoffnungslos ist. Es ist nämlich der tschechische Präsident, der eine Partei mit der Regierungsbildung beauftragt und mit dem amtierenden Staatsoberhaupt Miloš Zeman hat der noch amtierende Regierungschef einen treuen Verbündeten. Zeman hielt nicht nur während all der Regierungskrisen und zum Teil auch erfolgreichen Misstrauensanträge zu dem Milliardär, dessen Vermögen auf bis zu fünf Milliarden Euro geschätzt wird, sondern kündigte auch schon vor der Parlamentswahl an, dass er nur die stärkste Partei, nicht aber ein Bündnis mit der Regierungsbildung beauftragen werde.

Und Zeman hielt sein Wort. Bereits am Sonntagvormittag empfing Zeman Babiš zu einem Gespräch, auch wenn es bei dem Treffen laut offizieller Verlautbarungen nicht um die Bildung einer zukünftigen Regierung ging. Stunden nach dem Treffen der beiden Politiker wurde der seit Jahren mit seiner Gesundheit kämpfende Zeman in ein Prager Militärkrankenhaus eingeliefert, wo er auf der Intensivstation liegt. Alles Umstände, die nach Meinung von Experten die Regierungsbildung bis zum Ende des Jahres hinausziehen könnten.

Staatspräsident Babiš?

Eine mögliche Regierungskoalition aus Spolu und Pirstan, egal wann diese Tatsache werden sollte, bedeutet aber nicht das Ende des System Babiš und die Aufarbeitung all seiner Korruptionsskandale. Wie am Montag bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Babiš im Fall Storchennest, einem Luxusressort, bei dem sich der Geschäftsmann und Politiker etwa zwei Millionen Euro an EU-Subventionsmittel erschlichen haben soll, vorerst wieder eingestellt. Grund dafür ist die Wiedererlangung seiner Immunität, die er durch den erneuten Wiedereinzug ins Parlament erlangt hat. Erst die neue Abgeordnetenkammer kann ihm diese, nach Antrag der Staatsanwaltschaft, durch eine Abstimmung aberkennen. Wann dieser Antrag gestellt wird, ist unklar.

Ob Babiš bis zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft und der dazugehörenden Abstimmung noch Parlamentarier ist, wird in Prag jedoch seit Montag immer lauter diskutiert. Durch die Krankenhauseinlieferung von Zeman, der 2018 in seine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde, wird erneut bezweifelt, ob der 77-Jährige bis 2023 Präsident bleiben wird. Als aussichtsreicher Nachfolger wird dabei Andrej Babiš gehandelt. Der Milliardär und Politiker soll sich jedenfalls schon in der Vergangenheit ernsthaft mit dem Thema befasst haben. Als Präsident wäre er jedenfalls für Strafbehörden schwer greifbar.

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