Sicherheitszone in Nordsyrien - AKKs nächster Flugzeugträger?

Die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer überraschte das politische Berlin mit ihrem Vorschlag einer internationalen Sicherheitszone in Nordsyrien. Ein Vorstoß zur Rettung der Menschen in der umkämpften Region? Oder eine Konfettikanone in eigener Sache?

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Anfang Oktober in Westafrika / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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An diesem Morgen summte und brummte Berlin, als habe jemand mit einem Stecken in der Höhle von Erdwespen herumgerührt. Darf die das? Ist das abgestimmt? Was heißt das für ein etwaiges Mandat der Bundeswehr?

Wenn es das Ziel der Verteidigungsministerin und CDU-Chefin war, einfach mal groß aufzumischen, dann ist dieses Ziel an diesem Dienstagvormittag voll erreicht worden. In der immer fiebrigen Zone des Regierungsviertels ist die Temperatur spürbar gestiegen, nachdem AKK am Vorabend auf allen Kanälen ihre Idee verbreitet hat: In dem von den USA verlassenen und derzeit zwischen Kurden und (russisch unterstützten) Assad-Truppen und türkischen Invasoren umkämpftem Gebiet unter europäischer Führung und mit dem Segen der Vereinten Nationen eine große internationalen Sicherheitszone zu errichten. Die vor allem sicherstellen soll, dass sich keine nächste Flüchtlingswelle Richtung Europa aufbaut. Und sich keine IS-Terroristen darunter mischen und alles wieder so wird wie 2015 und in den Folgejahren.

Kein böses Wort über AKK

Ganz offensichtlich hat AKK diesen Vorstoß gezielt und absichtlich als Alleingang angelegt. Noch am Sonntagabend befasste sich ein Koalitionsausschuss in ihrem Beisein mit Syrien. Dazu aber kein Wort von AKK. Freund und Feind sind demnach spätestens am Dienstagmorgen überrascht, aber alle Versuche des publizistischen Betriebs, vor allem in Koalitionskreisen ein Feuerchen anzuzünden, schlagen fehl. Lieber beißen sich die Koalitionäre auf die Zunge, bevor sie ein böses Wort über das Vorgehen von AKK verlieren.

Das ist ein interessanter Vorgang: Offenbar sind alle daran operativ Beteiligten in der Koalition daran interessiert, die angeschlagene Parteichefin nicht weiter zu schwächen. Und offenbar ist die Angst vor einem Szenario wie 2015 und der Folgezeit so groß, dass jeder Vorschlag, der zur Vermeidung beitragen kann, erst einmal willkommen ist. Unkollegiale Vorgehensweise hin oder her. Die Frage ist daher auch nicht: Darf sie das? Sondern: Ist das klug? Und kann sie das?

Deutscher Gratis-Moralismus

Deutschland genießt in der Europäischen  Union und der Welt den zweifelhaften Ruf, moralischer Weltmeister zu sein und dabei immer die Hände in den Schoß zu legen. Wer aber so eine Idee in die Welt setzt, und die militärische Arbeit dahinter anderen überlassen will, der ist nicht weit weg von diesem billigen Gratis-Moralismus, den Deutschland sonst in solchen Fragen immer verströmt.

Tatsache ist deshalb: Wer eine solche Idee raushaut, zumal als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) über die Bundeswehr, muss neben der politischen Bereitschaft auch die militärischen Fähigkeiten dafür mitbringen. Insofern agiert AKK mit hohem Einsatz. Denn nach ihrer schwimmenden Chimäre eines europäischen Flugzeugträgers, den sie einmal folgenlos gefordert hatte, muss sie hier am Ende liefern. Einen zweiten Flugzeugträger kann sie sich nicht erlauben.

Macht die EU mit?

Wer eine solche Idee hat, ist als erster gefordert, sie ins Werk zu setzen. Das ist in Redaktionen nicht anders als in der Weltpolitik. Auf „Man müsste mal“-Ideengeber kann man hier wie dort verzichten. Also: Kann die Bundeswehr einen maßgeblichen Beitrag zu einer solchen Mission leisten, und bekommt sie dafür am Ende das Mandat des Bundestages? Antwort: Ersteres ist schwierig, letzteres möglich. Denn eine solche Mission lässt sich dem Claudia-Roth-Flügel als humanitäre Mission verkaufen, obwohl sie mit Kampfhandlungen verbunden sein wird.

Wahrscheinlich gibt es sogar in der Europäischen Union Partner, die mit dabei wären, in das Vakuum zu stoßen, das die Amerikaner hinterlassen. Die angehende EU-Kommissarin Ursula von der Leyen hat in der Hinsicht als Vorgängerin von AKK die Backen auch schon einmal dick aufgeblasen bei einer Münchner Sicherheitskonferenz. Sie ist also im Wort. Und es wäre für sie ein gutes Entrée als Kommissionspräsidentin, einer europäischen Schutztruppe in einer Sicherheitszone Syriens zur Geburt zu verhelfen.  

2015 darf sich nicht wiederholen

Bleiben die Vereinten Nationen. Und spätestens hier wird es diffus und fraglich, ob AKK ihren Vorstoß zu Ende gedacht hat. Denn die UN heißt: Wladimir Putin und Russland. Der russische Präsident ist derzeit der fast alleinige Großmeister des zynischen globalen Schachspiels, und auf seinem Brett spielen Syrien und der russische Einfluss eine zentrale Rolle. Warum sollte sich Russland auf eine UN-mandatierte Schutzzone in Nordsyrien einlassen? Es würde sein Faustpfand aus der Hand geben, jenes entscheidende Faustpfand, das das Land trotz aller wirtschaftlichen Gebrechens weiter als global player auftreten lässt.

Fazit: Der Vorstoß von AKK dient in erster Linie der eigenen Profilierung in einer Zeit, in der ihr die Machtbasis in der Partei unter den Fingern zerbröselt. Zugleich hat sie ein so ernsthaftes Thema mit einem konstruktiven Vorschlag bereichert, den schon deswegen keiner in Deutschland und Europa beiseite wischen kann, weil sich, nach einer berühmten Doktrin der Kanzlerin, 2015 bekanntlich nicht wiederholen darf

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