Bernie Sanders - Erst radikal, jetzt fast schon normal

Bernie Sanders hat seine Kandidatur für den Präsidentschafts- wahlkampf in den USA bekannt gegeben. Doch bereits 2016 unterlag er seiner innerparteilichen Gegenkandidatin Hillary Clinton. Hat er als alter, weißer Mann noch eine Chance?

Bereits 2016 wurde nichts aus seiner Kandidatur für das Weiße Haus. Ob es dieses Mal anders läuft? / picture alliance
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Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Zwei alte, weiße Männer bestimmten am Dienstagmorgen in Amerika die Nachrichtenlage: Der eine, 85 Jahre alt, hatte sich um Mode verdient gemacht und war in Paris gestorben. Der andere, 77 Jahre alt, hat sich um den Linksruck der Demokraten verdient gemacht und mit einer Ankündigung für Schlagzeilen gesorgt.

War der Tod von Karl Lagerfeld noch überraschend, kam Bernie Sanders’ Entscheidung, nach 2016 sich noch einmal um das Amt des Präsidenten zu bewerben, im politischen Washington nicht ganz ohne Vorwarnung. „Wenn es aussieht, dass irgendjemand, aus welchem Grund auch immer, einen besseren Job machen sollte als ich“, sagte Sanders in einem Interview im Sommer 2018, „dann werde ich mir den Hintern aufreißen, damit sie oder er gewählt wird.“ Aber, fügte er damals hinzu, „falls es so aussehen sollte, dass ich der beste Kandidat bin, um Donald Trump zu schlagen, dann werde ich kandidieren.“

Ein Schritt nach links

Wie es aussieht, hält der Senator aus Vermont sich also anscheinend für den aussichtsreichsten Kandidaten – sonst hätte er das Feld womöglich einer der vielen Kandidatinnen überlassen, die in den vergangenen Wochen ihre Bewerbungen um das Amt angekündigt hatten. 2015, als Sanders seine Kandidatur bekannt gab, war die Konkurrenz unter den Demokraten klein, wenn auch mächtig: Es galt, Hillary Clinton zu schlagen

Schon damals stand die Frage im Raum, ob er mit seinem linken Wirtschaftspopulismus nicht die besseren Chancen gegen Donald Trump haben würde. Das ist, im Nachhinein, natürlich reine Spekulation, was aber Fakt ist, ist, dass es Sanders war, der Clinton dazu zwang, linkere Positionen einzunehmen. Dadurch machte auch die Partei selbst einen gehörigen Schritt nach links. 

Eine Bürgerversicherung, einen höheren Mindestlohn, öffentliche Hochschulen ohne Studiengebühren, strikterer Umweltschutz – mit diesen Forderungen begeisterte der damals 74 Jahre alte Politiker vor allem junge Erstwähler. Heute sind all diese Anliegen hingegen keine außergewöhnlichen Themen mehr für einen Demokratischen Politiker. Das weiß auch Sanders, der diesen Umstand bei seiner Ankündigung thematisierte.

Der demokratische Sozialist

„Vor drei Jahren, während unseres Wahlkampfes 2016, als wir uns für unsere progressive Agenda stark gemacht haben, sagte man uns, unsere Ideen seien ‚radikal‘ und ‚extrem‘“, schrieb er am Dienstag in einer Email an seine Anhänger, in der er seine Kandidatur ankündigte. „Drei Jahre sind seitdem vergangen. Und mithilfe von Millionen von Amerikanern, die aufgestanden sind und dagegenhalten, werden diese und noch viele weitere Anliegen jetzt von einer Mehrheit im Land unterstützt.“

Sanders ist jemand, der sein Außenseitertum unter den Demokraten nur allzu gern kultiviert. Er nutzt die Infrastruktur der Partei, weigert sich aber, ihr beizutreten. Er selbst nennt sich einen demokratischen Sozialisten. 2016 hatte er gegen Clinton den Vorteil, sich als Architekt eines Linksrucks gegen das Partei-Establishment gerieren zu können. Mindestlohn, Studiengebühren, Umwelt, das waren seine Themen. Heute ist er bloß einer von vielen, der diese Positionen vertritt. Warum sollte man also einen Politiker wählen, der bei Amtsantritt 79 Jahre alt wäre, wenn man ähnliche Positionen bei vielen anderen Kandidaten findet, die aufgrund ihres Alter und ihrer Herkunft der Partei einen zukunftweisenderen Anstrich geben würden?

Ähnlichkeiten zu Trump

Das politische Klima hat sich seit 2016 verändert, im Land wie in der Partei. Für Sanders und seine Anhänger geht es nicht mehr um die Frage „Clinton oder nicht Clinton?“, sondern darum, ob es reicht, Donald Trump abzulösen. Sanders‘ Wirtschaftspopulismus ist dem von Trump nicht unähnlich. Beide brüsten sich mit ihrer Anti-Establishment-Haltung.

So glaubt Sanders’ Team auch, dass er gegenüber Trump in Regionen einen Vorteil hat, die entscheidend sind auf dem Weg ins Weiße Haus. Laut Ben Tulchin, einem Wahlforscher aus San Francisco, würde Sanders zum Beispiel in West Virginia im direkten Vergleich mit zwei Prozentpunkten vor dem Präsidenten liegen, obwohl Trump in dem Bundesstaat gegen Hillary Clinton eins seiner besten Ergebnisse holte. Sanders könnte, so die Vorstellung, in den Regionen auftrumpfen, in denen für die gestandene Karrierepolitikerin gegen den Politikneuling Trump die Wahl verloren ging. 

Ein Problem bleibt

Bis es soweit ist, muss Sanders sich allerdings gegen die anderen Demokraten durchsetzen. Wobei er eine deutliche Schwachstelle hat, die ihn die Nominierung kosten könnte – und einen großen Vorteil vor fast allen anderen Kandidaten. 

Schon 2016 hatte Sanders ein Problem, sich gegen Clinton durchzusetzen, weil viele afro-amerikanische Wähler nichts mit ihm anfangen konnten. Ohne diese Wählerschicht ist es in jüngster Vergangenheit keinem Demokraten gelungen, sich die Nominierung der Partei zu sichern. Hier hat Sanders eine deutliche Schwäche, zumal mit Cory Booker und Kamala Harris auch noch zwei schwarze Politiker gegen ihn antreten. 

Seit dem Wahlkampf 2016 verfügt er jedoch unter allen Demokratischen Kandidaten über die umfangreichste Liste mit Kontaktdaten, um Wähler zu mobilisieren. Und wie es scheint, kann Bernie Sanders sich immer noch auf die von ihm in Gang gesetzte Graswurzelbewegung verlassen: Am Dienstag sammelte er innerhalb von zehn Stunden dank 120.000 Einzelspendern 3,3 Millionen Dollar ein. Mehr als doppelt so viel wie die zweitbeste Kandidatin: Kamala Harris kam innerhalb der ersten 24 Stunden nach Ankündigung ihrer Kandidatur bloß auf 1,5 Millionen Dollar.

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