
- Die Uneinsichtige
In ihren neu erschienenen Memoiren lehnt Hillary Clinton jede Verantwortung für die Niederlage gegen Donald Trump ab. Schuld soll ausgerechnet ihre eigene Partei sein. Deshalb sollten sich die Demokraten endlich von Clinton lossagen
Hillary Rodham Clinton hat unter dem Titel „What Happened“ einen weiteren Band ihrer Memoirenserie vorgelegt. Die Frau, die prädestiniert war, erste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden, bleibt ihrer langjährigen, divahaften Linie treu: Schuld an jeglichen Fehlern sind immer die anderen.
Ob Donald Trump, das FBI, die Russen, das Wahlsystem der USA oder auch ihr parteiinterner Konkurrent Bernie Sanders – Sie sind es im Wesentlichen, die in den Lauf der Geschichte eingegriffen haben und „HRC“ ihren Triumph vermasselt haben. Am Rand ist da ein bisschen von den Email-Malheurs die Rede, aber auch das gilt im Clinton-Universum hauptsächlich als Mitarbeiterversagen. Es wäre schöngeredet, würde man Hillary Clinton als beratungsresistent beschreiben. Im Grunde gilt für sie der alte Witz über die Deutschen „Sie wissen nicht nur immer alles, sondern sie wissen obendrein auch alles besser.“
Der Schein trügt
Dass es ihre Arroganz und Hölzernheit waren, die ihr letztlich den Sieg verwehrten, davon ist selbst jetzt kaum die Rede. Trotz 512 Seiten Text wurde der Moment zur Katharsis verpasst. Man kann sich auch nicht des Eindrucks verwehren, als gehe es Frau Clinton, auch wenn sie das offiziell abstreitet, irgendwie schon wieder um die Vorbereitung der nächsten Kandidatur. In jedem Fall liegt sie Meinungsumfragen zufolge aktuell sogar hinter den desaströs niedrigen Werten von Donald Trump.
Im Narrativ Clintons war es also ein Komplott dunkler Mächte – und nicht etwa ihre eigene Zügellosigkeit, die sie beim rigorosen Einstreichen von Redehonoraren weit jenseits der tiefen Taschen Goldman Sachs an den Tag legte. Demgemäß geht es im Wahlkampf von 2020 um eine Korrektur eines Fehlgriffs der Geschichte. Dabei steht außer Frage, dass Hillary Clinton eine bessere Präsidentin als Donald Trump gewesen wäre. Aber Politik erfolgt nun einmal nicht im Rückspiegel.
Man sagt von Donald Trump, dass er seine Partei verachte. Hillary Clinton tut so, als ob sie ihre, die Demokratische Partei, liebe. Das ist eine scheinheilige Position. Denn in Wirklichkeit denkt die Diva immer nur insofern an „ihre“ Partei, als diese ihr getreu als Vehikel zum Amtsgewinn dient. Insofern muss man schockiert feststellen, dass Donald Trump eigentlich sehr viel ehrlicher im Umgang mit „seiner“ Partei ist. Ihm geht es nämlich hauptsächlich um sein eigenes Ego. Das ist bei Frau Clinton nicht anders, nur gibt sie sich mit einem anderen Schein.
Beelzebub Sanders
Wer sich an die historischen Traditionen der amerikanischen Parteipolitik erinnert, der kann nicht umhin einzugestehen, dass Hillary Clinton eher eine klassische Establishment-Republikanerin ist, denn eine glühende Demokratin. Dass erweist sich auch an der Tatsache, dass sie in ihrem neuen Buch Bernie Sanders besonders angeht. Dessen Fehler ist aus ihrer Sicht, dass er nicht nur ein reiner Zähl-Kandidat, zum wahlpolitischen Aufwärmen der Kandidatin, war. Dass Sanders sich erdreistete, eine echte Kandidatur zu verfolgen, sei impertinent, geradezu eine Majestätsbeleidigung und obendrein sexistisch.
Das Gerede von Sanders als „Sozialisten“ ist lächerlich. In Deutschland würde er wohl rechts von Wolfgang Schäuble stehen. Dass er obendrein weite Teile der jungen bis „mittelalten“ Wähler im demokratischen Lager auf seiner Seite hatte, verdeutlicht, wie sehr die Politik und Person von Hillary Clinton als veraltet gilt. Das wahre Rennen geht innerhalb der Demokratischen Partei aus Sicht der Wahlkampffinanziers schon jetzt darum, den Wählern den Beelzebub Sanders nach allen Kräften auszutreiben.
Denn diesen Plutokraten sind jegliche politischen Anliegen, die heute vergleichsweise zum politischen Kernbestand der CDU gehören, abgrundtief suspekt. Daher das Clintonsche Bemühen, die Positionen von Sanders – auf deutsche Verhältnisse übertragen – als Dämeleien etwa der Linken, Grünen oder SPD zu karikieren. In den USA selbst halten Sanders und die junge Generation dagegen. Sie fragen, warum man denn für die Demokraten stimmen solle, wenn auch sie unter der Clintonschen Ägide seit einem Vierteljahrhundert nach allen Kräften Steuerpolitik für die Reichen machen.
Zukunftsträger der Partei
Diese Demokraten nehmen das immer wieder vorgebrachte Gegenargument, dass nämlich Sanders und auch Elisabeth Warren mit ihren Positionen die Partei spalten würden, ganz bewusst in Kauf. Denn auch die Republikaner sind ja – dank Trump – mittlerweile eine gespaltene Partei; sie besteht aus einer phobienhaft reaktionären Hälfte und einem klassischen Wirtschaftsflügel.
Die Demokraten sind dank der Clintons schon viel zu lange der Steigbügelhalter der Plutokraten Amerikas gewesen. Diese geben sich gern liberal im amerikanischen Sinn. Ihre Wahlkampf-Spenden aber geben sie vornehmlich denen, die sich im klassisch britischen Sinn liberal verhalten, also dem Kapital den Rücken freihalten wollen. Der Beweis hierfür liegt in den amerikanischen Statistiken zur Einkommensungleichheit der vergangenen Jahrzehnte, die eine ganz klare Sprache sprechen. Und im vergangenen Vierteljahrhundert hatten die Demokraten für 16 Jahre die Macht im Weißen Haus inne.
Kein Wunder also, dass Hillary Clinton trotz all ihrer Wortwucherei im jüngsten Opus – sie spendiert ihren Lesern sogar 100 Worte zu den passenden Yoga-Atemübungen – zu vielen der politisch wirklich neuralgischen Fragen kaum eine passende Antwort hat. Dafür müssen die Amerikaner sich schon an Bernie Sanders wenden.