Russland-Affäre um Trump und Clinton - Warum auf eine Lüge ein Freispruch folgt

Die vermeintliche Russland-Affäre Donald Trumps im Präsidentschaftswahlkampf 2016 war ein Produkt der Kampagne der damaligen Herausforderin Hillary Clinton. Dennoch hat ein Geschworenengericht in Washington D.C. Clintons Anwalt Michael Sussmann vom Vorwurf der Lüge gegenüber dem FBI freigesprochen. Warum?

Wohl einem "Narrativ" aufgesessen: Demonstranten bei einem Protest gegen die Wahl von Präsident Donald Trump in Washington, DC 2016 / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

So erreichen Sie Gregor Baszak:

Anzeige

Alles andere wäre eine Überraschung gewesen: Michael Sussmann, der im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 die demokratische Bewerberin Hillary Clinton als Anwalt vertrat, ist von einem Geschworenengericht in Washington D.C. des Vorwurfs der Lüge gegenüber dem FBI freigesprochen worden. Zuvor war Sussmann vom Sonderermittler John Durham angeklagt worden, der die Ursprünge der Russland-Affäre untersuchte, die Donald Trump während seiner Präsidentschaft belastete. Viele Jahre überstürzten sich amerikanische Medien mit den wildesten Vorwürfen an Trump, er handle im Auftrag Wladimir Putins, etwa als seit 1987 agierender Spion. Der Sonderermittler Robert Mueller konnte schließlich Trump nichts dergleichen anlasten.

Dass die Entlastung Sussmanns keine Überraschung ist, hat damit zu tun, dass die Geschworenen aus Bürgern Washington D.C.s bestanden, einer Stadt, die Joe Biden bei der letzten Wahl mit 92 Prozent gewonnen hat. Der Prozessrichter Christopher Cooper wiederum lehnte alle Einsprüche der Staatsanwaltschaft ab, dass mehrere der berufenen Juroren parteiisch seien – drei von ihnen hatten 2016 Geld an die Clinton-Kampagne gespendet. Die Sprecherin der Geschworenen erklärte nach Urteilsverkündung, dass ihrer Meinung nach die Anklage niemals hätte erhoben werden dürfen.

Wichtiger als das Urteil ist also, was das Durham-Team während des Prozesses ans Tageslicht befördern konnte — und das hatte es in sich.

Ein Produkt der Clinton-Kampagne

Ende Oktober 2016, also wenige Tage vor der Wahl, veröffentlichte das US-Magazin Slate einen Artikel, in dem die Behauptung aufgestellt wurde, dass Server aus dem Trump-Tower in New York mysteriöse Verbindungen zu der russischen Alfa Bank aufgenommen haben sollen. Dies hätten Untersuchungen von Informatikern ergeben. Auf Hillary Clintons offiziellem Twitter-Account wurde unmittelbar danach eine Stellungnahme ihres damaligen Beraters – und Joe Bidens heutigem Nationalen Sicherheitsberater – Jake Sullivan publiziert, die von „geheimen Kommunikationswegen Trumps mit Russland“ sprach:

Durham, ein weithin respektierter Berufsermittler, der während der Präsidentschaft Trumps durch dessen Justizminister Bill Barr einberufen wurde, schrieb im vergangenen September in seiner Anklageschrift, dass eine FBI-Untersuchung ergeben hatte, dass der entsprechende Email-Server nicht von der Trump Organization genutzt worden sein soll. Stattdessen wurde er von einer Firma geführt, die mit Massenmails Werbung für Trump Hotels machte. Sussmann solle stattdessen mit einem nicht namentlich genannten „Tech Executive-1“ — später als Cyberexperte Rodney Joffe identifiziert — kollaboriert haben, um über die DNS-Daten des Trump Towers ein „Narrativ“ zu kreieren, dass Trump mit Russland in Verbindung bringen sollte. Die Russland-Affäre war mit anderen Worten ein Produkt der Clinton-Kampagne selbst.

FBI verfolgte offenbar wissentlich falsche Fährte

Sussmann trat schließlich mit diesen Informationen an den FBI-Rechtsvorstand James A. Baker heran und versicherte ihm in dokumentierten SMS-Nachrichten, er handle dabei im Auftrag von niemandem. Er tue dies nach eigenem Befinden. Das soll die zentrale Lüge gewesen sein, und das FBI zu belügen,kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Konkrete Motivationen nachzuweisen, war gewiss schwer für das Durham-Team, aber während des Prozesses legte es mehrere Beweise vor, die Sussmanns Behauptung, er habe eigenständig gehandelt, widersprachen. Zum einen hatte Sussmann vor dem US-Kongress ausgesagt, er habe „im Auftrag meines Klienten“ gehandelt. Die USB-Sticks, die er Baker beim Treffen vorgelegt hatte, stellte er außerdem der Clinton-Kampagne in Rechnung – Betreff: „vertraulich“.

Das zuständige FBI-Team hatte zwischenzeitlich schnell gelernt, dass an der Alfa Bank-Geschichte nichts dran war, doch sagte der verantwortliche Agent Curtis Heide beim Prozess aus, die Ermittlung sei vom „siebten Stock“ des FBI-Hauptquartiers – dort wo der damalige Direktor James Comey sein Büro hatte — angetrieben worden. Dieselbe FBI-Führung ließ schließlich Sussmann ihre eigenen Presseerklärungen über den vermeintlichen Hacker-Angriff auf das demokratische Hauptquartier bearbeiten. Laut der privaten Security-Firma Crowdstrike, die von den Demokraten angeheuert worden war, seien über den Hack die internen Emails der Partei und des Clinton-Teams an Wikileaks geraten (das FBI analysierte den Server nie eigenständig, sondern verließ sich auf das Wort von CrowdStrike):

Hillary Clinton der Mitwisserschaft überführt

Eine weitere Enthüllung im Rahmen des Sussmann-Verfahrens legte schließlich dar, dass Hillary Clinton selbst, trotz bisheriger Dementi, in die Machenschaften Sussmanns eingeweiht gewesen war, dem überrascht klingenden Tweet vom 31. Oktober 2016 zum Trotz. So gestand Clintons ehemaliger Kampagnen-Manager Robby Mook, dass Clinton in die Überlegungen ihres Teams eingeweiht worden sein soll, die Alfa Bank-Gerüchte an den Autor des Slate-Artikels weiterzugeben. Laut Mook „dachte sie, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten“. Der Freispruch Sussmanns ist ein herber Rückschlag für Durham, aber auch für Trump-Alliierte, die sich von einem Schuldspruch Anerkennung erhofft hatten, dass Trump das Opfer einer Hetzkampagne gewesen sei.

Noch hat Durham allerdings nicht alle seiner Karten ausgespielt: Denn im Oktober startet der Prozess gegen Igor Danchenko, der als Hauptquelle für das berüchtigte – und diskreditierte – Dossier des ehemaligen britischen Geheimagenten Christopher Steele diente. Darin warf Steele Trump vor, von der russischen Regierung erpressbar zu sein. Während dieses kommenden Prozesses könnte allerdings das FBI selbst nochmal ins Visier geraten, denn die Bundespolizei soll gewusst haben, dass Danchenko bei seinen Aussagen gelogen habe – und sich schließlich trotzdem auf diese Aussagen gestützt haben, um die Ermittlung über vermeintliche Kreml-Verbindungen Trumps, Codewort „Crossfire Hurricane“, fortzuführen.

Anzeige