Nach den Präsidentschaftswahlen - Die inneren Spannungen Polens werden zunehmen

In Polen werden sich nach den Präsidentschaftswahlen weiterhin zwei unversöhnliche Lage gegenüber stehen. Weder von Duda noch von Trzaskowski sind Kompromisse zu erwarten. Was bedeutet das für das Verhältnis Polens zur EU und zu Deutschland?

Präsident Duda wird nicht die Erwartungen seiner aufgeheizten Wählerschaft enttäuschen können / dpa
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Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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Das knappe Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Polen verheißt nichts Gutes. Beide Parteien haben einen großen Erfolg erzielt. Das gilt für die Wiederwahl des Staatspräsidenten Duda ebenso wie für die atemberaubende Aufholjagd seines Herausforderers Trzaskowski. Beide können sich auf den Rückhalt von jeweils der Hälfte der Bevölkerung berufen. Da genau liegt das Problem.

Das Ergebnis spiegelt die fatale Zerrissenheit der polnischen Nation wider. Auf der einen Seite ein rechtsnationaler Kleingeist, ein befremdliches Demokratieverständnis und eine erschreckende Europafeindlichkeit. Dem steht ein liberales, aufgeklärtes und europafreundliches Denken gegenüber. Es hat im Nachkriegspolen keinen Wahlkampf von vergleichbarer Härte und Polemik gegeben. Er hat unversöhnliche Positionen versteinert.

Paternalistischer Fürsorgestaat

Duda suchte die polnische Gesellschaft an sich zu binden, indem er Ängste schürte – vor dem Markt, vor dem Verlust sozialer Sicherheit, vor dem Bürokratiemonstrum Brüssel und vor Russen und Deutschen. Sein Staatsverständnis folgt den Vorgaben von Lech Kaczyinski, dem Vorsitzenden der Partei Recht und Gerechtigkeit. Er gilt als dessen „Kugelschreiber“. 

Der polnischen Rechten schwebt ein paternalistischer Fürsorgestaat vor, der besteuert und umverteilt – nicht der Wettbewerb soll es richten, sondern das fürsorgliche Diktat, die Bevormundung und die Aufsicht. Das sind aus dem frühen europäischen Faschismus entlehnte Begriffe. Im Hinblick auf die Verfestigung der politischen Positionen sollten bereits frühere politische Aktionen, zum Beispiel das „Programm 500 Zloty plus für jedes Kind“, als gütige Geste den politischen Machtanspruch bei allfälligen Wahlen sichern – mit Erfolg, wie man sieht. Für eine mehrköpfige Familie auf dem Lande kommt bereits ein ansehnliches Mehreinkommen zustande. 

Mythisch orientiert

Es ist erstaunlich, wie es Kaczynski noch im 21. Jahrhundert gelingt, eine in der polnischen Gesellschaft immer noch existierende, von einem romantischen Messianismus ausgelöste Verklärung von der Größe und Besonderheit Polens zu mobilisieren. Daraus folgt für die Außenpolitik ein politischer Sonderweg Polens, der von Feindseligkeit gegenüber Deutschland und Russland, Skepsis gegenüber Europa und von Sonderbeziehungen zu den USA bestimmt ist. 

Diesem mythisch orientierten Polen steht eine moderne städtische Bevölkerung gegenüber, die die wirtschaftlichen Segnungen der EU-Mitgliedschaft zu schätzen weiß, die politische Zusammenarbeit in Europa bejaht und sich vor allen Dingen wieder stärker politisch einbringen möchte – auch in dem Bewusstsein, dass Polen wegen seiner Zugehörigkeit zur EU und seiner Nachbarschaft zu Deutschland gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen insgesamt besser aufgestellt ist als andere Nationen.

Eine nie dagewesene Unversöhnlichkeit

Trzaskowskis Gefolgschaft hat vor allen Dingen ein modernes demokratisches Staatsverständnis, das von Gewaltenteilung, Grundrechten und einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bestimmt wird. Das galt auch schon für die anderen Vorgängerregierungen im postsozialistischen Polen.

Konträre Auffassungen unter Parteien sind eine selbstverständliche Angelegenheit. In diesem Wahlkampf jedoch haben Polemik und Ausfälle eine bisher nie dagewesene Unversöhnlichkeit geschaffen. Weder das Duda-Lager noch die Anhängerschaft von Trzaskowski werden in absehbarer Zeit politisch aufeinander zugehen können.

Zu aggressiv

Es ist eine Illusion zu glauben, dass Duda sich in seiner zweiten Amtsperiode vom Einfluss der Partei Recht und Gerechtigkeit freischwimmen wird. Er hat sich während des Wahlkampfes viel zu aggressiv aus dem Fenster gelehnt. Das gilt insbesondere für die augenfällige Polemik gegen Homosexuelle und seine feindseligen Äußerungen gegen Deutschland und Russland. Er wird die Geister, die er gerufen hat, nicht ohne weiteres beherrschen können. Er wird vor allen Dingen nicht die Erwartungen seiner aufgeheizten Wählerschaft enttäuschen können und wollen. 

Umgekehrt wird sein von einem wirklichen politischen Erfolg nach oben katapultierter Herausforderer, der die Hälfte der Wählerschaft hinter sich weiß – nach polnischem Wahlrecht sogar mehr als die Hälfte der abgegebenen Wahlstimmen –, nicht bereit sein, auf absehbare Zeit irgendwelche Kompromisse mit Duda einzugehen. 

Ein „Weiter so“ in der polnischen Politik

Also ein „Weiter so“ in der polnischen Politik. Die inneren Spannungen in Polen werden zunehmen, ebenso die Konflikte mit der Europäischen Union und die Zwistigkeiten mit Deutschland. 

An der außenpolitischen Front wird Polens Partnern sehr viel Geduld und Umsicht abverlangt werden. Einerseits ist es der Europäischen Union nicht zuzumuten, polnische Verletzungen von Gemeinschaftsrecht ohne weitere Sanktionen zu tolerieren, andererseits können polnische Eskapaden den europäischen Zusammenhalt gefährden und jenen Kräften Auftrieb geben, die ein Europa der Willigen bzw. ein Europa der zwei Geschwindigkeiten fordern.

Neue Spannungen

Für Deutschland ist Polen ein wesentlicher unverzichtbarer Partner. Beide Länder bringen in eine zentraleuropäische Region allein über 120 Millionen Menschen ein. Das macht sie zur stärksten wirtschaftlichen Einheit innerhalb des Gemeinsamen Marktes. Die Aufgeheiztheit des Duda-Lagers gegenüber Deutschland vor der Wahl des polnischen Staatspräsidenten hat Wunden geschlagen.

Neben früheren Belastungen und Irritationen – z. B. durch die polnischen Reparationsforderungen und der Kritik an Nord Stream 2 – haben die spektakuläre Einbestellung des deutschen Geschäftsträgers in das polnische Außenministerium wegen einer angeblichen Einmischung Deutschlands in den polnischen Wahlkampf und die ungewöhnliche Zögerlichkeit, das Agrément für den neuen Botschafter Freytag von Loringhoven zu erteilen, für neue Spannungen gesorgt. Das deutsch-polnische Verhältnis hat sich in der Vergangenheit selbst durch größere Probleme nicht erschüttern lassen. 
 

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