Polnisch-amerikanische Beziehungen - Der bockige Partner

Der Streit zwischen Polen und der EU hat jüngst eine neue Eskalationsstufe erreicht. Allerdings gibt es auch zwischen Warschau und Washington enorme Risse. Das zeigt der aktuelle Konflikt um den polnischen Fernsehsender TVN. Dabei geht es nicht nur um die Pressefreiheit.

Der PiS-Abgeordnete Marek Suski (rechts) ist Initiator der „Lex TVN“ Foto: Leszek Szymanski/dpa
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Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Der Fernsehsender TVN ist in Polen eine Institution. Was nicht nur an fürs Privatfernsehen seichten Sendungen wie der polnischen Version von „Wer wird Millionär“ liegt. Durch den 2001 von der TVN-Gruppe gestarteten Nachrichtensender TVN24, der allabendlichen Nachrichtensendung „Fakty“ sowie mehreren investigativen Formaten spielt die TVN-Gruppe auch eine wichtige Rolle im Informationssegment. Spätestens seit dem Regierungsantritt der PiS stellen diese Nachrichtensendungen einen Gegenpol zum staatlichen TVP dar, dessen Kanäle die Nationalkonservativen konsequent zu ihren Propagandatuben umgebaut haben. Nicht wenige Polen sprechen heute abfällig von „TVPiS“.

Doch nun glauben die Nationalkonservativen, die seit Jahren mit unterschiedlichen Methoden unabhängigen Medien Zügel anlegen wollen, einen Weg gefunden zu haben, um TVN auf Linie zu bringen. Während die nationale und von der PiS dominierte Rundfunkbehörde KRRiT die Verlängerung der Ende September erlöschenden Sendelizenz von TVN24 und anderen Kanälen der TVN-Gruppe verzögert, obwohl diese bereits im Februar vergangenen Jahres beantragt wurde, wagten vorige Woche nun einige PiS-Parlamentarier mit einem von ihnen vorgelegten Gesetzesvorschlag einen neuen Vorstoß.

Provokation gegen Washington

Denn das als „Lex TVN“ bekannte Gesetz sieht vor, dass Sendelizenzen nur noch an jene Sender vergeben werden dürfen, deren Eigentümer vorwiegend aus Polen oder dem europäischen Wirtschaftsraum kommen, also der EU sowie der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Was formell auch auf die TVN-Gruppe zutreffen würde. Diese gehört der Polish Television Holding, die am Amsterdamer Flughafen Schiphol ihre Adresse hat. Doch in den Gesetzesvorschlag bauten die PiS-Abgeordneten einen Zusatz ein: Die in dem europäischen Wirtschaftsraum registrierten Unternehmen dürfen nicht einen Besitzer außerhalb der dazugehörenden Staaten haben. Dadurch solle verhindert werden, dass polnische Medien Besitzer aus Russland, China oder dem arabischen Raum bekommen, wie es seitens der PiS zur Begründung hieß.

Was mit der Sicherheit des Landes vor Einflussnahme autoritärer Staaten begründet wird, ist in dem Fall jedoch gerichtet gegen die USA. Ausgerechnet jenem Staat, mit dem sich Polen besonders verbunden fühlt. TVN gehört seit einigen Jahren dem amerikanischen Discovery-Konzern. Und dass man Washington damit provozieren wolle, daraus machen PiS-Politiker zumindest hinter vorgehaltener Hand kein Geheimnis. „Die Beziehungen mit den USA haben sich verschlechtert. Wir werden nicht passiv sein“, sagte ein Vertreter der Regierung, der nicht namentlich genannt werden wollte, dem seriösen Nachrichtenportal Wirtualna Polska.

Pressefreiheit und LGBT

Und tatsächlich gibt es einige Themen, die zwischen Warschau und Washington für Missstimmung sorgen. „Amerika hat in Polen einen großartigen Verbündeten. Aber man sieht, dass denen die Förderung von LGBT+ wichtiger ist“, erklärte der anonyme Regierungspolitiker und spielte damit auf die jüngsten Aktionen der amerikanischen Botschaft in Warschau an. So sorgte bei den Nationalkonservativen, die sich den Kampf gegen eine angebliche „LGBT-Ideologie“ auf die Fahnen geschrieben haben, die Aktion „Words Matter“ für Empörung, bei der Angehörige der polnischen LGBT-Community gegen sie gerichtete Hasskommentare vorlasen, die von der Facebook-Seite der Botschaft stammten. Eine Aktion, die vom US-Außenministerium gelobt wurde. Für Verbitterung hat in Warschau auch Bidens Verzicht auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 gesorgt, welche Polen bis heute befürwortet.

Doch zumindest die Misstöne, wenn es um TVN, die Pressefreiheit generell oder LGBT geht, sind nicht neu. Bereits unter der Präsidentschaft von Donald Trump kam es zwischen Warschau und Washington bei diesen Themen zu Konflikten. Was aus deutscher Sicht zu einer skurrilen Situation führte. Ausgerechnet die von Trump zur Botschafterin berufene Georgette Mosbacher avancierte durch ihre zum Teil sehr direkten Interventionen zu einer wichtigen Verteidigerin der Pressefreiheit sowie der Menschenrechte in Polen. „Doch unter Trump hat sich die polnische Regierung nicht getraut, bei diesen Themen mit Washington auf Konfrontationskurs zu gehen“, sagt Adam Traczyk, Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Mitbegründer des polnischen Thinktanks GlobalLab, gegenüber Cicero. „Mit Joe Biden als Präsidenten hat sich das geändert“, so Traczyk weiter.

Respekt vor Trump

Was nicht nur an den außenpolitischen Interessen Warschaus lag wie stärkerer Präsenz der US-Armee in Polen, sondern auch an den Sympathien zu Trump. Wie groß diese waren, zeigte allein die jüngste US-Präsidentschaftswahl. Neben Russlands Wladimir Putin war Polens Staatspräsident Andrzej Duda das letzte Staatsoberhaupt, das Joe Biden zu der gewonnenen Wahl gratulierte. Diese Glückwünsche erfolgten einen Monat nach dem Urnengang. Das zeigte eine Nähe zum abgewählten US-Präsidenten, die nach Meinung von Traczyk jedoch einen wichtigen Nebeneffekt hatte. „Durch die enge Verbindung zu Trump hat Polen, trotz der schon damals andauernden Konflikte mit der EU, nicht den Anschluss an den Westen verloren“, meint der Außenpolitikexperte.

Doch nun scheint aus Sicht Warschaus offenbar die Zeit der Provokationen gekommen zu sein, selbst wenn diese auch innenpolitisch keine große Aussicht auf Erfolg haben. Wie Marek Suski, der Initiator der „Lex TVN“ diese Woche zugeben musste, findet das nicht mal in der eigenen Koalition die nötige parlamentarische Mehrheit. Zudem überraschte am vorigen Mittwoch das polnische Verteidigungsministerium mit der Ankündigung, 250 amerikanische Abrams-Panzer für die polnische Armee kaufen zu wollen. Ein Deal in Milliarden-Höhe, der als Zeichen des guten Willens verstanden werden darf.

Verweigerte Akkreditierung für US-Botschafter

Ob dies die Beziehungen zwischen Warschau und Washington verbessert, darf jedoch bezweifelt werden. Denn zeitgleich zu dem Panzer-Deal wurde bekannt, dass Polen die Akkreditierung des neuen US-Botschafters verzögert. Eine Methode, die Warschau bereits bei Deutschlands Botschafter Arndt Freytag von Loringhoven anwandte. Was erstaunlich ist. Mit Mark Brzezinski will die Biden-Administration nicht nur einen erfahrenen Diplomaten nach Polen entsenden, sondern auch den Sohn des in Warschau geborenen und 2017 verstorbenen US-Außenpolitikexperten Zbigniew Brzezinski. Laut Medienberichten will die polnische Regierung, dass Mark Brzezinski vor seinem Dienstantritt auf die polnische Staatsbürgerschaft verzichtet, die er gar nicht besitzt.

Ob sich die USA diese Provokationen gefallen lassen, daran hat Traczyk seine Zweifel. „Erst Beziehungen zu verschlechtern, um diese dann zu verbessern, ist eher eine Methode von Diktaturen als von Verbündeten“ sagt der Politikwissenschaftler und warnt, auch im Hinblick auf den jüngst eskalierten Streit Polens mit der EU, vor weitreichenden außenpolitischen Konsequenzen für Polen: „Wenn Warschau auf diplomatischer Ebene weiter so agiert, dann ist es auf dem Weg in eine außenpolitische Grauzone wie die Türkei. Man ist Mitglied eines Bündnisses, aber kein vertrauenswürdiger Verbündeter.“

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