Olympische Spiele Tokio - Experten schlagen Alarm

Rund drei Wochen vor dem geplanten Beginn der Olympischen Spiele in Tokio steigen die Infektionszahlen abermals. Die Veranstalter demonstrieren Gelassenheit – und sorgen für Nervosität. Bis zu 10.000 Besucher sollen bei den Spielen erlaubt sein.

Ein „Tokyo 2020“-Zaun schirmt Arbeiten in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele ab Foto: Hiro Komae/dpa
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Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien.

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Dürfen jetzt doch keine Zuschauer in die Stadien? Vor knapp zwei Wochen verkündeten die Tokioter Organisatoren, dass die Spielstätten während der Olympischen Spiele nicht leer bleiben sollen: Bis zu 10.000 Besucher oder eine Auslastung von 50 Prozent pro Stadion sind demnach erlaubt. Die Veranstalter aus der japanischen Hauptstadt entschieden damit gegen den Rat diverser Gesundheitsexperten. Und für den Willen der Hotelbranche und Sponsoren, die sich wenigstens über ein paar Kunden freuen könnten, auch wenn die Pandemie nicht vorbei ist.

Vorige Woche aber wurde zurückgerudert. „Olympia wird auf zuschauerlos angepasst“, spekulierte das Yomiuri Shimbun, die auflagenstärkste Zeitung im Land, am Freitag auf seiner Titelseite. Denn Premierminister Yoshihide Suga hatte gegenüber Journalisten verlautbart: „Ich habe schon gesagt, dass es die Möglichkeit gibt, die Spiele auch ohne Zuschauer abzuhalten.“ Als Begründung für diese offenbare Kehrtwende sagte Suga: „In jedem Fall wird bei unserem Handeln die Sicherheit der japanischen Bevölkerung die oberste Priorität haben.“

Kliniken an der Kapazitätsgrenze

Der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen ist seit Beginn der Pandemie immer wieder bezweifelt worden. Zuletzt warnte der Virologe Shigeru Omi, Vorsitzender der Anti-Corona-Taskforce von Japans Regierung, dass die Olympischen Spiele überhaupt nicht stattfinden sollten. So etwas zu planen sei „unnormal“. Viele weitere Gesundheitsexperten, darunter der Epidemiologie-Professor Kenji Shibuya vom Londoner King’s College und die Expertin für Gesundheitssysteme Haruka Sakamoto von der Tokioter Keio Universität, haben eine Olympiaabsage gefordert. Und wenn Olympia stattfinden müsse, so hieß es einhellig, dann ohne Zuschauer.

Was die Infektionszahlen angeht, ist Japan zwar noch relativ milde von der Pandemie betroffen. Auf eine Bevölkerung von 126,5 Millionen zählt das ostasiatische Land bisher 807.000 Infektions- und 15.000 Todesfälle. Allerdings operieren im Land mit einer alternden Bevölkerung viele Krankenhäuser schon länger an der Kapazitätsgrenze. Und seit einigen Tagen steigen die Neuinfektionen wieder. Am Wochenende waren es 1.4854.

Softer Lockdown seit April

Seit April haben sich die größten Metropolen im Land im Ausnahmezustand befunden, womit ein softer Lockdown erwirkt wird. Die Menschen werden zum Daheimbleiben angehalten, Lokale sollen abends keinen Alkohol mehr ausschenken und früher schließen. Dieser sollte kurz vor den Olympischen Spielen aufgehoben oder zumindest gelockert werden, um erst während der Spiele wieder zu greifen. Nun aber könnte er schon gleich wieder verlängert werden. Denn zumindest in der Hauptstadtregion macht die Deltamutante derzeit 30 Prozent der Neuinfektionen aus.

Auch unter den aus dem Ausland eingereisten Olympiaathleten hat es schon Infektionen gegeben. Ein Mitglied des ugandischen Teams wurde Ende Juni bei der Einreise positiv getestet, Anfang April traf es einen Athleten aus Serbien. Die Sportler sollen sich während ihres Aufenthalts in Japan in einer Art Blase bewegen, sich im Olympischen Dorf aber die Zimmer teilen. Pro Team wird ein Aufpasser nominiert, der sicherstellen sollen, dass Abstandsregeln eingehalten werden. Allerdings gilt als klar, dass dies schwer überprüfbar sein wird.

Positiv Getestete sollen an Wettkämpfen teilnehmen

Nun überlegen die Organisatoren, wie sie mit Sportlern umgehen sollen, die wegen eines Positivfalls in ihrem Umfeld in Quarantäne müssen – wie im Fall der Athleten aus Uganda und Serbien. Daraufhin erklärte ein Regierungsvertreter jüngst, es werde nach Wegen gesucht, wie diese trotz allem an Wettkämpfen teilnehmen können. Schließlich seien die Athleten für den Sport nach Japan gekommen, und den solle man ihnen ermöglichen. Die Kritiker schlagen einmal mehr Alarm: So eine Loslösung aus der Quarantäne werde nur zu weiteren Infektionen führen. Und offenbare, dass Sicherheit eben doch nicht oberste Priorität sei.

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