Michel Houellebecq - „Donald Trump ist ein guter Präsident“

Michel Houellebecq hat einen Geistesverwandenten gefunden: Den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. In einem Essay für das „Harper’s“-Magazine schreibt der französische Schriftsteller, mit Trump sei der „messianische Militarismus“ an sein Ende gekommen

Donald Trumps Präsidentschaft sei eine „sehr gute Nachricht für den Rest der Welt“, schreibt Michel Houellebecq / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

So erreichen Sie Alexander Kissler:

Anzeige

Für eine gepflegte Provokation ist Michel Houellebecq immer zu haben. Wenige Wochen, bevor sein neuer Roman erscheinen soll, hat der französische Bestsellerautor für das amerikanische Monatsmagazin Harper’s einen Essay geschrieben zum Lobpreis Donald Trumps, schlicht und klar überschrieben: „Donald Trump ist ein guter Präsident“. Meint Houellebecq das ernst?

Bruch mit dem „messianischen Militarismus“

Die Perspektive, um zu einem solchen Urteil zu gelangen, ist jene des „Rests der Welt“. Houellebecq sieht in Trumps Präsidentschaft eine „sehr gute Nachricht für den Rest der Welt“, weil Trump mit dem „messianischen Militarismus“ der Vereinigten Staaten breche. Unter Trump komme die Politik des Interventionalismus, die viel Leid über die Welt gebracht habe, an ihr Ende. Trump wolle keine Kriege führen, wolle nicht die Demokratie exportieren, sondern „gute Verträge“ zum Wohl seines Landes abschließen. Das bedeute: „Die Amerikaner verschwinden aus unserem Rücken. Die Amerikaner lassen uns leben.“

Dass Trump sich nicht für die Europäische Union interessiert, werde Europa – genauer: den Staaten in Europa – mittelfristig gut bekommen. Houellebecq sieht sich durch Trump bestätigt: „Es ist meine Überzeugung, dass wir in Europa weder eine gemeinsame Sprache noch gemeinsame Werte haben oder gemeinsame Interessen, dass, in einem Wort, Europa nicht existiert und dass es nie ein Volk bilden oder eine mögliche Demokratie unterstützen wird, einfach deshalb, weil es kein Volk bilden will. Europa ist nur eine dumme Idee, die sich in einen schlechten Traum verwandelt hat, aus dem wir vielleicht erwachen sollten.“ Kein Wunder, dass Houellebecq sich ebenso wie Trump über den Brexit gefreut hat.

Trump schütze die Interessen der Amerikaner

Trumps Bereitschaft, mit Wladimir Putin zu verhandeln, freut den Romancier ebenso wie Trumps „Zähmung des nordkoreanischen Verrückten“. Wenn Trump erklärt, er sei ein Nationalist, müsse Houellebecq sich eingestehen: „Ich bin auch einer. Nationalisten können miteinander reden. Mit Internationalisten funktionieren Gespräche seltsamerweise nicht so gut.“ Und sollte Trumps Politik zur Auflösung der Nato führen, wäre das nur ein weiterer Grund, „Hymnen auf Präsident Trump zu singen.“ Frankreich hätte das Verteidigungsbündnis schon lange verlassen sollen.

Auch innenpolitisch erkennt der Schriftsteller im fernen Präsidenten einen Geistesverwandten. Trump sehe wie Houellebecq im globalen Freihandel nicht den Endpunkt allen menschlichen Fortschritts. Er sei für Freihandel, wenn er amerikanischen Interessen diene, und gegen Freihandel, wenn er amerikanischen Interessen schade. Daran sei nichts Verwerfliches, denn Trump sei gewählt worden, um die Interessen amerikanischer Arbeiter zu schützen. Auf einen Präsidenten mit einer solchen Einstellung warte Frankreich seit 50 Jahren.

Ein konservativer Christ als nächster Präsident?

Zugleich schreitet mit diesem Essay die Katholisierung des Citoyen Houellebecq voran. Er erinnert an eine Grundwahrheit des Christentums, nicht nur zur Weihnachtszeit. Das Christentum sei vor allem eine „Religion der Inkarnation“, weniger eine „Religion des Buches“. Darum solle der ökumenische Dialog beschränkt werden auf einen Dialog zwischen dem römischen Katholizismus und der Orthodoxie. Das Große Schisma von 1054 habe das Ende Europas eingeläutet. Den Protestantismus erwähnt er nicht einmal.

Für die Zeit nach Trump hofft Houellebecq auf einen „herausragenden christlichen Konservativen“, solider und weniger clownesk im Gebaren. Ted Cruz beispielsweise wäre in sechs Jahren noch immer vergleichsweise jung. Ergo geht der Dichter davon aus, dass Trump die nächsten Wahlen für sich entscheiden werde.

Meint Monsieur Houellebecq all das erst? So bitterernst wie seine gesamte Poesie.

Anmerkung der Redaktion: In einem Punkt allerdings irrt Michel Houellebecq in seinem Essay. Anders als er beschreibt, kommen Musikverstärker der Marke Marshall nicht aus den USA. Die Marshall Amplification plc ist ein englisches Unternehmen.

Anzeige