Merkel bei Trump - Macron macht Show, Merkel die Arbeit

Nach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besucht jetzt Angela Merkel die USA. Anders als Macron macht sie einen Arbeitsbesuch ohne Pomp. Die Aufgabenteilung zeigt: Die deutsch-französische Zusammenarbeit funktioniert wieder

Angela Merkel steht vor einem schwierigem Arbeitsbesuch bei Donald Trump / picture alliance
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Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind nacheinander bei Donald Trump in den USA zu Besuch. Während Macron einen pompösen Staatsempfang erhält, ist Merkel zum Arbeiten da. Macron sei damit Trumps Liebling, stellten in den vergangenen Tagen viele Kommentatoren fest. Das ist jedoch ein bemerkenswert falscher Ausgangspunkt für die politische Bewertung beider Besuche.

Ein Staatsbesuch ist ein eher rares politisches Ereignis. Berlin sieht pro Jahr nur zwei ausgehende und zwei eingehende Staatsbesuche vor. Es sind Ehrungen für ein Staatsoberhaupt, niemals für einen Regierungschef. Das Protokoll fährt das volle Programm zu Ehren des Gastes auf, muss aber auch darauf achten, dass alle Staatsoberhäupter den gleichen Standard des aufwendigen zeremoniellen Brimboriums erhalten. Es sind selten Besuche, bei denen die politische Arbeit dominiert.

Arbeitsbesuche hingegen finden in einer nüchternen Atmosphäre statt. Einem Regierungschef können dabei auch Ehrungen zu teil werden: Ehrendoktorwürden, Reden vor dem Parlament oder ähnliches. Merkel hielt zum Beispiel eine Rede vor dem amerikanischen Kongress – so wie jetzt auch Macron.

Deutsch-französisches Tandem funktioniert wieder

Der Pomp eines Staatsbesuches ist emotionales Blendwerk. Er soll und kann gelegentlich auch vorübergehende politische Schwierigkeiten übertünchen. Er ist gut für die Seele von Nationen, weil er historische Traditionen wachruft. Macron hat die Rolle eines Staatsgastes hervorragend ausgefüllt. Verspielt und spielerisch hat er Trump umgarnt. Er hat politisch nichts erreicht, aber in seiner Rede vor dem Kongress noch verblüffende Spitzen gegen Trumps Politik formuliert. Nichts an seinem Staatsbesuch verriet die Absicht, dass er sich politisch zu Lasten von Merkel profilieren wollte. Also eben nicht so, wie es einige Kaffeesatzleser, die den Unterschied zwischen Arbeits- und Staatsbesuch nicht kennen, deuten wollten. 

Das Tandem zwischen Frankreich und Deutschland funktioniert. Die politische Kärrnerarbeit gehört in den Arbeitsbesuch der Kanzlerin. Offensichtlich vertraut Macron ihrer politischen Erfahrung. Es scheint, als ob die traditionelle deutsch-französische Lokomotive mit wechselndem Rollenspiel zwischen Heizer und Lokführer wieder unter Dampf kommt. 

Die Kanzlerin steht demnach vor einer schwierigen Aufgabe. Die Beziehungen zwischen Europa und den USA entwickeln sich dramatisch. Es geht um Strafzölle, den Streit über den Bezug russischen Gases mit Nord Stream 2, höhere Verteidigungsausgaben, den Syrienkonflikt und das Atomabkommen mit dem Iran. Daneben gibt es auch einen Klärungsbedarf, welche Art der Außenpolitik den USA überhaupt vorschwebt. Verfolgen sie traditionelle geopolitische Ziele mit dem Anspruch, die einzige Führungsmacht der Welt zu bleiben, oder sind sie bereit, eine Weltordnung anzustreben, in der sich jeder wiederfinden kann? Es gibt so viele offenen Fragen, dass Merkels Besuch nur dringende Themen abdecken und für die grundlegenden Probleme allenfalls eine Initialzündung sein kann.

Erstarkendes Europa

Der Zeitpunkt ihres Besuches liegt sehr knapp vor dem Fristablauf des Moratoriums für die Strafzölle Anfang Mai; Mitte Mai verstreicht die Frist für das Abkommen mit dem Iran. Nicht ohne politische Bedeutung ist auch der bevorstehende Besuch von Macron in Sankt Petersburg. Der Zeitdruck kann Merkel jedoch auch in die Hände spielen. Trump gilt in den USA als ein sogenannter Transaktionalist. Er operiert mit der Erfahrung eines Geschäftsmanns aus Situationen heraus mit einem ausgeprägt raschen Sinn für Chancen und Risiken. Es könnte Merkel gelingen, seine Instinkte für die Gefahren einer weitreichenden Entfremdung zwischen den USA und Europa zu wecken.

Aber Merkel muss durchaus damit rechnen, dass ihre Mission scheitern kann. Dann müssen in Europa die Karten neu gemischt werden. Die Amerikaner werden sich an ein selbstbewussteres, wirtschaftlich auf Augenhöhe mit den USA stehendes Europa zu gewöhnen haben. Ein Europa, das bereit und fähig ist, mit irritierten Partnern überall in der Welt den bizarren Vorstellungen des gegenwärtigen US-Präsidenten die Stirn zu bieten. Bemerkenswert war schon vor einem Jahr die Gelassenheit der Chinesen, die einen Slogan der Friedensbewegung persiflierten, um ihr Unbehagen an „America first“ deutlich zu machen: „Stell Dir vor, es gibt einen Handelskrieg, und keiner geht hin.“

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