Libyen: General Khalifa Haftar - Kommandeur und Handlanger

In Libyen präsentiert sich Khalifa Haftar als der starke Mann. Er geht gegen Islamisten vor und hat auch sonst viele Gegner – aber ohne ihn wird es keine Neuordnung geben

Erschienen in Ausgabe
General Khalif Haftar präsentiert sich als starker Mann, der die Ordnung in einem Land wiederherstellen kann / Gabriele Micalizzi
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

So erreichen Sie Guido Steinberg:

Anzeige

Seit 2011 erlebt die arabische Welt einen Umbruch, wie es ihn zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren gab, als nationalistische Militärs die arabischen Monarchien bedrohten und teils stürzten. Wie damals wurden infolge des Arabischen Frühlings Regime zu Fall gebracht, Bürgerkriege brachen aus, Großmächte und ehrgeizige Regionalstaaten intervenierten. In solchen Krisenzeiten bieten sich besonders entschlossenen Politikern und Militärs Möglichkeiten des Aufstiegs, wie sie in der verkrusteten Welt der Autokraten vor 2011 kaum bestanden. Einer dieser „neuen Männer“ ist der starke Mann Libyens, Feldmarschall Khalifa Haftar. Wer ist dieser Mann?

Als Haftar 2014 die politische Bühne seines Heimatlands betrat, war er ein unwahrscheinlicher Kandidat für eine Führungsposition, da er als ehemaliger Militär des Gaddafi-Regimes einer vergangenen Zeit anzugehören schien, ein Vierteljahrhundert nicht in Libyen gelebt hatte und damals auch schon 71 Jahre alt war. Doch die Unterstützung durch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten und neuerdings auch durch Russland sorgte dafür, dass Haftar heute den gesamten Osten Libyens und die wichtigsten Teile seiner Ölinfrastruktur kontrolliert und zumindest jede Neuordnung des Landes verhindern kann.

Turbulenter Werdegang

Der militärische Lebenslauf des 1943 im ostlibyschen Adschdabija geborenen Haftar ist zunächst nicht gerade beeindruckend. Er gehörte am 1. September 1969 zu den jungen Offizieren, die, angeführt von Oberst Muammar al Gaddafi, König Idris stürzten. Haftar war Mitte der 1980er-Jahre der Oberkommandierende der libyschen Truppen im Tschad, wo Gaddafi seit den 1970er-Jahren versuchte, regionale Großmacht zu spielen. Im Frühjahr 1987 erlitten die Libyer eine Reihe von katastrophalen Niederlagen gegen ihre von Frankreich und den USA unterstützten Gegner, die die libysche Präsenz im Tschad beendeten und in deren Folge Haftar in Gefangenschaft geriet. Als Gaddafi, der die Präsenz von libyschen Streitkräften im Nachbarland bis dahin geleugnet hatte, sich nicht um die Freilassung der Gefangenen kümmerte, schloss sich Haftar der Opposition an. Doch auch hier agierte er glücklos, ein Putschversuch 1996 scheiterte. Damals lebte Haftar schon in den USA nahe der CIA-Zentrale in Langley, aber auch der Geheimdienst scheint in den 2000er-Jahren sein Interesse an ihm verloren zu haben.

Haftar präsentiert sich als starker Mann, der die Ordnung in einem Land wiederherstellen kann, in dem von 2011 an etliche Milizen die Macht übernahmen. Sein wichtigstes Feindbild sind die Islamisten, die unter der Führung der Muslimbruderschaft nach 2011 auch in Libyen an Einfluss gewannen. Seit Frühjahr 2014 schlossen sich dem General Armeeeinheiten, Politiker und Stammesführer an, die mit ihm einen Feldzug gegen die Islamisten im Osten des Landes begannen. Während der „Operation Würde“ verdrängte Haftars Libysche Nationalarmee islamistische Milizen aus Bengasi und Derna, eroberte den „Halbmond des Öls“, in dem sich große Teile der libyschen Ölinfrastruktur befinden, und konnte auch im Süden des Landes Erfolge verzeichnen. Haftars Ziel war es, das gesamte Land unter seine Kontrolle zu bringen. Doch Libyen ist gespalten in die Anhänger Haftars, die mehrheitlich im Osten leben und in ihm die einzige Chance des Landes auf Stabilität sehen, und seine Gegner im Westen, die ihn als Wiedergänger des alten Regimes, potenziellen Diktator und Handlanger fremder Mächte fürchten.

Nicht wegzudenken

Die neue Stärke Haftars ist vor allem problematisch für die Regierung der Nationalen Übereinkunft, die auf Vermittlung der UN im Dezember 2015 gebildet wurde. Sie sitzt zwar in Tripolis, ist aber schwach. Haftar weigerte sich mehrfach, seine Truppen der Regierung zu unterstellen, was zeigt, dass es ihm um mehr als einen Posten als libyscher Armeechef geht. Bestärkt wird er von seinen ausländischen Unterstützern: Das Regime von Ägyptens Präsident Sisi sieht in Haftar ein Bollwerk gegen die in Tripolitanien starke Muslimbruderschaft, die die Ägypter als ihren wichtigsten Feind im In- und Ausland ausgemacht haben. Die VAE teilen den ägyptischen Hass auf die Islamisten, bekämpfen sie aber auch, weil diese Unterstützung aus Katar (und der Türkei) erhalten. Haftar ist auch Handlanger in einem Stellvertreterkrieg zwischen den VAE und Katar, die beide versuchen, ihre Vision einer regionalen Neuordnung voranzutreiben.

Seit einigen Monaten wird immer deutlicher, dass Russland Partei für den antiislamistischen Hardliner Haftar ergreift. Ob die US-Regierung unter Präsident Trump eine ähnliche Position einnehmen wird, zeichnet sich noch nicht ab, sie könnte den Machtkampf aber entscheidend beeinflussen. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Haftar sich militärisch im Westen Libyens durchsetzen kann, doch aktuell wird es keine Lösung in Libyen ohne ihn geben.

 

Die Septemberausgabe des Cicero erhalten Sie unserem Online-Shop.

 

 

 

 

 

 

 

Anzeige