Britisches Köngishaus - Erbt Charles III. wirklich ein gewaltiges Millionenvermögen steuerfrei?

Reißerische Schlagzeilen über das finanzielle Erbe des Thronfolgers König Charles III. bestimmen zurzeit die britischen Gazetten. Jedoch sind die Anschuldigungen ein populistischer Versuch von Anti-Royalisten, um Stimmung gegen das Königreich zu machen. Denn die Frage des Erbes gestaltet sich deutlich komplexer, als es in der britischen Öffentlichkeit behandelt wird.

König Charles III. bei einer feierlichen Prozession zu Ehren seiner Mutter und Königin Elisabeth II. / picture alliance
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Julien Reitzenstein befasst sich als Historiker in Forschung und Lehre mit NS-Verbrechen und Ideologiegeschichte. Als Autor betrachtet er aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

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Gegenwärtig versuchen die Anti-Royalisten im Vereinigten Königreich ihrem Schattendasein zu entkommen, in dem sie populistischen Profit aus dem Tod von Elizabeth II. schlagen. Statt auf verfassungsphilosophische Fragen setzen sie auf die alte Leier des Sozialneids. So war in den vergangenen Tagen unter anderem zu lesen: „König Charles erbt steuerfrei ein dreistelliges Millionenvermögen“. Als Monarch vermeide er die sonst fälligen Erbschaftssteuern in Höhe von 40%. So wird als konkretes Beispiel für das steuerfreie Erbe Charles‘ das Duchy of Lancaster genannt, das rund 650 Millionen Pfund Wert habe. Das alles ist – wenn man nur blumig genug formuliert – nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl sehen die Tatsachen anders aus.

Dies beginnt mit der Unschärfe, über wen eigentlich berichtet wird: Über die Person Charles Mountbatten-Windsor, eine Art Amtsausstattung des Staatsoberhaupts – oder die Krone? Der Besitz der Krone scheint in der Tat gewaltig. Dazu gehören beispielsweise die Kronjuwelen, Milliardenwerte an Liegenschaften in London, das Anwesen von Schloss Windsor, zehntausende Hektar landwirtschaftlicher Flächen im ganzen Königreich, große Teile des Watts vor den Küsten oder das Recht zur Lachsfischerei in einigen Flüssen Schottlands. Gleichwohl hat der Monarch nicht das Recht, auch nur einen einzigen winzigen Diamanten aus den Kronjuwelen zu verschleudern oder die Pacht für einen Acker zu erhöhen, um sich davon etwas zu kaufen. Der Monarch ist Inhaber der Krone und die Krone ist formale Eigentümerin des Kronbesitzes – aber ohne Verfügungsrechte.

König Charles erhält 25% der jährlichen Gewinne aus dem Kronbesitz

Über Jahrhunderte ermöglichten die Einnahmen aus dem Kronbesitz dem Monarchen, die zivile Regierung des Königreichs und zudem die eigene Hofhaltung zu bezahlen. Aus irgendeinem magischen Grund wachsen jedoch die Regierungen und ihre Beamtenschar auf diesem Planeten seit Jahrhunderten immer schneller als die Bevölkerung.

Als König Georg III. im Jahre 1760 den Thron bestieg, waren die Kosten bereits höher als die Einkünfte aus dem Kronbesitz. Daraufhin übertrug er den Kronbesitz an das Parlament – fortan standen dessen Einkünfte dem Staat zu und der Monarch erhielt stattdessen eine Zivilliste, also eine Art Gehalt. Die entsprechende Vereinbarung hat seither jeder Monarch erneuert, sie hat heute praktisch Verfassungsrang. 1961 erließ das Parlament ein Gesetz, das die Überführung des Kronbesitzes in eine Struktur regelte, die einem Wirtschaftsunternehmen ähnlich ist. Die Leiter sind allein dem Parlament rechenschaftspflichtig.

Seit einer Gesetzesnovelle im Jahre 2012 entfällt die Zivilliste – und der Monarch erhält heute 25% der jährlichen Gewinne aus dem Kronbesitz. Den Rest erhält de facto der Steuerzahler. Doch diese 25% – zuletzt rund 86 Millionen Pfund – kann der Monarch nicht einfach für private Luxuswünsche verpulvern. Davon muss er Staatsbesuche, seine Reisen und den Unterhalt und die Renovierung der Liegenschaften der Krone finanzieren.

Dazu gehört beispielsweise der Buckingham Palace. Allein die jahrelange Instandsetzung des damals baufälligen Gebäudes hat in den vergangenen Jahren rund 500 Millionen Pfund gekostet. Nun braucht das Büro jedes Staatsoberhaupts Mitarbeiter – von Sekretariaten über Köche bis zu Fahrern nebst repräsentablen Fahrzeugen. Auch diese zahlt der britische Monarch aus den 25% der Einkünfte aus dem Kronbesitz, statt – wie in Deutschland – der Steuerzahler.

 

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Doch da ist auch noch das bereits genannte Duchy of Lancaster, also das gewaltige Erbe, das Charles nun – unter anderem – steuerfrei kassiert haben soll. Dabei handelt es sich in Wahrheit um eines der beiden Territorialherzogtümern auf der Insel – also dessen Titel an bestimmte Ländereien gebunden ist. Seit 1399 gehört das Duchy of Lancaster zur Krone, seither ist der jeweilige Monarch auch Herzog von Lancaster. Doch der Kronbesitz und das Duchy of Lancaster sind getrennte Einrichtungen. Deswegen bestand es auch 1649-1660 fort, als die Monarchie abgeschafft war und auch, als George III. den Kronbesitz gegen die Zivilliste tauschte.

Heute umfasst das Duchy of Lancaster vor allem verpachteten Landbesitz. Allerdings kann der Monarch auch nicht einfach am Geldautomaten etwas von dessen Pachteinnahmen holen. Denn die Leitung steht formal dem Chancellor des Duchy of Lancaster zu, dem protokollarisch zweithöchsten Ministers im Königreich. Dieser ist im Parlament für das Duchy verantwortlich. Und in dieser Eigenschaft gewähren dessen Mitarbeiter und er dem Monarchen sein eigentliches Einkommen aus den Pachteinnahmen des Duchy of Lancaster. Daher ist das Duchy of Lancaster eher eine Art von Amtsausstattung, also kaum vergleichbar mit einer gewöhnlichen Erbschaft, mit der Erben tun können, was sie wollen.

Insofern sind Neiddebatten, was die Monarchie den Steuerzahler kostet, bestenfalls verzerrend. Die Kosten der Monarchie und die durch sie erzielten Steuereinkünfte, allein durch Tourismus, sind komplex – und Komplexität ist der Feind der einfachen Parolen des Populismus. Wer jedoch auf Neiddebatten besteht, darf skandalisieren, dass Charles tatsächlich das beachtliche Familienvermögen erbt, einschließlich der Schlösser Balmoral und Sandringham – und frei ist, diese jederzeit zu verkaufen, falls die gewaltigen Energie- und Unterhaltskosten ihm nicht mehr angemessen scheinen.

Anti-royalistischer Populismus verzehrt die Sachlage

Jenseits dessen gehen die britischen Royals mit der Zeit und zahlen seit vielen Jahren die normalen Einkommenssteuersätze – darunter auch die Thronfolger. Um die Kosten von deren Amt nicht primär aus Steuern zu bezahlen, gibt es das zweite Territorialfürstentum im Königreich, das Duchy of Cornwall. Denn neben dem Titel des Fürsten von Wales ist der Thronfolger traditionell auch Herzog von Cornwall.

Das Duchy of Cornwall bezieht seine Einkünfte vor allem aus Verpachtung und Bewirtschaftung von rund 55.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen. Diese finanzieren das Amt des Thronfolgers mit allen zugehörigen Kosten, aber auch dessen Wohltätigkeitsorganisationen. Zudem werden freiwillig 25 Prozent der Einkünfte an den Fiskus abgeführt. Auf den verbleibenden Rest wird die normale Einkommenssteuer gezahlt.

Als Duke of Cornwall war der gegenwärtige Monarch Charles erfolgreich mit seinen Anstrengungen der Umstellung auf Bio-Lebensmittel, was die Einkünfte des Besitzes erheblich steigerte. Jedoch hat – genauso wie der Monarch – auch der Duke of Lancaster nicht das Recht, auch nur einen Quadratmeter des Besitzes zu verkaufen. Er hat also, wie der Monarch auch, einen Besitz inne, kann aber nicht frei darüber verfügen – immerhin ein Gesamtwert von rund einer Milliarde Pfund, den er nicht antasten darf und automatisch verliert, wenn er den Thron besteigt.

Insofern darf man sich sich wundern, weshalb Schlagzeilen nicht konsequent sind. Denn wenn es mit rechten Dingen zugehen würde, müsste zu lesen sein: „König Charles erbt steuerfrei ein dreistelliges Millionenvermögen – und verlor mit Thronbesteigung ein Milliardenvermögen.“

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