Wahlen in Südafrika - Der Anti-Mandela

Die Wahl in Südafrika entscheidet indirekt auch über das Amt des Präsidenten. Der Oppositionskandidat Julius Malema stilisiert sich selbst als Heilsbringer, schreckt aber dabei nicht vor rassistischen Parolen zurück und will Landbesitzer enteignen. Präsident Cyril Ramaphosa lacht über ihn – noch

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„Ich will Präsident werden“, posaunt Julius Malema, „und ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.“ / picture alliance
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Claudia Bröll ist freie Journalistin und lebt in Südafrika.

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Ein sympathisch wirkender Mann blickt von den vielen roten Wahlplakaten in Johannesburgs Bankenviertel Sandton. Auf dem Kopf trägt er keck ein rotes Barett mit der südafrikanischen Flagge, lächelt wie der Junge auf der Brandt-Zwieback-Packung. Wer würde vermuten, dass dieser Mann Journalisten als Satane beschimpft, Frauen wüst beleidigt und das alte Lied aus dem Widerstandskampf „Kill the Boer“ (Tötet die Buren) singt, wobei er es geschickt in „Kiss the Boer“ umdichtet. Die Botschaft freilich ist die gleiche.

Julius Malema, Chef der Partei Economic Freedom Fighters (EFF), ist einer der gewieftesten und gefährlichsten Politiker in Südafrika. Genau 25 Jahre sind seit dem Ende der Rassentrennung vergangen. Am 27. April 1994 gingen Schwarze und Weiße erstmals gleichberechtigt zu den Wahlurnen. In unnachahmlicher Art hatte es Nelson Mandela damals geschafft, einen friedlichen Übergang zu einem demokratischen Südafrika zu ermöglichen. Versöhnung statt Bürgerkrieg, das war sein größtes Anliegen. Dafür besuchte er sogar die Witwe des Architekten der Apartheid, Hendrik Verwoerd, zum Tee.

Das Publikum liebt ihn

Malema ist eine Art Anti-Mandela: Seine Auftritte sind fast immer provozierend, seine Parolen oft rassistisch. „Wir rufen nicht dazu auf, Weiße niederzumetzeln“, verkündete er auf einer Kundgebung – und setzte hinzu: „zumindest noch nicht.“ Von Friedfertigkeit hält er genauso wenig wie von Bescheidenheit. Designer-Sonnenbrillen, Burberry-Kappen, große Autos. Bei seinen Anhängern kommt das gut an. Auch über Korruptionsvorwürfe und Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung sieht man hinweg. Fängt der 38 Jahre alte Malema auf einer Wahlkampfbühne an zu tanzen, gibt es im Publikum kein Halten mehr.

Einst war er Chef der aufmüpfigen Jugendliga von Mandelas Partei Afrikanischer Nationalkongress (ANC). Seit fünf Jahren führt er seine eigene Partei. Die EFF ist schnell zur zweitstärksten Oppositionskraft aufgestiegen. Sie fordert, Bergwerke, Banken sowie den gesamten Grund und Boden zu verstaatlichen und Landbesitzer ohne Entschädigung zu enteignen. Im Parlament hat sie bisher nur 25 Sitze, ein Zehntel der Sitze des ANC, doch die Abgeordneten in ihren roten Arbeiteroveralls und Putzfrauenkitteln sorgen dort für einen Wirbel wie keine andere Partei.

Korruption zu Zeiten Jacob Zumas

Am 8. Mai wird in Südafrika abermals gewählt, von der Mandela-Magie ist nicht viel übrig. Ein großer Teil der schwarzen Bevölkerung lebt in Armut, die Kluft zwischen Arm und Reich ist tiefer als während der Apartheid. Etwa jeder zweite jüngere Südafrikaner hat keine Arbeit. Das Bildungswesen – ein Hauptanliegen Mandelas – rangiert in Statistiken noch hinter einigen deutlich ärmeren afrikanischen Staaten.

Während der Amtszeit des letzten Präsidenten, Jacob Zuma, wurde die Nation auch noch von einem Korruptionsskandal nach dem anderen erschüttert. Staatsgelder in Milliardenhöhe verschwanden auf privaten Konten, kaum eine staatliche Institution blieb verschont. Der nationale Energiekonzern ist so geschwächt, dass er regelmäßig den Strom abschalten muss.

In dieser Lage ist die Sehnsucht nach charismatischen Persönlichkeiten groß. Mit dem Amtsantritt von Cyril Ramaphosa vor gut einem Jahr ging wieder ein Aufatmen durchs Land. Von einer „Ramaphoria“ war die Rede. Der Staats­präsident verspricht, Investoren anzulocken, die Staatskonzerne zu sanieren und die Korruption zu bekämpfen. Doch er selbst ist in der eigenen Partei geschwächt, denn viele Zuma-Anhänger befinden sich weiterhin auf einflussreichen Posten. Der Frust über die schleppenden Fortschritte wächst und wächst.

Enteignung weißer Landbesitzer

Das kommt Malema gerade recht. Mit der prägnanten Botschaft „Our land and jobs now“ stechen die EFF-Wahlplakate unter den vielen anderen an den Straßen hervor. Prognosen zufolge könnte die EFF auf nationaler Ebene knapp 10 Prozent der Stimmen erhalten und womöglich in Johannesburg und Pretoria den Bürgermeister stellen. Hinter den Kulissen setzt die Partei ohnehin schon die Agenda. Unter Druck gesetzt von den EFF-Parolen beschloss der ANC auf seinem Parteitag, eilig eine Verfassungsänderung für die Enteignung von Landbesitzern auf den Weg zu bringen – auch auf die Gefahr hin, Investoren ganz zu vergraulen.

Der 66 Jahre alte Ramaphosa behandelt den jüngeren Rebellen bisher mit väterlicher Überlegenheit und Humor. „Wenn du Präsident wirst, singe ich für dich“, rief er Malema im Parlament zu. Ganz so abwegig ist das Szenario jedoch nicht. Viel wird darüber spekuliert, ob der Mann mit dem Engelsgesicht nur auf den richtigen Moment wartet, um zum ANC heimzukehren und die Führung zu übernehmen. „Ich will Präsident werden“, posaunt er bereits, „und ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.“

Dies ist ein Artikel aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.









 

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