Jean Asselborn - Monsieur Klartext

Als Außenminister von Luxemburg hat Jean Asselborn zwar nicht viel zu sagen, trotzdem spricht er stets auf allen Kanälen – die Omnipräsenz gehört zu seiner Strategie

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In Luxemburg wird Jean Asselborn ebenso geachtet wie belächelt – seit Jahren ist er der mit Abstand beliebteste Politiker / picture alliance
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Christoph Bumb ist Journalist und Gründer des in Luxemburg erscheinenden digitalen Magazins Reporter.lu

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Wenn Jean Asselborn eine Woche lang nicht vom Deutschlandfunk interviewt wurde, muss man sich Sorgen machen, heißt es spöttisch unter Luxemburgs Journalisten. Wie in jedem guten Witz steckt auch in diesem ein Stück Wahrheit. Kein ausländischer Politiker ist in deutschen Medien so gefragt wie er. Das liegt vor allem an seinem erfrischenden Hang zum Klartext. Wenn der dienstälteste Außenminister in der EU mit Journalisten spricht, ist die Schlagzeile sicher.

Sein Image als „Europameister der kantigen Aussagen“ (Spiegel) oder „außenpolitischer Sprecher der EU“ (Luxem­burger Wort) verdankt der 69-Jährige einer Mischung aus Charme, Erfahrung und medialer Strategie. Letzteres würde er zwar nie zugeben. Doch die Dichte seiner Zitate in der Auslandspresse ist kein Zufall. Oft genug meldet sich der Chefdiplomat des 600 000-Einwohnerstaats sogar selbst per Handy bei Journalisten, mit denen er europaweit mehrsprachig per Du ist. Die wenigsten können ihm mittlerweile widerstehen.

Die Rolle als idealistischer Mahner

Ungarn müsse raus aus der EU, die Türkei verwende Nazimethoden, oder jüngst etwa die Forderung nach Mehrheitsentscheidungen in der EU-Außenpolitik: Die Liste von Asselborns gewagten Aussagen ist lang. Dass er mit seinem Dauerplädoyer für Frieden und Solidarität kaum die Richtung der Weltpolitik beeinflusst, ist für ihn zweitrangig. Als Außenminister eines kleinen Landes habe man zwar wenig Gewicht, dafür könne man sich in öffentlichen Statements aber durchaus mehr erlauben als andere, gibt er selbst zu. Angela Merkel sagte einmal über ihn: „Ich schätze den Außenminister Luxemburgs wirklich sehr, aber wir haben doch als Politiker eine Verantwortung, aus schwierigen Entwicklungen etwas Vernünftiges zu machen. Man ist nicht Politiker, um die Welt zu beschreiben und sie katastrophal zu finden. Das können Soziologen oder Journalisten machen.“ Asselborn versteht diese Kritik nicht wirklich. Er fühlt sich wohl in seiner Rolle als idealistischer Mahner. Politik ist für ihn weniger das Bohren dicker Bretter als die regelmäßige Chance, im Konzert der Großen mitzuspielen.

In dieser Hinsicht hat „de Jang“, wie er in der Heimat genannt wird, von den Besten gelernt. Asselborn verfolgt die gleiche Strategie wie der frühere Premier des Landes, Jean-Claude Juncker, mit dem er neun Jahre lang zusammen am Kabinettstisch saß. Juncker habe ihm einmal gesagt: „Im Ausland gibt es nur einen bekannten Luxemburger, und das bin ich“, vertraute Asselborn Journalisten einst an. Seitdem scheint er gezielt darauf hinzuarbeiten, den heutigen EU-Kommissionschef in dieser Rolle zu beerben. Dass Asselborns Meinung zur Zukunft der EU oder des Nahostkonflikts eines Tages überhaupt jemanden interessieren würde, war angesichts seiner Biografie alles andere als ausgemacht. Mit 17 brach er die Schule ab, Abitur und Jurastudium absolvierte er über den zweiten Bildungsweg. Politisch arbeitete sich der treue Sozialdemokrat beharrlich hoch: vom Gewerkschafter zum Bürgermeister seines Heimatdorfs Steinfort und Abgeordneten; 2004 dann schließlich zum Außenminister.

Die Lacher hat er meist auf seiner Seite

In Luxemburg wird er ebenso geachtet wie belächelt. Seit Jahren ist „de Jang“ laut Umfragen der mit Abstand beliebteste Politiker. Für seine Landsleute ist der Mensch gebliebene Außenminister stets „einer von uns“. So schwebt er auch förmlich über den Niederungen der luxemburgischen Innenpolitik. „Jean Asselborn ist ein Phänomen“, sagt ein Par­teifreund des Außenministers nicht ohne Neid. „Seine Sympathie überragt alles, man kann ihm gar nichts übel nehmen.“ Und doch sind seine diplomatischen Fähigkeiten auch hier umstritten. Die Luxemburger erinnern sich etwa kollektiv an Asselborns Auftritt bei „Anne Will“, wenige Tage nach der Enthüllung des Luxleaks-Skandals Ende 2014. Zur Verteidigung der umstrittenen Steuerpraktiken des Großherzogtums fiel ihm damals nichts Besseres ein als: „Als kleines Land haben wir keinen Platz für so viele Häuser, deshalb haben wir so viele Briefkästen.“

Die Lacher des Publikums hat Jean Asselborn so meist auf seiner Seite. Viele seiner Landsleute können über seine öffentlichen Auftritte auch nur schmunzeln. Und doch wählen sie ihn immer wieder mit Traumresultaten in sein Amt. So wird es voraussichtlich auch bei den Parlamentswahlen im Oktober kommen. Ausländische Medien brachten den Luxemburger auch schon als Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten bei den Europawahlen 2019 ins Spiel. Die Chancen dafür sind zwar gering. Trotzdem wird Asselborn als „Monsieur Klartext“ in den Medien mit Sicherheit weiter gefragt bleiben. So richtig Sorgen braucht man sich um ihn also nicht zu machen.

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.














 

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