Internationale Presseschau zu Strache-Skandal - „Ibiza war Ausdruck eines Lebensstils“

Ein Video-Skandal um Vizekanzler Heinz-Christian Strache erschüttert Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz beendet die Koalition und kündigt Neuwahlen an. Auch wenn dessen Partei Stimmen dazugewinnen könnte, wird eine Koalitionsbildung schwierig, schreibt die internationale Presse

Ein Skandal-Video brachte Heinz-Christian Strache zu Fall / picture alliance
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Der Standard (Österreich)

Der Abend in Ibiza war Ausdruck dieses Lebensstils – hedonistisch, undiszipliniert, großspurig, voller Machismo und sexuell aufgeladen. Das wurde ihm zum Verhängnis. (…) Es ist unwahrscheinlich, dass die FPÖ in Zukunft weiterhin dieses Coolness-Image pflegen wird. Das macht sie nicht weniger gefährlich. Straches Gerede von einer Krone-Übernahme, die ihm den Wahlsieg bringen werde, war ein Hirngespinst. Kickls Pläne für den Umbau der Republik sind hingegen ernst. Aber ob die FPÖ bei Wahlen weiterhin so erfolgreich sein wird, wenn sie nur rechts und nicht mehr cool ist, bleibt offen.

Kurier (Österreich)

Österreich hat nun jedenfalls wirklich ein Problem: Wenn die FPÖ wieder marginalisiert ist, besteht die Gefahr einer Rückkehr zum Zwei-Parteien-Staat. Das kann niemand wollen. Der einzige Ausweg aus der schier ausweglosen Situation, die die Welt wieder einmal spöttisch auf Österreich blicken lässt: Eine völlige Katharsis, ein Neustart. Das gilt auch für die zuletzt inexistente Opposition. Und Kanzler Sebastian Kurz? Der hat hoffentlich nach den notwendigerweise angesetzten Neuwahlen andere Optionen als eine Koalition mit einer Partei, deren Führer Journalisten als Huren sieht.

Kleine Zeitung (Österreich)

Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) glaubt, dass es für Kurz „einfach keine Alternative gab“. Mit der Ausrufung der Neuwahl habe er Chancen auf ein verbessertes Wahlergebnis. Aber das politische Agieren werde nicht einfach - falle doch die FPÖ als Koalitionspartner „völlig weg“. (…)Nicht wirklich einer Meinung sind die Experten hinsichtlich des Zeitpunkts von Kurz' Verkündung: (…) Auch der Meinungsforscher Peter Hajek lobt Kurz zwar für die „sehr gute Erzählung, die wie immer State of the Art war“ - aber auch er fand die Wartezeit zu lang. Das eröffne Raum für Spekulationen und Gerüchte, den die Freiheitlichen ausnützen könnten. „Dann ist die bisher gepflegte große Einigkeit und Harmonie mit einem Schlag vorbei.“

Neue Züricher Zeitung (Schweiz)

Das Ende der in linken Kreisen verhassten Regierung bedeutet aber auch, dass den Sozialdemokraten ein Feindbild abhandenkommt, das ihnen bisher bei der Mobilisierung half. Auch finanziell bedeutet der erneute Wahlkampf für die Partei eine besonders grosse Belastung. Die Sozialdemokraten waren lange stark verschuldet und konnten ihre pekuniäre Lage erst kürzlich etwas verbessern. Problemen sieht allerdings auch die FPÖ entgegen, die nach den Diskussionen über halblegale Parteienfinanzierung im Skandalvideo unter besonders starker Beobachtung steht. Besser ist die Lage der ÖVP, aber ihr drohen aufgrund von Kostenüberschreitungen beim letzten Wahlkampf Bussen.

Washington Post (USA)

Als einer der wichtigsten Köpfe der europäischen rechtsradikalen Führer, formte Strache die österreichische Politik über Jahre und wurde als eine einflussreiche Stimme von den Ländern betrachtet, in denen er unter seinen europäischen Counterparts für seine Anti-Immigrations-Haltung bekannt war. Sein Rücktritt und der anschließende Zusammenbruch der Koalition versetzte den europäischen Anti-Einwanderungs-Parteien einen Schlag, die sich als glaubwürdige Regierungsalternativen positionieren wollten. Der Skandal könnte aber auch den harten Kern der Anhänger der Partei in Österreich mobilisieren.

New York Times (USA)

Der Skandal kommt zu einem wichtigen politischen Zeitpunkt in der Europäischen Union. Überall auf dem Kontinent kämpfen die rechtsextremen populistischen Führer hart um die Wahlen zum Europäischen Parlament in der kommenden Woche und scheinen alles dafür tun zu wollen, ihre Sitze in der Kammer zu erhöhen. Viele der europäischen Populisten teilen die Absichten Putins, die politischen Spaltungen [in der EU) zu vergrößern und die westlichen Institutionen zu schwächen. Diese Taktiken beinhalteten Eingriffe in demokratische Kampagnen, einschließlich der Wahlen in den USA 2016.

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