Gouverneurswahl in Virginia - Der Kulturkampf geht in die nächste Runde

Im US-Bundesstaat Virginia wird ein neuer Gouverneur gewählt. Nach vielen Jahren hat mit Glenn Youngkin erstmals wieder ein Republikaner gute Aussichten auf den Wahlsieg. Ausschlaggebend könnte die Entscheidung einer Schulbehörde sein, eine halbe Million Dollar in umstrittene Antirassismus-Seminare zu investieren.

Der frühere US-Präsident Barack Obama (r) begrüßt den demokratischen Gouverneurskandidaten und ehemaligen Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Am kommenden Dienstag wird im US-Bundesstaat Virginia ein neuer Gouverneur gewählt. Zur Auswahl stehen der Kandidat der Demokraten Terry McAuliffe und sein republikanischer Kontrahent Glenn Youngkin. Es ist eine der wenigen bedeutenderen Wahlen in diesem Jahr – der Großteil der Kongress- und Kommunalwahlen findet in den USA nur in geraden Jahren statt – und wird von Beobachtern entsprechend heiß erwartet. Der Ausgang der Wahl nämlich würde ein erstes Stimmungsbild abgeben, wie zufrieden die Wähler mit der regierenden Demokratischen Partei von Präsident Joe Biden sind.

Die Vorzeichen sind alles andere als ermutigend für die Demokraten. Laut einer Erhebung der Trafalgar Group, eines der verlässlichsten Umfrageinstitute der USA, könnte der Republikaner Youngkin den Sieg erringen. Damit würde er sich dem noch kürzlich unaufhaltsam erscheinenden Trend widersetzen, wonach Virginia immer weiter ins linke Lager rückte. Vier der letzten fünf Gouverneure im Ostküstenbundesstaat waren Demokraten, und während 2008 Barack Obama der erste demokratische Präsidentschaftskandidat seit 1964 war, der dort die Mehrheit errang, konnte seither kein republikanischer Kandidat mehr in Virginia triumphieren.

Kulturkrieg spitzt sich zu

Angetrieben wurde diese starke Verlagerung von rechts nach links durch das enorme Bevölkerungswachstum im Norden Virginias. Die Region grenzt unmittelbar an die Hauptstadt Washington D.C. an. Sehr viele wichtige Bundesbehörden sind in Nord-Virginia verortet, so zum Beispiel das Pentagon und das CIA-Hauptquartier. Bundesbeamte und Großstädter wählen in den USA in jüngster Vergangenheit generell demokratisch, die ländliche Bevölkerung eher republikanisch. Und da fast zwei Drittel des Bevölkerungswachstums der vergangenen zehn Jahre in Virginia in dessen Norden konzentriert war, hätte dies eigentlich ein bequemer Wahlkampf werden sollen für den engen Clinton-Vertrauen McAuliffe.

Dazwischengefunkt hatte ihm der Kulturkrieg, der die Vereinigten Staaten seit mehreren Jahren im Bann hält. Und nirgends hat er sich so sehr zugespitzt wie in Loudoun County, dem wohlhabendsten Landkreis der gesamten USA. Unweit von Washington entfernt war Loudoun in den vergangenen Jahren der Inbegriff der Wählerwanderungen Nord-Virginias hin zu den Demokraten. Während Barack Obama im Jahr 2008 den Wahlbezirk nur haarscharf gewann, wendete sich die Stimmung 2020 vollends zugunsten der Demokraten – Joe Biden schlug Donald Trump in Loudoun mit 61 zu 37 Prozent.

Rangeleien und Festnahmen

Doch könnte die Stimmung gerade dort jetzt wieder zugunsten des Republikaners Youngkin kippen. Der Auslöser war die Entscheidung der örtlichen Schulbehörde von Loudoun County, eine halbe Million Dollar in diverse Antirassismus-Seminare für seine Angestellten zu investieren. Mehrere Elterninitiativen warfen der Schulbehörde daraufhin vor, sie propagiere damit „Critical Race Theory“ (CRT). Die Verfechter von CRT behaupten, dass sozio-ökonomische Ungleichheiten zwischen weißen und schwarzen Bürgern nahezu ausschließlich auf „strukturellen“ Rassismus zurückzuführen seien. Darum müssten Institutionen – von örtlichen Schulbehörden bis zur Nationalregierung – umgekrempelt werden und aktiv Inklusionsmaßnahmen für Menschen schwarzer Hautfarbe unternehmen.

Doch nehmen diese Maßnahmen oft äußerst strittige Formen an. Der Investigativjournalist Christopher Rufo hat dokumentiert, eine Grundschule in Kalifornien habe Drittklässler aufgefordert, ihre ethnischen und sexuellen Identitäten zu dekonstruieren und ihre eigenen Privilegien entlang einer Unterdrückungsmatrix zu verorten. Derartig Meldungen sind in den USA mittlerweile Alltag, sodass die Investitionen vonseiten der Schulbehörde Loudouns unter den ansässigen Eltern die Alarmglocken läuten ließen. Ob ihren Kindern wohl ähnliche demütigende Lektionen drohten?

Chaotische öffentliche Anhörungen waren die Folge, bei denen es zu Rangeleien und Festnahmen kam. Einer der Festgenommenen war Scott Smith, dessen Tochter auf einer Schultoilette von einem sich als transgender identifzierenden Jungen vergewaltigt wurde. Die Schulbehörde leugnete zunächst öffentlich, je von diesem Vorfall gehört zu haben, doch dann kamen Emails ans Licht, wonach der Präsident der Schulbehörde, Scott Ziegler, einen Monat vor seiner öffentlichen Leugnung von den Vorwürfen intern Kenntnis erhielt.

Eltern als „Terroristen“ verschrien

In der Zwischenzeit hatte sich die Nationale Vereinigung der amerikanischen Schulbehörden (NSBA) in einem Brief an Präsident Biden gewandt und ihm nahegelegt, dass sich das FBI einschalten und Drohungen gegenüber den Schulbehörden als „heimischen Terrorismus“ klassifizieren solle. Die NSBA verwies dabei unter anderem auf Vorfälle in Loudoun. Auf einmal sahen sich also empörte Eltern damit konfrontiert, vom FBI unter die Lupe genommen zu werden – sogar der Bundesjustizminister Merrick Garland nahm sich der Angelegenheit an und wies das FBI an, etwaige Drohungen zu untersuchen. Der daraufhin folgende Aufschrei – engagierte Eltern waren von nun an als „Terroristen“ verschrien – war eine Blamage für die Biden-Regierung und die NSBA. Mehrere Schuldbehörden lösten ihre Verbindung mit der NSBA auf, woraufhin sich diese für den Brief entschuldigte. (Garland selbst steht jedoch weiterhin zu seiner Anordnung und will die Sonderermittlung durch das FBI nicht beenden.)

Die Ereignisse in Loudoun zeigen auf, wie schnell örtliche Angelegenheiten im Zeitalter der Kulturkriege zu nationalen Angelegenheiten eskalieren können. Die Wut darüber wird gewiss viele Eltern motivieren, für Youngkin zu stimmen, der sich gegen CRT und für mehr Elternbeteiligung bei der Erstellung der Lehrpläne einsetzt. Ob diese Wut ausreicht, Virginia dem demokratischen Lager zu entreißen, wird sich zeigen. Für Biden wäre eine Wahlniederlage McAuliffes alarmierend. Doch entspräche sie dem Trend. Denn auch Biden hat mit sehr niedrigen Zustimmungswerten zu kämpfen, was in Anbetracht der bevorstehenden Kongresswahlen im Herbst 2022 wenig Gutes für seine demokratischen Parteikollegen verheißen würde – ihnen droht der Verlust der Mehrheit in beiden Kammern und damit das jähe Ende der Bidenschen Reformagenda.

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