Fridays for Future in China - Die Antwort auf Greta Thunberg heißt Howey Ou

Junge Menschen auf der ganzen Welt setzen sich für Klimaschutz ein. Unser Gastautor hat die Aktivistin begleiten können, die als Chinas Antwort auf Greta Thunberg gilt. Ihr Einsatz wurde nach drei Jahren durch die Kommunistische Partei verboten. Ein Abgesang auf die chinesische Klimaschutzbewegung.

Unser Autor Tim Vollert mit Howey Ou / privat
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Autoreninfo

Tim Vollert ist SPD-Mitglied und engagiert sich bei der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“.

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Seit ein paar Wochen gibt es „Fridays for Future” (FFF) in China nicht mehr. Die Webseiten sind verschwunden, auch die Social Media Profile sind nicht mehr da. Die Mitglieder sprechen davon, dass FFF jetzt verboten wurde. Mitbekommen hat dies kaum einer. In einem Land mit 1,6 Milliarden Einwohnern hatte die Bewegung nur ein paar Hundert Mitglieder, und Chinas Presse hat sie und die Klimadebatte gezielt ignoriert.

Chinas Klimaaktivistin der ersten Stunde war 2019 die Schülerin Howey Ou. Für ihre Prinzipientreue findet sich nichts Vergleichbares. Kritiker der Klimaaktivisten in Deutschland sagen oft, man solle erst mal selbst mehr Verzicht üben, bevor man von anderen ein Umdenken fordert. Diese Frage hat sich bei ihr und ihren Mitstreitern aber gar nicht gestellt. Auf Plastik, Fast Fashion und Fleisch wird komplett verzichtet. Bei Reisen, die prinzipiell nie mit dem Auto geschehen, werden keine Hotels gebucht. Wenn keine Alternative existiert, schläft man draußen. Als Howey 2019 zum UN-Klimagipfel nach Madrid eingeladen wurde, lehnte sie es ab zu kommen. Die Reise verursache zu viele Emissionen.

Auch in China demonstrierten Schüler freitags 

Ich habe die Aktivistin kennengelernt, nachdem ich sie über Instagram kontaktierte, um ihr meinen Respekt auszusprechen. Zuvor hatte ich von ihr in den „Tagesthemen“ gehört. Weltweit stieß die Bewegung nur auf wenig Interesse. Allein in Deutschland wollten die Medien wissen, wer Chinas Antwort auf Greta Thunberg ist. Als mir Howey antwortete, schlug sie mir die Teilnahme an einem Werbevideo vor. Mithilfe einer Filmleinwand drehte ich bei mir zu Hause diverse Ausschnitte, ließ mir chinesische Wörter vorsagen. Die Aktion war der Start für eine längere Zusammenarbeit.

Die Arbeit der Klimaaktivisten war gefährlich. Doch obwohl China ein repressiver Überwachungsstaat ist, sah es am Anfang für die Gruppe gar nicht schlecht aus. Die Aktivisten konnten an Freitagen einige Schüler zum Demonstrieren bewegen. Schulklassen bastelten Schilder mit Wünschen und Forderungen, auch zusammen mit Lehrern. Ihre Forderungen waren global, nicht national. Es gab auch einige ältere Unterstützer.

Proteste auf den Straßen waren immer heikel. Auch wenn es nur eine Handvoll junger Menschen waren, war die Polizei überfordert. Es waren mitunter filmreife Szene, die sich da abspielten. Beamte bauten sich demonstrativ vor den Schülern auf. Man starrte sich gegenseitig an. Kurz nachdem ich Howey kennenlernte, wurden sie und ihre Mitstreiter zum zweiten Mal verhaftet, auf die Wache mitgenommen und nach ein paar Stunden wieder freigelassen.

Von der Schule geflogen  

Schließlich hatte der Überwachungsapparat genug, und auf Druck der Kommunistischen Partei wurde die junge Klimaaktivistin von der Schule verwiesen. Die Einschüchterungsversuche der Regierung verfehlten nicht ihre Wirkung. Am Ende gab es kaum noch Präsenzdemos, da Aktivisten nun teilweise schon vor Beginn ihrer Demonstrationen eine „Einladung“ aufs Polizeirevier erhielten.

Wurden die Proteste anfangs noch teilweise geduldet, war der Online-Auftritt von Anfang an schwer ertragbar. Insbesondere auf Weibo, dem chinesischen Äquivalent zu Twitter. Die App strotzt vor Werbung, Konsum ersetzt politische Inhalte. Aber während nur zwölf  Millionen Deutsche Twitter benutzen, unterhalten sich auf Weibo 300 Millionen Menschen.

Besuch von den „Roten Maden“

Wer eine chinesische Telefonnummer bekommt und die App installiert, den haben die Sicherheitsbehörden sofort auf dem Radar. Hierzulande regen sich viele über den unfreundlichen Diskurs in den sozialen Medien auf. In China wird man für die Verwendung kritischer Wörter auf Weibo schnell gesperrt. 

Obgleich die Online-Profile der Klimaaktivisten nur wenige Follower hatten, wurden sie von den „Roten Maden” geflutet. Rote Maden sind ultranationalistische Troll-Netzwerke, die zu Tausenden das Internet nach potenzieller Kritik an der Regierung absuchen. Ihr Wording ist nicht immer bei der Führung willkommen, es ist zum Beispiel nicht erlaubt, den Premierminister Xi Jing Ping als ,,Daddy Xi” zu bezeichnen. Aber dies nur als Anekdote.

Kino-Tour mit Thunberg-Film 

Die offizielle Seite von FFF China war immer nur wenige Tage online, dann wurde sie gesperrt. In diesem Jahr gab es meistens keine Seite mehr, da uns die Telefonnummern ausgingen, um neue zu erstellen. Der Posteingang meines privaten Accounts war gefüllt mit Nazi-Beleidigungen der Roten Maden. Immerhin waren sie zuvorkommend und schrieben auf Deutsch. Wir haben diese Troll-Netzwerke aber auch für Kampagnen benutzt. Wenn Beiträge die Begriffe ,,Klimakrise” oder ,,FridaysforFuture” enthielten, konnte man sich darauf verlassen, dass die Maden diese wütend teilten und die Beiträge von Hunderttausenden gesehen wurden.

Die meisten Aktivisten sind jetzt inaktiv. Dass das westliche Modell der Klimabewegung in China gescheitert ist, heißt aber nicht, dass sich die Bevölkerung nicht für das Thema Klimaschutz begeistern lässt. Eine der erfolgreichsten Aktionen von Howey Ou war eine Kino-Tour durch das Land, auf der der Film über Greta Thunberg gezeigt wurde. Die furchtbaren Überflutungen, mit denen auch China zu kämpfen hatte, bringen das Thema auch dann hoch, wenn die Parteiorgane kaum darüber reden.

China setzt auf Atomkraft

Aber Klimaaktivismus wird anders aussehen als in Europa. Es sind lokale Gruppen aus Naturschützern aller Altersgruppen, die überall wie Pilze aus dem Boden schießen  – und nicht eine Massenbewegung. Und beim Thema Klimaschutz passiert tatsächlich einiges in China. Die Klimaziele wurden kürzlich geschärft, eine CO2-Steuer wurde endlich eingeführt.

Die Regierung will stärker als bisher auf Atomkraft statt Kohle setzen. Das reicht aber nicht; und weitere Verschärfungen nach Veröffentlichung des IPCC-Berichts hat China auch abgelehnt. Aber immerhin hat die Regierung erkannt, dass es so wie bisher nicht weitergeht. Damit sie daraus auch Konsequenzen zieht, bedarf es allerdings Druck. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz nachbessern muss, weil Aktivisten von FFF Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatten, kann man für China nur bilanzieren: Von so viel Einfluss kann die chinesische FFF-Bewegung nur träumen. 

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