Ex-Generäle drohen Macron - Frankreich - bald ganz rechts?

Was braut sich da in Frankreich zusammen? Eine Reihe von Ex-Generälen drohen Macron offen mit einem Putsch, ihnen gehe es um „das Überleben unseres Vaterlandes“. Nun folgt ein weiterer offener Brief gegen den Präsidenten. Droht ihm der Autoritätsverlust?

Macrons Bildsprache: Seht her, da passt kein Blatt zwischen das Militär und den Präsidenten / dpa
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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Kaum drei Wochen ist es her, dass 20 Ex-Generäle Präsident Macron ziemlich unverhohlen mit Putsch gedroht hatten. Kein Zufall, dass die pensionierten Generäle ihren offenen Brief im ultrarechten Blatt Valeurs actuelles veröffentlichten. Erst recht kein Zufall, dass sie es am 21. April, also exakt am 60. Jahrestag des Putsches gegen Präsident de Gaulle und dessen damalige Politik, die Unabhängigkeit Algeriens zu akzeptieren, publizierten.

Wer glaubte, die Angelegenheit habe sich mit zwei Wochen erregter öffentlicher Debatte und der Versetzung der betreffenden Generäle aus dem Reservistenstatus in den kompletten Abschied erledigt, der sieht sich getäuscht. Sonntagnacht erschien bei Valeurs actuelles nicht nur ein neues Heft mit dem Titel „Kann die Armee Frankreich retten?“, sondern zudem online ein zweiter „offener Brief“.

220.000 Unterschriften in drei Tagen

Dieses Mal allerdings anonym, formuliert von angeblich aktiven Soldaten und Soldatinnen am Beginn ihrer jeweiligen Laufbahn. Der Ton des Schreibens hat an Schärfe noch einmal zugenommen, ist noch näher an Rechtsradikale und Identitäre gerückt. Es gehe um das Überleben unseres Vaterlandes, heißt es wörtlich, das vor Feigheit, Betrug und Perversion gerettet werden müsse. Die Verfasser fordern ultimativ das Vertrauen in das Militär – sprich sich selbst –, um im direkt anschließenden Satz zu erklären: Ja, wenn ein Bürgerkrieg ausbreche, werde die Armee die Ordnung auf ihrem eigenen Boden aufrechterhalten, weil sie dazu aufgefordert sei.

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Nun gibt es keine Statistik (weder offiziell noch inoffiziell), wie groß der Widerhall auf derartiges im Militär tatsächlich ist. Doch nahezu alle Politologen und Militärhistoriker in Frankreich gehen davon aus, dass die Nähe zu „sehr konservativen“ Positionen unter den bewaffneten Kräften deutlich größer ist als in der Gesamtgesellschaft. Dafür spricht auch, dass laut Valeurs actuelles unterdessen und in nur drei Tagen 220.000 Leser den offenen Brief unterzeichnet hätten. Aber bei aller seltsamen Rhetorik und den dahinter stehenden Verschwörungsmythen vom unmittelbar drohenden Untergang Frankreichs und des christlich-katholischen Abendlandes: Es handelt sich „nur“ um einen Teil des Militärs. Vielleicht sollte man die Unterzeichner auch an den wenig rühmlichen Ausgang des Putsches gegen de Gaulle erinnern.

Und doch: Einige Medien räsonieren bereits über einen „Autoritätsverlust des Präsidenten“. Der schweigt und überlässt das Reden anderen, zum Beispiel dem konservativen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire: „Unsere Armee, das sind junge Männer und Frauen von 22 Jahren, die ihr Leben riskieren. Sie verteidigen unser Land mit der Waffe in der Hand gegen den Islamismus. Diese Armee liebe ich und bringe ihr all meinen Respekt entgegen. Aber sicherlich nicht einer Handvoll Militärs, die sich hinter der Anonymität verstecken, um unter diesem Schutz die Rhetorik des Rechtsextremismus zu verbreiten.“

Das Duell Macron vs. Le Pen

Man kann das alles für Vorboten des aufziehenden Präsidentschaftswahlkampfes im kommenden Frühjahr halten. Denn da prophezeien alle Wahlforscher erneut ein Duell Emmanuel Macron versus Marine Le Pen. Und da verschieben sich gerade die Linien zwischen den Lagern ganz massiv. Die Linke hat sich vor allem auch wegen Jean-Luc Mélenchon in Sektierertum und Bedeutungslosigkeit verabschiedet. Die bürgerliche Rechte, immer schon zersplittert und nur zu Wahlen hinter einem mehr oder weniger charismatischen Anführer vereint, macht gerade den nämlichen Prozess durch.

Aus Les Republicains, immerhin Partei der Präsidenten Chirac und Sarkozy, treten prominente Vertreter reihenweise aus. Einige, wie Bruno Le Maire, halten die ideologische Unvereinbarkeit mit Le Pens Rassemblement National für unabdingbar und wechseln endgültig zu Macron, andere, wie der populäre Bürgermeister von Nizza Christian Estrosi, wollen eigene Parteien gründen, und wieder andere wird man über kurz oder lang im Lager Le Pens wiederfinden. 

Normalisierung und Entdämonisierung

Aktuelle Umfragen besagen, knapp die Hälfte aller Franzosen glaubt nicht mehr, dass eine Präsidentschaft von Marine Le Pen eine nationale Katastrophe sei, bislang ein Grundkonsens aller bürgerlichen Kräfte. Das gilt gleichermaßen für sich radikalisierende Konservative wie für Teile der Linken, die von Macrons Politik bitter enttäuscht sind. Allerdings: Deutlich mehr als die Hälfte der Franzosen traut Le Pen handwerklich das Amt nicht zu.

Gleichwohl, bislang hatte sie immer sowohl die eigenen Wähler mobilisiert als auch die, die sie unbedingt verhindern wollten. „Normalisierung und Entdämonisierung“ könnten ihr also nutzen. Sie selbst versucht, das zu unterstützen, indem sie angekündigt hat, den Parteivorsitz der RN abzugeben, um so „besser für alle Franzosen sprechen“ zu können. 

Macrons konservative Handschrift

Viele junge Menschen sind von Macrons Politik tief enttäuscht, und zwar gerade im Bereich der Innen- und Sicherheitspolitik. Anders als die Ex-Generäle es glauben machen wollen, trägt die eine klar konservative Handschrift. Das neue Polizeigesetz untersagt zum Beispiel, Polizisten im Einsatz zu filmen. Es wird auch als Einschränkung der Pressefreiheit wahrgenommen. Das ist in Frankreich deshalb eine „heilige Kuh“, weil die französische Verfassung zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt, aber anders als in Deutschland kein Recht auf den Zugang zu Informationen kennt. Auch Macrons Wortwahl, im Umgang mit der Gewalt in Banlieues von islamischem Separatismus zu sprechen, ist vielen suspekt.

Macron selbst setzt dagegen seine ganz eigenen Signale, vor allem mit ausgesprochen ungewöhnlichen Bildern. Er war nicht nur der erste Präsident seit 50 Jahren am Sarkophag von Napoleon, noch viel auffälliger ist seine bewusst gesetzte Geste am 8. Mai: Vor der Flamme zu Ehren des unbekannten Soldaten steht Macron – vorgeblich unbeobachtet, aber doch von jeder Kamera einzusehen – in einem kleinen Kreis mit den fünf obersten Militärchefs, redend. 

So etwas gab es noch nie und zeigt ganz subtil, aber umso klarer: Seht her, da passt kein Blatt zwischen das Militär und den Präsidenten. Und ich bin es, der für die Werte der Republik einsteht.    

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