Emmanuel Macron zu Europa - „Wir dürfen keine Schlafwandler sein“

Knapp drei Monate vor der Europawahl erneuert Emmanuel Macron seinen Appell für einen Neubeginn der EU. Er fordert tiefgreifende Reformen und macht Großbritannien beim Brexit ein Angebot. Doch wie viel Substanz steckt hinter den leidenschaftlichen Worten? Machen Sie sich selbst ein Bild

Emmanuel Macron: „Europa noch nie in so großer Gefahr“ seit dem Zweiten Weltkrieg / picture alliance
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Im eigenen Land machen ihm die Gelbwesten-Proteste zu schaffen und vom Glanz der Anfangszeit seiner Präsidentschaft ist viel abgesplittert. Aber an Europa hat Emmanuel Macron jetzt in einer Form appelliert, die an Sturm und Drang seines Aufstiegs erinnert. „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr“, schreibt er in einem Essay, der in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht wurde und auch auf der Website des französischen Präsidenten. Für die Gefahr macht Macron die nationalistischen Kräfte verantwortlich, die in vielen Ländern an Zustimmung gewinnen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nationalisten, die keine Lösungen anzubieten haben, die Wut der Völker ausnutzen. Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein.“ Denn der Nationalismus biete den Menschen nichts, er sei ein „Projekt der Ablehnung“.

Reform der Wettbewerbspolitik, mehr militärische Zusammenarbeit 

Wirtschaftlich fordert Macron eine Reform der Wettbewerbspolitik. Man solle „Unternehmen bestrafen oder verbieten, die unsere strategischen Interessen und unsere wesentlichen Werte untergraben, wie Umweltstandards, Datenschutz und eine Entrichtung von Steuern in angemessener Höhe“, schreibt er. Außerdem wirbt er für die Schaffung einer gemeinsamen Grenzpolizei und einer europäischen Asylbehörde. Zudem solle eine europäische Behörde zum Schutz der Demokratie geschaffen werden, deren Experten Wahlen gegen Manipulationen absichern sollen.

Auch sicherheitspolitisch solle Europa besser zusammenarbeiten, und da macht Emmanuel Macron den Briten ein Angebot, obwohl der Brexit kurz bevorsteht. Die Ziele der europäischen Politik müssten eine „Erhöhung der Militärausgaben“ und ein Europäischer Sicherheitsrat „unter Einbeziehung Großbritanniens zur Vorbereitung unserer gemeinsamen Entscheidungen“ sein.

Schon 2017  hatte Macron einen flammenden Appell für eine Neugründung der EU gehalten. Damals forderte er einen europäischen Finanzminister und einen Haushalt für die Eurozone, der auf längere Sicht mit Steuereinnahmen finanziert werden könnte. Er fand dafür aber kaum Gleichgesinnte in der EU, auch nicht aus der deutschen Regierung. Wird es diesmal anders sein?   

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