Trump als Geschäftsmodell - Das Twitter-Paradox

Twitter lässt Donald Trump seine Unwahrheiten offensichtlich nicht mehr durchgehen. Tweets des US-Präsidenten wurden mit Hinweisen zu Faktenchecks versehen. Löblich, könnte man meinen. Aber das soziale Netzwerk torpediert damit sein eigenes Geschäftsmodell.

Hat immer was zu sagen: Donald Trump / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es ist ein Traum der Menschheit, so alt wie sie selbst: Aus Scheiße Gold zu machen, das wär‘s. In Märchen vieler Kulturkreise begegnet uns dieser Topos und in der Mythologie auch. Bei Rumpelstilzchen ist es Stroh, das zu Gold wird, bei König Midas wird alles, was er anfasst zu Gold. Die Alchemie versucht sich seit Jahr und Tag an dieser Kunst. Die Olchis sind in einem Kinderbuch imstande, sich von Müll und Schrott zu ernähren und so immer einen reich gedeckten Tisch zu haben. 

Die ersten und einzigen realen Institutionen (jenseits der Entsorgungsbranche), die sich im wirklichen Leben auf diese Kunst verstehen, sind die sogenannten sozialen Netzwerke. Vom einen oder anderen wirklichen intellektuellen Kleinod abgesehen, das sie zu Tage fördern und verbreiten: Ihr Geschäftsmodell besteht im Wesentlichen darin, die Menschen überall auf der Welt in ihrem Geltungsbedürfnis scheinbar Bedeutendes absondern zu lassen, von dem sich zwar das meiste als mentaler Müll und verbaler Schrott erweist, mit dem aber Twitter und Facebook dennoch astronomische Umsätze und Gewinne machen. Mark Zuckerberg und die Seinen sind die wahren Alchemisten des digitalen Zeitalters.

Wortmüll-Umwälzpumpen

Wie fragil indes dieses milliardenschwere Geschäftsmodell der Wortmüll-Umwälzpumpen in Wahrheit ist, erweist sich am prominentesten Influencer, den Twitter exklusiv bei sich am Start hat. Der amerikanische Präsident Donald Trump sondert Tweets ab wie andere Menschen Aerosole. 80 Millionen Menschen hängen weltweit an den Smartphones, um die Tweets zu lesen. Darunter sicher auch die Stäbe des Weißen Hauses, damit sie wissen, was ihr Haus für Politik umzusetzen hat. 

Nun hat aber die Cash Cow von Twitter einen rausgehauen, den die Faktenabteilung, also der Schmutzfilter des Unternehmens so nicht durchgehen ließ. TheRealDonaldTrump behauptete ohne jedes Argument, jeden Beleg oder jedes Indiz, dass Briefwahlen Manipulationen Tür und Tor öffneten, im binären Denksystem des amerikanischen Präsidenten folglich also nicht „good“, sondern „bad“ sind (nebenbei bemerkt sagt dieser Tweet mehr über die demokratische Grundfestigkeit des amerikanischen Präsidenten als über die Briefwahl als solche aus). Twitter fügte seinem Tweet einen Warnhinweis und einen Link zu einem Faktencheck bei.   

Prompt passierte nicht nur, dass der amerikanische Präsident seinem Hauskanal Sanktionen, ja gar existenzielle Folgen androhte (in den Stäben des Weißen Hauses wird vermutlich gerade verzweifelt danach gesucht, wie das gehen soll). Prompt stürzet obendrein die Twitter-Aktie an den Börsen markant ein. 

Warum? Ganz einfach: weil Twitter mit diesem Vorgang, den Ast ansägt, auf dem es selbst sitzt. Trump ist die Idealfigur für das Geschäftsmodell von Twitter und anderen Social Networks. Sie verdienen sich dubbelich an den großen und kleinen Trumps dieser Welt. Wenn sie aber einen wie ihn einhegen (zensieren würden manche sagen, was Unsinn ist, denn zensieren kann nur ein Staat, aber kein Privatunternehmen), torpedieren sie ihr eigenes Geschäftsmodell.

Es gibt keine Selbstreinigungskraft dieses Mediums

Das ist das Twitter-Paradox: Vom verbalen Unrat zu leben, den sie eigentlich permanent aussortieren müssten, wenn die ungeschriebenen und die geschriebenen Gesetze des Umgangs von Menschen in einem Gemeinwesen in diesem virtuellen Raum genauso gälten wie im realen Leben auch. 

Wenn dieser Fall Twitter vs. Trump also eines offenlegt wie kaum ein vorangegangener, dann, dass es von grenzenloser politischer Naivität und Realitätsferne kündet, an die Selbstreinigungskraft eines Mediums zu glauben, das am Ende von Schmutz lebt. Niemals werden Facebook und Twitter von sich aus stubenrein. Eher legen die Frösche den Sumpf trocken.      

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