Mueller Report - Akte zu und viele Fragen offen

US-Präsident Donald Trump jubelt nach der Übergabe des Berichts von Sonderermittler Robert Mueller an das Justizministerium. Tatsächlich ist die Enttäuschung im linken Spektrum über den Report kaum zu verhehlen. Aber „total entlastet“, wie er sich selbst sieht, ist Trump noch nicht

Donald Trump spricht von einem „Totalen Freispruch“. Doch freut er sich zu früh? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

So erreichen Sie Daniel C. Schmidt:

Anzeige

Im immer etwas zu überdrehten politischen Washington hatten Politiker und Journalisten 675 Tage auf Antworten warten müssen – nur um nun vor noch mehr Fragen zu stehen: Der sogenannte Mueller Report ist da, und im linken Spektrum ist die Enttäuschung erst einmal groß. Denn für Donald Trump bedeutet der Report in seinen Grundzügen zweifellos eine Entlastung. Doch auch der Jubel des Präsidenten könnte sich noch als verfrüht herausstellen. 

Keine Beweise für wissentliche Absprachen

In der Russland-Affäre fand Sonderermittler Robert Mueller nach fast zwei Jahren Arbeit keine Beweise dafür, dass es wissentliche Absprachen zwischen Trumps Wahlkampfteam und den Russen gab. 19 Anwälte in Muellers Mannschaft sowie 40 FBI-Mitarbeiter halfen ihm dabei, mehr als 2800 Vorladungen und knapp 500 Durchsuchungsbefehle auszustellen. Zudem wurde mehr als 500 Zeugen vernommen. Das klingt nach einer gründlichen Untersuchung und ist zu allererst ein beruhigender Ausgang für Trump und die amerikanische Demokratie an sich.

Doch der vierseitige Brief von Justizminister William Barr, in dem er Muellers Ergebnisse zusammengefasst hat und der am vergangenen Sonntagnachmittag an die Öffentlichkeit weitergegeben wurde, ist ein verschachteltes Dokument. Es enthält viele Feinheiten, über die sich schnell hinweglesen lässt. Und wenn man genauer hinschaut, lassen sich viele Punkte entdecken, die für Trump noch gefährlich werden könnten. 

So sagt der Brief zwar aus, dass es keine Beweise für Absprachen gäbe. Das heißt aber nicht automatisch, dass keine Absprachen stattgefunden haben könnten. Zumal Mueller, wie Barr in seinem Brief in einer Fußnote erläutert, den Begriff Koordinierung als eine „Absprache – stillschweigend oder ausdrücklich – zwischen Trumps Wahlkampfteam und der russischen Regierung, die Wahl zu beeinflussen“ definiert hat. Eine Definition, die man im juristischen Sinne als sehr eng gefasst betrachten kann. Was, beispielsweise, wenn Trumps Team von Russlands Plänen wusste, sie willkommen hieß und gewähren ließ – ohne dabei jegliche Absprachen zu treffen? Diese Details mag man als Spitzfindigkeiten abtun. Dennoch bleiben noch eine Reihe anderer Fragen offen. 

Warum hat Trump die Ermittlungen nicht unterstützt?

Die vielleicht wichtigste: Wenn Trump so unschuldig war, wie er es in seinem Hurra!-Tweet am Sonntagnachmittag seinen Followern weismachen wollte („Totaler Freispruch“), warum hat er die Ermittlungen dann so erbittert bekämpft, statt sie zu unterstützen, um seine Unschuld zu beweisen? Einen Satz wie „Wir haben nichts zu verbergen und helfen dem Sonderermittler gern bei all seinen Fragen“ hat man von Donald Trump in den vergangenen 18 Monaten der Ermittlungen nicht gehört. 

Im Gegenteil: Im zweiten Teil von Barrs Brief geht es um die Frage, ob der Präsident die Ermittlungen und damit die Justiz behindert hat oder nicht. Hier hat Mueller Beweise für beide Seiten gefunden, aber er kommt zu keiner eindeutigen Antwort in der Sache. Die überlässt er Barr. Der Justizminister zitiert Müller so: „Während der Bericht nicht zu dem Schluss kommt, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, spricht er ihn auch nicht frei davon“ 

Es muss also gewisse Beweise dafür geben, dass Trump die Ermittlungen behindert haben könnte, sonst hätte Mueller sich in diesem Punkt festlegen können. Barr schreibt aber, dass Muellers „Entscheidung, die Fakten im Fall einer Justizbehinderung zu beschreiben, ohne eine juristische Entscheidung zu treffen, es dem Justizminister überlässt zu bestimmen, ob das im Bericht beschriebene Verhalten eine Straftat darstellt.“ Der Brief lässt offen, warum und wie dieser zu dem Ergebnis kam, dass Muellers Beweise „nicht ausreichend sind, um zu begründen, dass der Präsident Justizbehinderung begangen hat“. 

Was steht im eigentlichen Bericht?

Am Ende wirft Barrs Zusammenfassung des Berichts mehr Fragen auf als sie beantwortet. Im Muellers eigentlichem Bericht werden sie möglicherweise ausreichend behandelt. Das gilt auch für die Frage, warum Mueller den Bericht jetzt schon abgegeben hat, wenn noch so viele Angelegenheiten ungeklärt scheinen. Auffällig  ist, dass Mueller mit seiner Nicht-Entscheidung im Fall der Justizbehinderung dennoch viele Brotkrumen hingeworfen hat , die von anderer Stelle als dem Justizminister aufgenommen werden könnten. Sprich: im Kongress. 

Die Demokraten haben bereits vor Abgabe von Muellers Bericht angefangen, in den von ihnen geführten Ausschüssen die Arbeit des Präsidenten kritischer zu hinterfragen als ihre republikanischen Kollegen zuvor, was niemandem überraschen dürfte. Hier warten auf Donald Trump noch weitere, höchstwahrscheinlich unangenehme Untersuchungen, die ungeklärte Details des Mueller Report betreffen. Daraus könnten sich wiederum Ermittlungen ergeben wie die des von Mueller vor ein paar Monaten an die Staatsanwaltschaft von Manhattan übergebenen Falls Michael Cohen. 

Trumps Geschäftsbeziehungen dürften also erneut in den Fokus rücken. „Corruption, not collusion“ könnte die nächste Fährte sein, der die Ermittler nachgehen. 

In der Nacht zum Montag, nach der Veröffentlichung von Justizminister Barrs Brief, mag der Präsident gut geschlafen haben. Wie es aussieht, wird er aber vorerst trotzdem nicht so schnell zur Ruhe kommen.

Anzeige