Donald Trumps Anwalt - Eine irre Fahrt mit Rudy Giuliani durch Manhattan

Rudy Giuliani war Bürgermeister von New York und ist heute der private Anwalt des amerikanischen Präsidenten Donald Trump: Olivia Nuzzi ist mit ihm durch Manhattan gefahren und in eine Bar gegangen. Das Protokoll einer äußerst bizarren Begegnung.

Rudy Giuliani: „Ich trinke gern Whisky und rauche eine Zigarre dazu. Ich bin ein Partylöwe.“ / picture alliance
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Autoreninfo

Olivia Nuzzi ist politische Reporterin für das New York Magazine. Im vergangenen Dezember erhielt die 27 Jahre alte Journalistin überraschend die Gelegenheit eines privaten Treffens mit Rudy Giuliani. Das Ergebnis dieser Fahrt mit ihm durch Manhattan erscheint bei Cicero erstmals in deutscher Übersetzung.

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Als der schwarze SUV an Manhattans 33. Straße hält und blinkt, streckt jemand auf der Beifahrerseite eine blasse Hand aus dem Fenster und winkt sacht. Die Hand gehört Rudy Giuliani, er lächelt hinter einer Schildplatt-Sonnenbrille hervor und entschuldigt sich für seine Verspätung. „Ich kann nicht mehr wie früher über den Bürgersteig gehen“, sagt er bedauernd, womit er auf seine Zeit als Bürgermeister anspielt.

Es ist Sonntag, der 8. Dezember, früher Nachmittag, und Giuliani ist gerade aus der Ukraine zurückgekehrt. Wie er mir erklärt, hat er dort Informationen gesammelt, die das Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Mandanten, Präsident Donald Trump, aushebeln würden. 

„Wir mussten aus Kiew abhauen, die haben uns da so viele Fragen gestellt“, sagt er, wobei unklar bleibt, ob er mit „die“ die Presse oder Regierungsvertreter meint. „Alle dachten, wir würden Freitagmorgen abfliegen, aber ich konnte eine Privatmaschine organisieren, die uns Donnerstagabend nach Wien gebracht hat.“

Warum Siri ihn nie versteht

Auf dem Rücksitz liegt Gepäck. Giulianis Body­guard steigt aus und verstaut es im Kofferraum. Der pensionierte NY-Polizist bewundert Trump genauso wie seinen Boss, für den er seit mittlerweile zehn Jahren arbeitet. Giuliani klettert derweil auf die Rückbank.

Als er in seinem Wiener Hotel morgens um 2.30 Uhr angekommen sei, sagt er, habe er sich erst einmal um Opernkarten gekümmert. „Und siehe da, am Freitag gab es ,Tosca‘, und Marco Armiliato dirigierte.“ Giuliani singt mir eine Arie aus „Rigoletto“ vor. Das sei, erklärt er mit beiden Händen theatralisch dirigierend, die Oper, in der er sich damals beim Highschool-Musikunterricht zuerst verliebt habe. Er trägt einen marineblauen Anzug, darunter einen Pullover, der Reißverschluss seiner Hose steht offen. Als Accessoires Stars-and-Stripes-Revers­nadel, Stars-and-Stripes-Portemonnaie, einen Diamantring am kleinen Finger und einen World-Series-Diamant­ring der New York Yankees.

Giuliani, 75 Jahre alt, ist nicht nur der persönliche Anwalt des Präsidenten, sondern auch informeller Cybersicherheitsberater im Weißen Haus sowie ein hoch bezahlter Anbieter von Cybersicherheit. In der einen Hand hält er drei verschiedene Handys. Zwei sind eingeschaltet, und wenn sie gegeneinanderschlagen oder Giuliani danach greift, leuchtet ein Benachrichtigungs-Sperrfeuer auf. Ab und zu aktiviert er Siri, die dann sagt, sie könne ihn nicht verstehen. „Sie versteht mich nie“, sagt Giuliani, seufzt und drückt auf dem Handy herum, um Siri zum Schweigen zu bringen. 

Ein kleiner werdender Radius

Giuliani verkündet gerne, er kenne „jede Ecke dieser Stadt“, aber er wohnt an der teuren Upper East Side und hält sich nicht viel im Central Park oder unterhalb davon auf. Als ich ihn bitte, mir einen Lieblingsort in seiner Stadt zu zeigen, weist er seinen Bodyguard an, zum „Mark“ zu fahren, ein Fünf-Sterne-Hotel auf der East 77th Street. Giu­liani ist supervorsichtig und in diesen Zeiten überlegt er sich genau, wo er willkommen ist. „Nach allem, was passiert ist“, sagt er, sei sein Radius kleiner geworden, er vertraue nicht mehr jedem.

Ich frage ihn, wie er dann jemals Lev Parnas und Igor Fruman vertrauen konnte, seinen osteuropäischen Geschäftspartnern vom Unternehmen Fraud Guarantee, die im Oktober vom FBI verhaftet wurden. „Sie sahen aus wie die Leute in Miami. Ich kenne eine Menge Leute aus ­Miami, die genauso aussehen, sich vollkommen rechtskonform verhalten und dasselbe tun“, sagt er. „Und keiner von beiden wurde je gerichtlich verurteilt. Keiner von beiden. Und mehr muss ich nicht wissen; wenn man sich um Beschuldigungen und Behauptungen kümmert, kann man mit keinem mehr zusammenarbeiten“, sagt er lachend. „Vor allem nicht im Geschäftsleben.“

"Ich bin mehr Jude als Soros"

Während wir weiter in Richtung Norden fahren, monologisiert er über den Skandal, an dem er mitgewirkt hatte. Die ehemalige ukrainische Botschafterin Marie Yovanovitch, die er „Santa Maria Yovanovitch“ nennt, werde von George Soros „gesteuert“, sagt er, dem demokratischen Supergeldgeber, Philanthropen und Hedgefonds-Milliardär. „Er hat alle vier Botschafter dort eingesetzt. Und er beschäftigt FBI-Agenten.“ Das höre sich ja an wie die Geschichte eines Verrückten, sage ich, aber das weist er weit von sich. „Und jetzt behaupten Sie nicht, ich wäre antisemitisch, nur weil ich etwas gegen Soros sage“, entfährt es Giuliani. „Soros ist nicht wirklich Jude. Ich bin mehr Jude als er. Ich weiß wahrscheinlich mehr darüber – Soros geht nicht zur Kirche, nicht zum Gottesdienst, in die Synagoge. Er ist in keiner Synagoge Mitglied. Er unterstützt Israel nicht. Er ist ein Gegner von Israel. Er hat dafür gesorgt, dass in den USA acht anarchistische Bezirksstaatsanwälte gewählt wurden. Er ist ein furchtbarer Mensch.“ (Soros ist Holocaust-Überlebender.)

Wie so viele Soros-Verschwörungstheoretiker glaubt Giuliani, dass die Medien auf Soros’ Befehl hin Lügen über ihn verbreiten würden; seine eigenen Versuche, die Medien zu diskreditieren, vermasselt er gern. Anders als die Medien behaupten würden, verfolge er in der Ukraine keine geschäftlichen Interessen, sagt er und erzählt mir im nächsten Moment von seinen geschäftlichen Interessen in der Ukraine. „Ich habe in der Ukraine zwei Verträge unterzeichnet. Und hätte gern noch vier oder fünf andere abgeschlossen.“ Seit er die Interessen des Präsidenten vertrete, hätten sich ihm zwei weitere Gelegenheiten geboten, die er aber abgelehnt habe, damit man ihm keine Interessenkonflikte vorwerfen könne.

Wie man Trump loswerden könne

„Und eine Sache hätte ich wirklich gern gemacht“, sagt Giuliani: eine Klage im Namen der ukrainischen Regierung gegen ein großes Finanzinstitut, das, davon ist Giuliani überzeugt, sieben Milliarden für den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gewaschen hat. „Das hätte nichts mit Trump zu tun gehabt oder Burisma Holdings oder ihrem Direktor Hunter Biden.“ Das hätte er „echt gern“ gemacht, erklärt er mir, weil er dann viel über die Geldwäsche in der Ukraine gelernt hätte, „und dann hätte ich herausfinden können, ob sie bei Hunter Biden dasselbe Geldwäschesystem genutzt haben.“

„Ich habe ungefähr einen Monat überlegt, die Sache gedreht und gewendet und schließlich an einen anderen Anwalt abgegeben“, sagt Giuliani. „Aber ich habe das genutzt, um wenigstens ein bisschen über die Geldwäsche zu erfahren.“

Wenn man den Präsidenten absägen wolle, müsse man erst seine Männer absägen, sagt er, und darum sei er im Visier, das Opfer einer Verschwörung, mit der Trump aus dem Amt gejagt werden solle. Zu den Verschwörern gehörten die Medien, der Staat im Staate, und sogar Leute, von denen er gedacht habe, dass er sie wirklich gut kenne. Hier wird Giuliani emotional. Wenn er lese, was die Presse über ihn schreibe, müsse er zusehen, wie Freunde, diese „nahestehenden Quellen“, von den Verschwörern zur Waffe gemacht würden und dazu beitrügen, von ihm das öffentliche Bild eines durchgeknallten Mannes zu zeichnen. Es seien dieselben besorgten Leute, die ihm raten wollten, er solle auf sein Erbe aufpassen. „Aber ich gebe einen Shit auf mein Erbe.“

"Ich bin ein Partylöwe"

In einem Interview für das New York Magazine ließ Giulianis Ex-Frau durchblicken, er sei Alkoholiker. Andere, die namentlich nicht genannt werden wollen, haben Giulianis Geisteszustand infrage gestellt. „Ja, ja, ja. Ich nehme alle möglichen Drogen“, sagt er sarkastisch. „Und nach irgendwas war ich auch süchtig. Ich hab vergessen, was. Keine Ahnung, woher die ganzen Drogengeschichten kommen, wirklich nicht. Der Alkohol, gut, ich trinke ab und zu mal. Ich liebe Scotch. Da bin ich machtlos gegen. Ich liebe Whisky. Und dazu gehören auch Zigarren. Ich trinke gern Whisky und rauche eine Zigarre dazu. Ich bin ein Partylöwe.“

Und dann ist da noch die Staatsanwaltschaft für den Southern District von New York – für ihn die größte Enttäuschung. Das war doch seine Welt, das waren seine Jungs. Den größten Teil der achtziger Jahre war er da der Chef. Und jetzt sind die nicht mehr wiederzuerkennen. „Wenn die gegen mich ermitteln, sind das Arschlöcher“, sagt er. Beim Reden guckt er starr geradeaus, nur selten nimmt er Blickkontakt auf. Als er den Mund schließt, läuft Speichel aus einem Mundwinkel und sucht sich langsam den Weg abwärts durch eine tiefe Falte. „Dann sind das echt Trump-blinde dämliche New Yorker Liberale.“ Eigentlich wisse er nicht sicher, ob gegen ihn ermittelt werde, fährt er fort, aber die Staatsanwaltschaft habe Partner von ihm vorgeladen und Dokumente und Kommunikation angefordert, die mit ihm, seinem Unternehmen im Zusammenhang stünden – besonders mit „sämtlichen tatsächlichen oder potenziellen Zahlungen“ von und an Giuliani.

„Wenn jemand glaubt, ich wäre kriminell, dann spinnt er“, sagt er. „Ich mache das seit 50 Jahren. Ich weiß, wie man sich ans Gesetz hält. Und wenn die glauben, ich wäre nicht integer, dann stimmt das vielleicht für sie, weil sie in ihrem Wahnsinn und Hass gegen Trump nicht integer sind.“

Abgeordnete als "ein Haufen Clowns"

Wahrscheinlich, sagt Giu­liani, seien sie bloß neidisch, weil er bei seinem Weggang vor 30 Jahren Tausende Verurteilungen im Sack hatte und es mit der Staatsanwaltschaft seitdem bergab gehe. Die Jungs, die nach ihm dorthin gekommen seien, würden den Mob gern genauso in die Zange nehmen wie er. Aber sie würden das nicht schaffen. „Sie handeln reflexhaft und sind jetzt logischerweise alle gestörte Trump-Gegner, auch James Comeys Tochter, die da arbeitet. Glauben Sie nicht, dass sie verbittert ist? Wissen Sie, dass ich ihren Mann wollte? Ich habe ihren Mann eingestellt.“
Er meint ihren Vater.

„Ihr Vater“, sagt er. „Ich halte ihren Vater für eine Schande. Wie peinlich, dass ich ihn eingestellt habe. Keiner hat das FBI jemals so schlecht geführt wie er.“

Dann hält der Wagen an der Ecke 77th und Madison Ave. Als wir die Hotellobby betreten, sagt Giuliani, er habe noch gar nicht die Möglichkeit besprochen, dass er den Präsidenten bei der Verhandlung vor den Senatoren vertritt, aber wenn er sich vorstelle, wie er die Demokraten und Zeugen, die durch die Anhörungen im Kongress berühmt geworden sind, ins Kreuzverhör nehme, befriedige das jedenfalls seine Rachegelüste.

„Ich bin gut da drin. Das kann ich als Anwalt am besten“, sagt er. „Oh, wie gerne würde ich das machen. Ich könnte sie auseinandernehmen. Wissen Sie, ich hasse es, wie ein lächerlicher, überheblicher Anwalt zu klingen, aber das hätte ich schon in meinem zweiten Jahr als US-Anwalt hingekriegt. Die sind echt ein Haufen Clowns.“

Giulianis Strategie fürs Kreuzverhör

„Bei so einer Sache denkt man tagelang darüber nach, wie man sie am besten ins Kreuzverhör nimmt“, erläutert er seine theoretische Strategie. „Man macht sich mit ihrer Persönlichkeit vertraut. Man muss herausfinden, wo jemand wohl lügen wird und wie; wie man es am besten schafft, dass er sich entspannt und Vertrauen fasst. Was für ein Mensch ist er wohl, fragt man sich. Ein Angeber? Wo hat er seinen wunden Punkt? Nehmen wir Biden beispielsweise, er reagiert empfindlich, wenn es um seine Intelligenz geht.“

Giuliani hat auch schon ein paar Ideen, wie er die Glaubwürdigkeit der Zeugen demontieren könnte. „Der Typ, der das Telefongespräch mitgehört hat“, beispielsweise. „Hat da überhaupt schon mal jemand überprüft, ob der nicht vielleicht ein Hörgerät trägt? Vielleicht hat er das nicht im Ohr gehabt. Wie alt ist er? Wie alt ist der Typ?“ Er könnte taub sein, sagt Giuliani, und gar nicht wissen, was er wirklich gehört hat. „Woher wollen wir wissen, dass er nicht unter schizo­phrenem Verfolgungswahn leidet? Oder Alkoholiker ist?“

Doch soweit er eine Strategie der Republikaner Lindsey Graham und Mitch McConnell kenne, gehe es darum, auf die von den Demokraten gelieferten Beweise mit einem Achselzucken zu reagieren: „Da sagt man am besten ‚Wen kümmert das? Wie idiotisch.‘“

Die Hotelangestellte führt uns über einen Flur in den Speisesaal. „Oh, das ist Rudy Giuliani“, höre ich jemanden hinter uns raunen. „Ein Mineralwasser bitte“, sagt Giuliani zu dem Kellner, „und ich weiß, dass Sie eine wunderbare Bloody Mary haben.“ „Genau“, antwortet der Kellner, „und ich weiß, dass Sie die lieben.“ Giuliani lacht und sagt: „Sie sind ein guter Mann!“ 

Ungeklärte Anrufe 

Nachdem er ein Omelette mit extra­knusprigem Speck bestellt hat, fragte ich ihn nach den mysteriösen Anrufprotokollen, die sich in dem Bericht des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses finden und vermuten lassen, dass er mit jemandem im Weißen Haus über die Eckpunkte von Trumps Hin und Her in der Ukraine gesprochen hat. Die Telefonnummer lässt sich mit dem Office of Management and Budget (OMB) im Präsidialamt in Verbindung bringen. 

„Ich glaube nicht, dass ich überhaupt mit dem OMB gesprochen habe“, sagt Giuliani. „Jedenfalls ist das nicht klar. Ich erinnere mich nicht. Vielleicht habe ich mit meinem Sohn gesprochen.“ Sein Sohn Andrew ist Öffentlichkeitsreferent im Präsidialamt. Möglicherweise habe er seinen Sohn angerufen, sagt er, um mit ihm über das Baseball-Team des Weißen Hauses zu sprechen, das von Andrew trainiert werde und für das er, Giuliani, sich sehr engagiere. „Ich weiß nicht mehr, wen ich angerufen habe. Meistens spreche ich mit dem Präsidenten.“

Manchmal rufe er auch im Weißen Haus an, sagt er, um mit Jared Kushner zu reden, mit dem er gern Späße treibe. „Einmal habe ich ihn einfach angerufen, um ihn damit aufzuziehen, dass ich ihn angeblich für unersetzbar gehalten hatte; eigentlich hielt ich ihn für ersetzbar.“ Er spreche auch mit Dan Scavino, dem langjährigen Social-Media-Chef. Aber oft rufe der Präsident ihn an. „Vor oder nach der Arbeit ruft er mich oft an. Aber ich störe ihn nicht gern mitten in der Nacht“, sagt Giuliani. „Dann rufe ich die Zentrale an, und man stellt mich manchmal zu einer anderen Nummer durch. Ich weiß nicht, wen ich angerufen habe.“

Und oft, so fährt er fort, riefen der andere Anwalt des Präsidenten, Jay Sekulow, und er den Präsidenten auch gemeinsam an. „Das ist uns beiden lieber, so können wir beide das Gespräch interpretieren“, sagt er.

Der Meister des Kreuzverhörs

Er weiß zwar nicht, mit wem er gesprochen hat, kann aber schwören, dass er, mit wem auch immer, nichts Unredliches beredet hat. „Mit einer Sache haben diese Anrufe auf keinen Fall zu tun, das kann ich Ihnen genau sagen: mit Militärhilfen. Ich spreche mit ihm nie über Militärhilfen. Ich habe noch nie mit irgendjemandem über Militärhilfen gesprochen, bis das Thema Ende August 2019 in der New York Times auftauchte. Ich wusste nicht, dass wir die verweigern, wenn das überhaupt stimmt.“ Als er die Sache las, habe er nicht geglaubt, dass das so ein großes Ding sei, sagt er. „Typisch Trump. Er verweigert die Hilfe bis zum letzten Moment, so lange, bis die Leute drum betteln.“

Giuliani nimmt das Olivenspießchen aus der Bloody Mary und zieht mit den Zähnen eine Olive ab. Während er kaut, spricht er weiter. Er bestellt eine zweite Bloody Mary. Ich frage ihn, ob er der Meinung sei, Trump bei einem Verfahren besser vertreten zu können als Sekulow. Er lächelt. „Jay ist als Anwalt ein anderer Typ“, sagt er. „Er ist mehr der akademische Anwalt. Und am Supreme Court habe ich nur einmal jemanden vertreten. Er schon 14 Mal. Aber ich weiß nicht, wie oft er schon jemanden ins Kreuzverhör genommen hat. Ich habe schon tausend Leute in die Mangel genommen.“ Er überlegt kurz – „na ja, hundert“. 

„Nein, aber vor Gericht könnte Jay den Fall besser vertreten als ich“, fährt er fort. „Er kennt die Gerichte viel besser. Er versteht, wie die ticken.“

Doch wenn es je bis dahin kommen sollte, meint er, würde Trump lieber ihn nehmen. „Wenn es um eine wirklich harte Sache geht, würde er sich mit mir wohler fühlen“, sagt er. „Er war genervt, weil ich in den letzten Wochen nur die Fakten zusammengesammelt habe und nicht im Fernsehen zu sehen war. Die Leute denken, er wolle mich nicht im Fernsehen. Keine Ahnung, wo sie das herhaben. Genau das Gegenteil ist wahr.“

"Haben Sie alle drei Handys?"

In Wahrheit sei der ukrainische Generalstaatsanwalt Viktor Schokin, der wegen Korruption gehen musste, nämlich gar nicht korrupt gewesen, sagt Giuliani, er habe nur auf Druck der Obama-Regierung gehen müssen, weil er etwas gegen Vater und Sohn Biden in der Hand hatte. Zudem verfüge er, Giuliani, über eine geheime Quelle, die anhand von Dokumenten beweisen könne, dass mit einer Transaktion über eine litauische und zyprische Bank Bestechungsgelder an Hunter Biden geflossen sind. „Als ich das bekam“ – die Beweisdokumente –, „hatte ich Lev Parnas schon verloren und keinen Übersetzer mehr. Ich habe es mit der App übersetzt“, sagt er. Er nimmt ein Handy und zeigt mir, wie Google Translator funktioniert. 

Als wir wieder im schwarzen SUV sitzen, weist Giuliani seinen Body­guard an, ihn nach Hause und mich zurück in mein Hotel zu fahren. „Oh, diese armen Leute“, sagt er, während er durch das Fenster in den Park schaut, wo ein Mann und eine Frau auf einer Bank sitzen. „Als ich Bürgermeister war, hätte ich, sobald ich zu Hause war, den Leiter des Obdachlosendiensts angerufen. „Da ist jemand zwischen Fifth und 70 … – ist das 75 oder 76? Ein Paar, das anscheinend friert. Guck, ob wir einen Platz für die haben.“ Alle meine Beamten waren dazu angehalten. Und es gab das fast gar nicht mehr, null.“ Das Paar auf der Bank sieht nicht obdachlos aus. 

„Haben Sie alle drei Handys?“, fragt der Bodyguard, als Giuliani aus dem Auto steigt. „Ja, alle drei“, antwortet er. „Besser hätte ich nur noch zwei. Das muss ich heute Abend mal ausprobieren.“
Als wir weiterfahren, sehe ich plötzlich aus den Augenwinkeln etwas in der Sonne blinken. Es ist das Handy neben mir auf dem Sitz, das Giuliani hat liegen lassen. Ich gebe es dem Bodyguard. Er lacht und ruft Giuliani an, um es ihm zu sagen. Giuliani lacht auch. 

Aus dem Englischen von Christine Ammann

 

Dieser Text ist in der März-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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