Covid in Israel - Vierte Impfung bis auf weiteres verschoben

Da die Omikron-Variante mehreren Studien zufolge weit harmloser sein könnte als vorherige Covid-Varianten, hat das Gesundheitsministerium Pläne der Regierung für eine vierte Impfdosis vorerst gestoppt. Auch Experten warnen vor den Folgen zu vieler Impfungen. Mehr und mehr Bürgern sprechen sie damit aus dem Herzen.

Das Sheba-Krankenhaus startet eine Studie zu den Wirkungen der Viertimpfung. / dpa
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Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Impfen oder nicht impfen? Darüber streiten nun Experten ausgerechnet in Israel, jenem Land, das sich vor einem Jahr an die Spitze der weltweiten Impfstatistik spritzte. Auch die dritte Dosis, den sogenannten Booster, hatte Israel als erstes Land der Welt eingeführt, nachdem einheimische Experten festgestellt hatten, dass die Schutzwirkung der ersten Dosen mit der Zeit sinkt. Da verwundert es nicht, dass auch die Debatte um eine vierte Dosis in Israel früher einsetzte als anderswo.

Doch der breite Konsens, der dort in Experten- und Regierungskreisen bei vergangenen Impfrunden herrschte, ist verflogen. Während manche Politiker und Mediziner die vierte Dosis so schnell wie möglich verimpfen wollen, darunter Ministerpräsident Naftali Bennett, mahnen andere zur Vorsicht. Die Folgen machen sich in der Öffentlichkeit bemerkbar: Anders als bei früheren Impfkampagnen, bei denen die Entscheidungsträger klare, einheitliche Ansagen machten, senden sie derzeit widersprüchliche Botschaften an eine Gesellschaft, in der sich ohnehin erste Anzeichen von Impfmüdigkeit breitmachen.   

Auf wissenschaftliche Erkenntnisse warten

Am 21. Dezember hatte das von der Regierung eingesetzte Expertengremium empfohlen, eine vierte Dosis für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu genehmigen, sprich: für über 60-Jährige, Menschen mit Vorerkrankungen sowie medizinisches Personal. Bennett begrüßte die Entscheidung. „Das sind wundervolle Neuigkeiten“, sagte er, „die uns helfen werden, durch die Omikron-Welle zu kommen, die die Welt erfasst.“ Zunächst hieß es, die Kampagne zur Viertimpfung solle am 26. Dezember beginnen.

Doch daraus wurde nichts. Nachman Ash, Generaldirektor des Gesundheitsministeriums, stellte sich quer. Er habe auf Daten aus Großbritannien verwiesen, hieß es in israelischen Medien, die zeigten, dass Omikron durchschnittlich zu milderen Krankheitsverläufen führe als die Delta-Variante des Virus. Damit gebe es keinen zwingenden Grund mehr, die vierte Impfung einzuführen, ohne auf weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu warten.

Weitreichende Reiseverbote

Auch andere Gesundheitsexperten drücken auf die Bremse. Einige warnen, zu viele Impfdosen innerhalb kurzer Zeit könnten den gewünschten Effekt konterkarieren, nämlich das Immunsystem ermüden und damit die Fähigkeit des Körpers, eine Corona-Infektion zu bekämpfen, sogar schwächen.

„Ich respektiere die Meinung derjenigen, die sagen: Es ist besser auf der sicheren Seite zu sein, als später etwas zu bereuen“, sagte der israelische Epidemiologe Haggai Levine zur New York Times. „Aber vor der Verabreichung einer vierten Dosis ist es besser, auf die Wissenschaft zu warten.“

Obwohl Israels Regierung schnell auf die ersten Omikron-Fälle im Land reagierte und weitreichende Reiseverbote verhängte, darunter für Deutschland, hat sich diese neue, besonders ansteckende Variante des Virus auch dort rasch ausgebreitet. Zuletzt meldete das Gesundheitsministerium fast 3000 Neuinfektionen pro Tag, den höchsten Wert seit über zwei Monaten.

Studie zur vierten Dosis

Dennoch hat Israel den Start für die vierte Impfung auf unbekannte Zeit verschoben. Stattdessen hat das Sheba-Krankenhaus in Ramat Gan bei Tel Aviv Anfang dieser Woche mit einer Studie zur vierten Dosis begonnen, der ersten ihrer Art weltweit: 150 Mitarbeiter des Krankenhauses sollen das vierte Mal gegen Covid-19 geimpft werden. „Wir werden in der Studie überprüfen, wie sich die vierte Impfung auf die Anzahl der Antikörper und die Verhinderung einer Erkrankung auswirkt“, sagte Gili Regev-Jochai, die Direktorin der Abteilung für Infektionskrankheiten der Klinik.

Sollte sich die Regierung für eine breit angelegte Kampagne zur vierten Dosis entscheiden, wird sie einige Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die anfangs so hohe Impfbereitschaft der Israelis hat mit dem Fortschreiten der Pandemie nachgelassen, wie die Statistik des Gesundheitsministeriums zeigt: Zwar haben 63 Prozent der 9,4 Millionen Bürger die ersten beiden Impfdosen erhalten. Doch nur 45 Prozent haben sich den Booster abgeholt, der sechs Monate nach der zweiten Impfung nötig ist, um als vollständig immunisiert zu gelten.

Gut möglich, dass der Medizinprofessor Dror Mevorach, Leiter einer Corona-Abteilung im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem, für einen wachsenden Teil der Bevölkerung spricht, wenn er zur Vorsicht mahnt. „Dass wir bei der dritten Dosis führend waren“, schreibt er auf Twitter, „bedeutet nicht, dass wir eine vierte Impfung brauchen, ohne eine wissenschaftliche Basis dafür zu haben.“

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