Zensur in China - Und dann wird der Bildschirm schwarz

Obwohl Chinas Staatschef Xi Jinping nun bis an sein Lebensende regieren darf, sind die staatlichen Zensoren äußerst besorgt um das präsidiale Image. Dabei gerät ihre Arbeit sowohl unsauber als auch absurd. Ein Bericht aus einem Pekinger Hotelzimmer

Darf nicht „Winnie Puh“ genannt werden: Chinas Staatschef Xi Jinping
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Falk Hartig ist Sinologe und forscht an der Universität Frankfurt/Main zu Fragen der politischen Kommunikation.

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Montag früh in einem Pekinger Hotel. Zum Frühstück die Lektüre der beiden englischsprachigen Tageszeitungen Chinas. Beide, wie auch die chinesischsprachigen Medien, berichten auf der Titelseite von den Verfassungsänderungen, die der Nationale Volkskongress am Sonntag beschlossen hat. Wie nicht anders zu erwarten, wird die Aufhebung der Amtszeitbegrenzung für den Staatspräsidenten begrüßt und blumig unterstützt. 

Auch wenn man übers Wochenende diesbezüglich schon zahlreiche westliche Medien konsumiert hat und weiß, dass die Analysen dazu meist eher kritisch, teils sensationsheischend sind, zieht es den Nachrichten-Junkie doch vor den Fernseher, um zu sehen, wie am Morgen danach berichtet wird. Da man sich in einem guten Pekinger Hotel befindet, in dem auch viele Ausländer absteigen, gibt es im Hotel-Fernsehen nicht nur zahllose chinesische Sender, sondern unter anderem auch HBO, den National Geographic Channel, CNN und BBC. 

Die BBC wird abgestellt

Kurz nach 9 Uhr Ortszeit beginnt die Moderatorin der BBC World News über China, Xi Jinping und die Aufhebung der Amtszeit zu sprechen und man wundert sich zunächst. Denn vorher hatte man davon gelesen, dass die Bildschirme schwarz werden, sobald sich ein Bericht über Xi ankündigt. Aber die Moderatorin spricht, unter anderem von unbegrenzter Macht und der fast einstimmigen Entscheidung, und auch der Bericht des Peking-Korrespondenten der BBC beginnt ganz normal. Doch dann tun sie es tatsächlich und schalten die BBC ab. Einige Minuten lang sieht man nichts, dann ist der Bericht vorbei und das Bild wieder da. 

Zugegeben, das Blockieren bestimmter Inhalte oder ganzer Webseiten ist an sich nichts Neues in China, leider. Wenn man es allerdings selbst einmal erlebt, ist es doch faszinierend, vor allem weil es für den außenstehenden Betrachter absolut keinen Sinn ergibt und man sich nur fragt: Was, um alles in der Welt, ist Euer Problem? 

Dass man ein mögliches Interview der BBC mit dem Dalai Lama in Peking nicht sehen könnte, wäre nicht verwunderlich. Aber ein Bericht über Xi Jinping, den nun wirklich starken Mann in China? Wovor hat Peking da Angst? 

Drei Lehren über das Zensursystem

Davor, dass die BBC kritisch berichtet und nicht einstimmt in den positiven Chor chinesischer Medien? Davor, dass die Chinesen, die in „Ausländer“-Hotels absteigen, mit diesen negativen Informationen infiziert werden? Es kann nur eine hilflose Mischung aus beidem sein, die Einiges über das chinesische politische System verrät.

Erstens, chinesische Zensoren verstehen nicht, wie westliche Medien funktionieren, oder sie wollen es nicht verstehen. Während westliche Medien die Mächtigen kontrollieren sollen, haben chinesische Medien eine grundsätzlich andere Aufgabe: Sie sollen die Mächtigen unterstützen, indem sie deren Ansichten unters Volk bringen und das Volk im Sinne der Herrschenden erziehen. Und wer das nicht tut, muss scheinbar blockiert werden.

Zweitens, chinesische Zensoren scheinen ihre Zielgruppe nicht wirklich zu kennen. Die Chinesen, die in solchen Hotels die BBC einschalten, haben auch andere Möglichkeiten, sich zu informieren und nutzen diese; auch wenn es immer schwieriger wird, die Great Firewall zu überwinden.  

Drittens, chinesische Zensoren arbeiten unsauber. Während der Korrespondentenbericht kurz nach 9 Uhr nach einigen Sekunden abbricht, wird er im Laufe des Tages noch zweimal etwas länger gezeigt. Das Faszinierende dabei ist, dass die wichtigsten und somit kritischsten Aussagen bereits in der Anmoderation im Studio fallen und somit auch für alle Zuschauer in Peking vernehmbar sind. Zudem erfährt der interessierte Zuschauer am Vormittag auch dank des permanenten Laufbandes am unteren Bildschirmrand „China’s Xi allowed to remain ‚president for life‘ as term limits removed“. Schließlich findet sich ein geschriebener Bericht zum Thema auf der Website der BBC, die, anders als zum Beispiel die Seite der Deutschen Welle oder Radio Free Asia, nicht geblockt ist. Alles in allem also eher unsauber zensiert. 

Die Unsicherheit des Regimes

Während diese Punkte als kleinliche Medienkritik abgetan werden könnten, zeigt das Zensur-Vorgehen eine Sache, die zu denken gibt. Während sich Peking außerhalb seiner Grenzen anschickt, zur neuen Weltmacht aufzusteigen und sich global immer selbstbewusster als alternative Führungsmacht inszeniert, scheint die Führung daheim höchst sensibel und unglaublich nervös zu sein. Und diese Nervosität zeigt sich unter anderem darin, wie die Zensoren arbeiten. Teilweise nimmt deren Arbeit so skurrile Züge an, dass man lachen könnte, wenn es nicht so ernst wäre.

Als Ende Februar bekannt gegeben wurde, dass die Begrenzung der Amtszeit aufgehoben werden soll, wurde eine Liste mit verschiedenen Begriffen publik, die in Chinas sozialen Medien geblockt werden sollten, unter anderem „Wiederwahl“, „sich selbst zum Kaiser ausrufen“ und „Winnie Puh“. Dem Bären wird in Chinas sozialen Medien eine Ähnlichkeit mit Xi Jinping unterstellt und die Tatsache, dass Winnie hin und wieder an einem Honignapf kleben bleibt, weil er zu viel davon will, galt den Zensoren als Anspielung darauf, dass Xi seine Macht nicht aus den Händen geben will. 

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