Charles III: Der Konservative auf dem Thron - God save the King

Charles III. ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil seiner Mutter. Protokollarisch offener, gesellschaftspolitisch konservativer. Deshalb wird er mit Sicherheit ein politischerer König sein. Das birgt Risiken, aber auch Chancen. Im besten Fall wird Charles III. die globale gewichtige Stimme eines ökologisch und sozial verantwortlichen Konservatismus.

Ein Monarch, der auch richtig lachen kann / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Anzeige

Wir schreiben den 17. Juni 1963, als ein schüchterner junger Mann von 14 Jahren in einer Hotelbar in Stornoway auf der Isle of Lewis einen Cherry Brandy bestellt. Er hatte nie zuvor Alkohol getrunken. Nur seine Mutter hatte ihm einmal vor einer Jagd ein Glas Kirschwasser gegeben. Das bestellte er nun wieder. Es kostete ihn zwei Schilling und sechs Pence. Der junge Mann von damals ist seit Donnerstagabend König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie Staatsoberhaupt über 14 weitere Staaten, darunter Kanada, Australien und Neuseeland. Er steht vor der Herausforderung seines Lebens.

Keine Frage: Charles III. kann als einer der bestvorbereiteten und bestangelernten Monarchen aller Zeiten gelten. Nimmt man seine Ernennung zum Prince of Wales als Ausgangspunkt, dem traditionellen Titel britischer Thronfolger, so hat der König 64 Lehrjahre hinter sich. Eine Zeit, über die er selbst zum älteren Mann geworden ist.

Statement gegen den Jugendwahn

Unsere jugendbesessene Zeit giert naturgemäß nach einem jungen Monarchen. Doch Charles ist in einem doppelten Sinne alt, das macht ihn für viele zu einer Provokation. Dass der neue König schon 74 Jahre zählt, ist dabei vielleicht noch das geringere Problem. Schwerer wiegt aus Perspektive der Öffentlichkeit, dass Charles eigentlich nie jung war. Schon auf den Fotos seiner Jugend, erst recht aber aus seiner mittleren Lebenszeit, wirkte er eher immer ältlich. Das lag zum einen an der offensichtlichen Schüchternheit, die ihn unter seiner öffentlichen Rolle leiden ließ und ihn versteifte. Zum anderen legte Charles – man bedenke: vom Geburtsjahrgang ein Vertreter der 68er-Generation – nie erkennbaren Wert darauf, zeitgemäß oder gar modern zu sein. Das beginnt mit seiner Vorliebe für das aristokratische Landleben und abgetragene Wachsjacken und geht bis zu seinen Anzügen von Turnbull & Asser. Charles, das lässt sich mit Sicherheit sagen, ist ein Konservativer.

Aus diesem vermutlich eher ästhetisch getragenen denn ideologisch durchdachten Konservatismus hat Charles nie einen Hehl gemacht. Der neue König von Großbritannien hadert mit der Moderne. Wer sich in die Welt von Charles hineinversetzen möchte, der begebe sich nach Dorset in das Städtchen Poundbury – eine von Charles in Zusammenarbeit mit den luxemburgischen Städteplaner Léon Krier konzipierte Modellstadt. Hier herrscht traditionell dörfliche und neoklassizistische Ästhetik. Raumaufteilung, Straßenführung und Platzanordnung sind eine einzige Absage an moderne Stadtplanung. Zugleich versuchte man durch eine abwechslungsreiche Fassaden- und Formgestaltung den Eindruck des historisch Gewachsenen zu erwecken, ohne in Disney-Land-Kitsch abzugleiten. Niedergelegt hat er seine Idee von städtischem Leben und Architektur in seinem Buch „A Vision of Britain: A personal View of Architecture“.

Natur- und Umweltschützer vor der großen Welle

Das Bild von der Gedankenwelt des neuen britischen Königs rundet sich ab, wenn man es um sein Engagement für den Naturschutz ergänzt. Für Charles war Nachhaltigkeit immer ein konservatives Anliegen – das Bewahren und Pflegen der uns durch die Geschichte und vergangene Generationen überlassenen Natur. In Cornwall und auf seinem Landsitz Highgrove House produziert er seit Jahrzehnten ökologische Lebensmittel. Schon 1970, also zu einer Zeit, als das eigentlich kaum jemanden interessierte, warnte er vor der Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll. Zu diesem Engagement für Ökologie und Umweltschutz gehört auch, dass Charles – der in Cambridge immerhin kurzeitig Anthropologie studierte – sich sehr für die Lebensweise indigener Völker interessiert und für deren Schutz engagiert.

Anders als seine Mutter steht der neue König für klare gesellschaftspolitische Positionen, für einen, so könnte man zusammenfassen, sozialökologischen Konservatismus. Das macht ihn angreifbar. Wo seine Mutter schwieg, wird Charles nicht immer schweigen – oder man wird zumindest ahnen, was er denkt. Damit wird etwas eintreten, was bei Elisabeth II. undenkbar war: Politische Kritik des Monarchen.

Ein aneckender Monarch mit Stil 

Doch wenn man ehrlich ist, gibt es zu dieser Entwicklung keine Alternative. Die Zeiten, in denen sich ein Staatsoberhaupt in eine vollständige Neutralität flüchten konnte, sind vorbei. Und anders als sein Sohn, der zukünftige König William, der zu einer professionellen Geschmeidigkeit neigt, wird Charles III. ein aneckender König sein. Das birgt Gefahren für die Monarchie, aber auch Chancen. Denn allein als Millionen Steuergelder verschlingende Jet-Set-Familie, die Fotos und Skandälchen für das Boulevard produziert, werden sich auch die Windsors (eigentlich natürlich Sachsen-Coburger und Gothaer) nicht halten.

Eduard VII., der nach der langen und prägenden Regierungszeit Queen Victorias 1901 den britischen Thron bestieg, war das ganze Gegenteil eine Viktorianers, eher ein ausgesprochener Lebemann, der mit seiner Libertinage eine ganze Generation prägte – die Edwardianer. Auch Charles ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil seiner Mutter: Formal und protokollarisch offener und veränderungsbereiter (auf die Krönungsfeier darf man jetzt schon gespannt sein), politisch und gesellschaftlich sicher konservativer. Dass er einem Zeitalter seinen Stempel aufdrückt, darf man bezweifeln. Er könnte aber die respektierte konservative Stimme sein, die auf globaler Ebene so häufig fehlt. Allein das wäre eine wichtige Funktion. Und wer weiß: Vielleicht prägt Charles damit doch einen Stil. God save the King!

Anzeige