Bundeswehreinsätze im Ausland - Wieso eigentlich Mali?

Nach dem Absturz eines Bundeswehrhubschraubers in Mali und dem Tod zweier Soldaten stellt sich die Frage, wozu solche Auslandseinsätze eigentlich gut sind. Wird Deutschlands Sicherheit wirklich in den Krisenregionen dieser Welt verteidigt?

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch im Bundeswehrstützpunkt in Mali / picture alliance
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Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Als die Nachricht kam, dass ein Hubschrauber der Bundeswehr in Mali abgestürzt und dabei zwei Soldaten getötet worden seien, mögen sich viele gedacht haben: Ach, die Bundeswehr ist auch in Mali? Und warum nochmal? Welche sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands werden in diesem afrikanischen Land berührt?

Der in Großbritannien lehrende Politikwissenschaftler Maximilian Terhalle hat eine einfach Antwort gefunden. „Keine“, schrieb er und warf der Bundesregierung die „Aushöhlung strategischer Ausrichtung und Kapazitäten“ vor, weil sie Auslandseinsätze der Bundeswehr scheinbar wahllos und reaktiv wähle: „Ohne Benennung strategischer Relevanz wurde die Bundeswehr an den Hindukusch geschickt, aber nicht in den Irak. Berlin müht sich, den ohnehin minimalen Libyen-Einsatz herunterzuspielen, schickt aber inzwischen mehr als 1000 Mann in das deutlich weiter entfernte Mali.“

Strucks Ansage und ihre Folgen

Nun war es bisher allgemeines Verständnis, dass die Bundeswehr sowohl in Afghanistan als auch in Mali anfänglich vor allem deshalb eingesetzt wurde, weil es Bündnisbeziehungen zu beachten gab. In Afghanistan war sie wegen den USA und der Nato; in Mali wegen Frankreich und der europäischen Sicherheitskooperation. Beide Einsätze hatten also erst einmal weniger mit Afghanistan oder Mali zu tun, als mit den USA und Frankreich beziehungsweise der EU. 

Allerdings steht zwischen diesen Einsichten in die Bündnisbeziehungen Deutschlands der sperrige und deshalb auch häufig mit Kopfschütteln betrachtete Satz des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck, der mit Blick auf den Einsatz in Afghanistan sagte: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt, wenn sich dort Bedrohungen für unser Land wie im Fall international organisierter Terroristen formen.“ Dass Struck das nicht so meinte, versickerte in der Diskussion.

Übrig blieb von dem Satz nur, dass die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt werde. Das Konzept nationaler Sicherheit bestimmte damit die Bewertung. Somit stellte sich die Frage, in welcher Hinsicht Deutschlands Sicherheit durch den Einsatz verbessert wurde. Und auch für die Debatte um Mali bleibt diese Bürde bestehen.

Oberstes Ziel: Fluchtursachen bekämpfen

Jetzt hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Mali ganz ähnlich argumentiert. Dies eröffnet die Chance, die Bewertung aus dem Fokus rein nationaler Sicherheit in ein weiteres Verständnis zu ziehen. Und damit die dringend nötige Debatte um die europäische Sicherheitslage zu intensivieren, die erforderlich ist, um – insbesondere in Deutschland – die Legitimation für militärische Sicherheitsmaßnahmen anschaulicher zu machen. 

Denn die geht über die offiziellen Begründung für den Mali-Einsatz, wie ihn die Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt hat, hinaus. Im bisher letzten Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung der Mission wird aus sicherheitspolitischer Sicht argumentiert, dass die Stabilisierung Malis eine der zentralen Aufgaben für die Stabilisierung der Sahel-Region ist. Diese diene unter anderem dem hauptsächlichen Ziel der deutschen Afrikapolitik: strukturelle Ursachen von Flucht und Vertreibung zu beseitigen. Dass die Stabilisierung Nord- und Zentralafrikas im europäischen Interesse liegt und hierfür internationale Unterstützung organisiert werden soll, wurde zuletzt Afrika beim G20-Gipfel thematisiert.

Stabilität, Stabilität, Stabilität

Hierüber ging die Bundesverteidigungsministerin hinaus. Sie erklärte, dass die Stabilität Malis und der Sahel-Region Auswirkungen auf die Stabilität Deutschlands und Europas hat. Der ARD gegenüber sagte sie: „Wir wissen, dass der Erfolg der Friedensmission hier in Mali entscheidend ist für die Stabilität unserer Nachbarschaft und dass die Stabilisierung der europäischen Nachbarschaft Auswirkungen hat auf die Stabilisierung und Stabilität Deutschlands, aber auch Europas.“ 

Damit weist von der Leyen zu Recht darauf hin, dass die Stabilität Nordafrikas ohne eine stabile Sahel-Region nicht zu bewerkstelligen ist und im vitalen Interesse Deutschlands liegt. Doch allein ist das nicht möglich, da würde sich deutsche Sicherheitspolitik kräftig verheben. Das kann nur im Bündnis mit Frankreich, den USA und allen anderen Partnern gelingen – vielleicht sogar mit China und Russland. Auch darüber ist zu diskutieren, denn die Beziehungen zu beiden Machtzentren haben viele Facetten.

Gemeinsame Aufgabe der EU-Staaten

Die kurz aufgeflammte, jetzt aber schon wieder aus der Öffentlichkeit entschwundene Debatte über die Erhöhung der Sicherheitsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte genau in diese Richtung weitergeführt werden. Welche Leistungen haben die EU- und Nato-Staaten zu erfüllen, um die Sicherheit ihrer Mitglieder zu gewährleisten? Die Stabilisierung des europäischen Umfelds ist eines der ersten und vordinglichsten Interessen der europäischen Staaten und verbindet über die Flüchtlingsfrage die direkt betroffenen Staaten wie Italien mit den indirekt betroffenen wie Polen. Daraus könnte die Ausarbeitung strategischer Kapazitäten resultieren, die irgendwann die EU in die Lage versetzen kann, sich selbst zu verteidigen und ihre Nachbarschaft stabil zu halten.

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