Bundeswehr - Hurra, der Korporal ist da

Vom 1. Oktober an wird in der Bundeswehr ein neuer Mannschaftsdienstgrad eingeführt: der Korporal. Was wie eine Lappalie aussieht, ist ein Symbol für den Zustand der Truppe. Statt Ausrüstung, Kampfstärke und Motivation zu verbessern, jongliert man lieber mit Beamtenbesoldungsgruppen und verstaubten Dienstgraden.

Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A6 fährt durch das Truppenübungsgelände in Augustdorf / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Es gibt auch noch erfreuliche Meldungen aus dem Bendlerblock. Laut „Verordnung zur Änderung des Dienstrechts der Soldatinnen und Soldaten“ Paragraph 11 wird vom 1. Oktober an in der Bundeswehr ein neuer Dienstgrad eingeführt: der Korporal.

Der Korporal? Gibt es nichts Wichtigeres? Hat die Bundeswehr keine anderen Probleme? Haben die jüngsten Ereignisse in Afghanistan nicht wieder einmal gezeigt, dass die Bundeswehr dringend reformiert werden müsste? Dass sie ein neues Selbstverständnis braucht? Einen neuen Geist? Überarbeitete Einsatzrichtlinien? Eine andere Mentalität?

Aus der Mottenkiste der Geschichte

Das könnte man meinen. In der Bundeswehrführung ist man jedoch offensichtlich anderer Ansicht. Hier sorgt man sich um die Beamtenbesoldungsgruppen. Das lässt tief blicken. Und weil sich „Leistung wieder lohnen soll“, wie man gelernt hat ganz zeitgeistgemäß zu formulieren, hat man den Korporal aus der Mottenkiste der Geschichte geholt. Ziel ist die „Modernisierung der Laufbahnen“. Was konkret heißt: Neben dem einfachen Soldaten (respektive Schütze, Kanonier, Pionier et cetera), dem Gefreiten, Obergefreiten, Hauptgefreiten, Stabsgefreiten und Oberstabsgefreiten wird es in Zukunft den Korporal und den Stabskorporal als Mannschaftsdienstgrade geben. Die Dienstgradabzeichen sind noch nicht geklärt.

Beim „Korporal“ denkt der durchschnittliche Kinogänger fast zwangsläufig an die napoleonischen Kriege, an bunte Grenadiere und Füsiliere. Und tatsächlich wurde dieser Dienstrang in der preußischen Armee in den 1850er-Jahren abgeschafft. In der bayerischen Armee nach dem deutsch-französischen Krieg. Seitdem galt der Korporal in der deutschen Militärgeschichte als ausgestorben. Man braucht ihn nicht. Weder einsatztaktisch noch für die innere Gliederung. Ein Trupp wird in der Regel von einem dienstälteren Gefreiten (Haupt- oder Stabsgefreiten) geführt. Eine Gruppe von einem Unteroffizier. Korporale wurden hier bisher nicht vermisst.

Fehler und Peinlichkeiten

Aber das ist für die Bunderwehr vermutlich zu militärisch gedacht. Denn im Bendlerblock ebenso wie auf der Hardthöhe residieren vor allem Beamte in Uniform. Und das von Anfang an. Daher kann man die Geschichte der Bundeswehr ohne jede Polemik auch als einzige Geschichte der Fehler und Peinlichkeiten schreiben. Das ging schon bei der Vereidigung der ersten 101 Freiwilligen der damals noch namenlosen Armee am 12. November 1955 los, als ein Großteil der Anwesenden mangels Uniformen in Zivil antreten musste – nach fünf Jahren Vorlaufzeit.

So ging es im Grunde munter weiter. Eine Hauptwurzel vieler Übel, die die Bundeswehr bis heute prägen, ist die unselige Trennung zwischen Armee und der ihr übergeordneten zivilen Wehrverwaltung. Sie geht zurück auf Ernst Wirmer, Jurist, Mitarbeiter Adenauers und Ministerialbeamter, der dafür sorgte, dass sogar auf hohe Entscheidungsposten Zivilbeamte eingesetzt werden. Und wie immer, wenn dysfunktionale Strukturen gerechtfertigt werden sollen, musste die Ideologie herhalten. In diesem Fall hießen die Schlagworte „demokratische Armee“ und „Einbindung in die Zivilgesellschaft“.

Keine eigenen Besoldungsregeln

Ähnlich strukturiert wurde das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (früher Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung) mit 6.800 Dienstposten, davon 5.100 Zivilstellen nebst einer zivilen Führung. Es überrascht daher nicht, dass es auch keine eigenen Besoldungsregeln der Bundeswehr gibt, sondern diese den Besoldungstabellen für Bundesbeamte abgepasst wurden.

Leider nur sind die Ansprüche an Verwaltungsbeamte andere als an Unteroffiziere und Feldwebel. Das führte etwa dazu, dass man 1968 den Fachdienstoffizier einführte, um die Attraktivität der Unteroffizierslaufbahn zu erhöhen. Im Ergebnis saßen dann hocherfahrene 50-jährige Stabsfeldwebel als Neu-Leutnante neben ihren 20-jährigen Kameraden.

Militärisch sinnlos

Aus ähnlichem Holz geschnitzt ist nun der Korporal. Er ist militärisch sinnlos, entspricht in keiner Weise der deutschen Militärtradition (was aber vermutlich aus politischer Sicht für ihn spricht), sondern ist allein der Idee zu verdanken, eine neue Besoldungsstufe für Mannschaftsdienstgrade einzuführen. Bessere Bezahlung und Beförderungsaussichten hätte man allerdings auch anders umsetzen können.

So ist der Korporal Sinnbild für eine Bundeswehr, die letztlich nie militärisch strukturiert, ausgerüstet und eingesetzt wurde, sondern immer politisch. Die Gründe dafür sind allgemein bekannt. Doch 66 Jahre nach ihrer Gründung wäre es Zeit, umzudenken.

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