Ausrüstungsmangel bei der Bundeswehr - Nur 5000 Helme für die Ukraine? Mehr wäre gar nicht möglich

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will der Ukraine mit 5000 Schutzhelmen helfen. Das reicht bei weitem nicht aus. Doch Deutschland wäre gar nicht dazu in der Lage, auf die Schnelle mehr zu liefern. Denn der Bundeswehr fehlt es selbst an Schutzausrüstung.

Helme sind Mangelware: Der Bundeswehr fehlt es an Schutzausrüstung / dpa
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Waldemar Geiger war Offizier der Bundeswehr und ist Publisher der Onlinepublikation Soldat & Technik.

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Nachdem der ukrainische Botschafter bereits vor Tagen um Hilfe in Form von Schutzausrüstung gebeten hatte, kündigte die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch an, 5000 Helme an die Ukraine liefern zu wollen. Offenbar scheint nicht viel mehr als dieser symbolische Beitrag drin zu sein, ohne die Einsatzfähigkeit der kaputtgesparten Bundeswehr noch weiter zu gefährden.

Die politische Entscheidung der Ampelkoalition, unter keinen Umständen Waffen in Krisengebiete zu liefern und höchstens mit Schutzausrüstung zu unterstützen, ist den innerparteilichen Zwängen der Koalitionäre geschuldet. Die außenpolitische Problematik in dieser Entscheidung liegt weniger in der Art der Hilfen, die Deutschland anbieten kann – auch andere Nationen, wie beispielsweise Kanada, wollen nur mit Ausrüstung unterstützen –, sondern im Umfang.

Die Bundeswehr-Depots sind leer

Im Gegensatz zu den 1990er-Jahren verfügen die deutschen Streitkräfte über keine vollen Depots mehr, um in kürzester Zeit relevante Mengen an Ausrüstungsgegenständen zusammenzustellen und als Hilfslieferung an ein anderes Land zu liefern. Viel mehr als 5000 Helme eines Typs, der seit den 1990er-Jahren in der Bundeswehr genutzt wird und pro Helm einen Buchungswert von etwa 100 Euro hat, sind da einfach nicht möglich. Die Abgabe größerer Mengen würde wohl zwangsläufig dazu führen, dass die Ausrüstung erst in der Truppe eingesammelt werden müsste. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die nun gewährte Unterstützungsleistung an die Ukraine hat einen Gesamtwert von deutlich unter einer Million Euro.

Es ist auch nicht verwunderlich, dass dem ukrainischen Gesuch, mit Schutzwesten zu unterstützen, nicht entsprochen wurde. Schutzwesten sind absolute Mangelware in der Bundeswehr. Die Truppe muss hier noch immer das zu Recht in Verruf geratene „dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ praktizieren, um die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mit adäquaten Schutzwesten ausrüsten zu können.

Schutzwesten müssen zusammengesucht werden

So hat Soldat & Technik aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass bei der Evakuierungsoperation im Spätsommer die Fallschirmjäger nur deshalb so gut mit Schutzwesten ausgestattet waren, weil der Verband im Frühjahr den Auftrag hatte, Verstärkungskräfte für den deutschen Abzug aus Afghanistan bereitzuhalten. Genau für diese Aufgabe hatten sie spezielle Schutzausrüstung erhalten. Eigentlich sollten die Seedorfer Fallschirmjäger ihre Ausrüstung nach dem Abzug der letzten Kräfte aus Masar-e Scharif dann wieder abgeben. Nur weil dies noch nicht umgesetzt war, konnte die Truppe dann im August praktisch aus dem Stand gut gerüstet nach Kabul verlegen.

Mit anderen Worten: In der Bundeswehr sind derzeit nicht einmal alle Soldatinnen und Soldaten des Großverbandes, der das Motto „einsatzbereit, jederzeit, weltweit“ im Wappen trägt, mit der kompletten Schutzausrüstung ausgestattet. Man kann sich die Reaktion der Truppe vorstellen, wäre befohlen worden, Schutzwesten abzugeben, um diese in die Ukraine zu schicken. Unabhängig von der Gemütslage der Soldaten hätte dies auch massive Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.

Industrie könnte liefern, aber es wird nicht bestellt

Zwar wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Helme und Schutzwesten beschafft – aber nur in homöopathischen Dosen. Auch für die kommenden Jahre ist mit einem jährlichen Zulauf von wenigen Tausend Westen zu rechnen. Nicht etwa, weil die Industrie nicht mehr liefern könnte, sondern weil das Bundesverteidigungsministerium einfach nicht mehr bestellt hat. So sind die Produktionskapazitäten der Firmen in Deutschland, die den Zuschlag für die Lieferung erhalten haben, größer als die bestellte Menge. Dazu kommt noch das ungenutzte Potenzial der Unternehmen, die keinen Zuschlag bei der Ausschreibung erhalten haben.

Das lässt nur einen Schluss zu: Die Modernisierung der Bundeswehr im Bereich der persönlichen Ausrüstung, wozu Helme und Schutzwesten gehören, ist einfach nur ambitionslos. Wenn die Verantwortlichen wollten und Mittel zur Verfügung stellen würden, dann könnte man eine moderne Vollausstattung der Truppe in diesem Bereich – derzeit ist dies erst 2031 vorgesehen – deutlich schneller realisieren. Ist diese erreicht, hätte die Politik wieder die Option, Unterstützungsleistungen in nennenswerter Höhe anzubieten ohne die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu riskieren und müsste nicht nur bloße Symbolpolitik betreiben.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Soldat & Technik erschienen.

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