Australiens Premier Scott Morrison - Der David von Down Under

Australiens Premier Scott Morrison legt sich nicht nur mit Facebook und Google an, sondern sogar mit China – damit weckt der Hardliner im eigenen Land auch Unbehagen.

Die Australier nennen ihren Premier Scott Morrison „ScoMo“ / Alex Ellinghausen/Fairfax/Headpress/Laif
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Barbara Barkhausen arbeitet als Australien-Korrespondentin für TV-Sender, Radiosender und Zeitungen in Sydney. 

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Meist weiß der Rest der Welt nicht, wer in Australien gerade Regierungschef ist. Über Jahre hinweg hat das Land im Eiltempo seine Premierminister gewechselt – zwischenzeitlich waren es fünf in nur fünf Jahren. Seit 2018 ist Scott Morrison nun an der Spitze, ein leicht ergrauter Herr im dunklen Anzug, der sich auf den ersten Blick wenig von seinen Vorgängern zu unterscheiden scheint. 

Doch seit einigen Monaten hat sich Morrison Gehör in der Welt verschafft. Nicht, weil er rhetorisch so begnadet ist, sondern aufgrund der Haltung, die der 52-Jährige gegenüber den Mächtigen der Welt einnimmt: Wenn er sich China in den Weg stellt und sich mit Amerikas großen Techkonzernen anlegt, mutet dies wie der Kampf Davids gegen Goliath an.

„ScoMo“ der Underdog

Traditionell ist der Australier gerne „Underdog“, und auch Morrison bedient sich dieser Rhetorik. Nicht umsonst erzählt er häufig von seinem Vorfahren William Roberts, der im 18. Jahrhundert als Sträfling nach Australien kam. Morrison selbst ist sicher nicht der „Underdog“, der Roberts einst war. Als Wirtschaftsgeograf arbeitete „ScoMo“, wie die Australier ihn nennen, in der Tourismusindustrie, bevor er 2007 in die Politik ging. Dort bringt er sein Marketingwissen jedoch gern mit ein: Auf sozialen Medien bastelt er sich seit Jahren ein Image als guter Papa, treuer Ehemann und „Durchschnitts-Aussie“, indem er Hühnerställe und Weihnachtsdeko aufbaut und sich in Shorts zeigt. 

Irgendwo hinter der Fassade des netten Kerls von nebenan ist da aber auch noch das Kämpferische, über das die frühen Siedler in Australien einst verfügen mussten – im Positiven wie Negativen. Mit harschen Maßnahmen stoppte er als Einwanderungsminister die Schmuggler, die Flüchtlinge per Boot nach Australien brachten. Später legte er sich als Schatzmeister mit Amazon an, indem er eine 10-prozentige Mehrwertsteuer auf Auslandslieferungen einführte. 

Kumpel auf Konfrontationskurs

Als Premierminister geht Morrison nun wieder auf Konfrontationskurs mit den Mächtigen: Als Google sich Anfang des Jahres gegen ein neues Mediengesetz wehrte und damit drohte, seine Suchmaschine in Australien abzuschalten, verhandelte der Politiker kurzerhand mit Microsofts Konkurrenzangebot Bing. Google zwang er mit dieser Methode schnell zurück an den Verhandlungstisch. Auch ein mehrtägiger Medienblackout in Australien, mit dem Facebook seinem Ärger über das Gesetz Luft machte, verpuffte, nachdem Morrison sich um Unterstützung in Indien, Großbritannien, Frankreich und Kanada bemühte. 

Sogar China bietet er seit längerem die Stirn: So hat sich Australien – anders als die Europäische Union – in der jüngeren Vergangenheit nicht mit Kritik an Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang oder in Hongkong zurückgehalten. Morrison hat den chinesischen Telekommunikationsanbieter Huawei vom Aufbau des australischen 5G-Netzwerks ausgeschlossen und forsch eine unabhängige Untersuchung des Ursprungs der Corona-Pandemie gefordert. 

Mutiger Politiker oder Trampeltier?

Der australische Journalist Bill Birtles spricht vielen aus der Seele, wenn er das Verhalten der Regierung und insbesondere Morrisons als „mutig“, ja „geradezu historisch“ beschreibt. Der Journalist vom Rundfunksender ABC war einer der letzten australischen Korrespondenten in China. Er musste das Land im vergangenen Jahr Hals über Kopf verlassen, nachdem der chinesische Geheimdienst ihn plötzlich ins Visier genommen hatte. Die Schikane australischer Journalisten ist allerdings nur eine der Methoden Pekings, um Australien seinen wachsenden Unmut spüren zu lassen; Handelsbarrieren, offene Beleidigungen und Provokationen sind die anderen. 

Umfragen zeigen, dass das couragierte und selbstbewusste Verhalten des konservativen Politikers und strenggläubigen Christen beim australischen Volk gut ankommt. „Australier mögen es traditionell nicht, wenn ihre Regierung gemobbt wird“, schrieb ein Kommentator erst vor kurzem in der Australian Financial Review. Experten dagegen beobachten den Hardliner-Kurs Morrisons mit gemischten Gefühlen. Der Strategieexperte Hugh White meldet regelmäßig die Sorge an, dass ein Krieg mit China nur vermieden werden könne, wenn der Westen und in diesem Fall Morrison den richtigen Umgang mit der Volksrepublik fänden.

Auch Neuseelands Handelsminister Damien O’Connor forderte den Nachbarn ungewöhnlich direkt auf, doch „etwas diplomatischer“ mit China umzugehen, „vorsichtiger zu formulieren“ und mehr „Respekt“ zu zeigen. Doch Diplomatie ist nicht Morrisons Stärke. Vielmehr geht er mit der gleichen Waghalsigkeit vor, mit der David in der biblischen Geschichte einst gegen Goliath loszog. Bei Amerikas Techgiganten ging seine Strategie auf – im Falle von China ist der Ausgang jedoch äußerst ungewiss.
 

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