Streit über Atomabkommen mit Iran - Warum der klügere Weg nicht der beste sein muss

Im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran zwischen USA und EU setzt US-Außenminister Mike Pompeo offenbar sein ganzes politisches Gewicht ein. Doch die EU-Staaten wollen dem Iran weiter entgegenkommen. Ist das wirklich in ihrem Interesse?

Was hat US-Außenminister Mike Pompeo den EU-Außenministern mitgebracht? / picture alliane
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Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat sich in den vergangenen Tagen durch Sanktionsverschärfung, Truppenverlegung und undurchschaubare Anschläge auf Schiffe drastisch verschärft. In Europa wurde sogar vor einem Krieg gewarnt. Das soll den amerikanischen Außenminister Mike Pompeo veranlasst haben, seinen Besuch in Russland zu verkürzen, um mit den Außenministern Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands, sowie der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zu sprechen. Er muss brisante Nachrichten mitgebracht haben, über die aber bisher nichts bekannt wurde. Zu vermuten ist, dass Pompeo mit neuen Informationen versucht, die europäischen Staaten hinter der harten amerikanischen Haltung zu versammeln. Das neue Wissen muss derart drängend sein, dass er sein ganzes politisches Gewicht dahinter legen wollte. Angesichts des europäischen Widerstands gegen die amerikanische Eskalation der Lage, kann dies allerdings keinen baldigen Erfolg versprechen.

USA für mehr, EU für weniger Druck auf Iran

Die USA wollen den Iran unter maximalen Druck setzen. Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton streben auf diesem Weg offensichtlich einen Regimewechsel an. Präsident Donald Trump ist unentschiedener. Die EU-Staaten hingegen wollen den Iran in einen engeren wirtschaftlichen Austausch einbinden. Sie wollen den Druck aus den Beziehungen nehmen. Das ist die widerstreitende Interessenlage im Westen. 

Nachdem die USA vor einem Jahr aus dem Nuklearvertrag ausgestiegen sind und die Sanktionen gegen den Iran wieder einsetzten, haben sie diese nunmehr weiter verschärft und alle Ausnahmen zum Kauf iranischen Öls gestrichen. Gleichzeitig wurden die Revolutionsgarden als terroristische Gruppe eingestuft. Der Iran wiederum verfügte, dass alle amerikanischen Soldaten in der Region des Mittleren Ostens als Terroristen zu gelten haben und zog sich aus Teilen des Nuklearvertrags zurück. Zuerst soll mehr radioaktives Material im Land verbleiben und nach zwei Monaten – sofern sich an der Lage nichts ändert – stärker angereichert werden. Die EU-Staaten wollen weiterhin versuchen, die amerikanischen Sanktionen zu umgehen

Die schlechteste und die beste Option

Was sind die Optionen in dieser Situation? Das schlechteste und ebenso das beste Szenario können als äußerst unwahrscheinlich angesehen werden. Die schlechteste Variante wäre, dass die USA die Entscheidung zum Krieg schon getroffen haben und nun – wie vor dem Irakkrieg 2003 – die Verbündeten für den Waffengang suchen. Das Eskalationsstreben von Trumps Beratern ist der Hauptgrund für diese Sorge. Das passt aber nicht in die politische Logik von Präsident Trumps Kampagne zur Wiederwahl 2020 und steht gegen seinen Versuch, mit dem Iran in Verhandlungen einzutreten. Dieser war zwar von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil Trump nicht auf der Basis des bisherigen Vertrages verhandeln will, aber immerhin zeigte er sich gesprächsbereiter als seine außenpolitischen Scharfmacher Bolton und Pompeo. 

Die beste Variante ist ebenso äußerst unwahrscheinlich. Sie stellte sich ein, wenn die Vertragsparteien zusammenkommen und die anstehenden Probleme – nicht nur die USA, sondern auch die EU-Staaten sind über Teherans aggressive Außenpolitik und das Raketenprogramm in Sorge – miteinander besprechen würden. Aber die Lage ist derzeit zu verfahren, die Eskalationen auf beiden Seiten zu verhärtet, als dass dies noch ohne größere Disruption in der internationalen Politik gelingen kann. Wird sich der Iran in Syrien, Irak und Jemen zurückhalten? Werden sich die USA für die Wiedereingliederung des Iran in die Weltwirtschaft einsetzen? Beides muss derzeit bezweifelt werden.

Drei Szenarien bleiben

Erstens kann es über Jahre eine Eskalation in Zeitlupe geben, in der beide Seiten die Daumenschrauben gerade so stark anziehen, dass der Schmerz noch auszuhalten ist, aber parallel bestrebt sind, die Unterstützung dritter Staaten zu erhalten. Es wäre eine hybride Kriegslage, in der wirtschaftliche Sanktionen, militärische Drohungen und subversive Maßnahmen parallel eingesetzt werden. Beide Seiten aber würden bestrebt sein, nur soviel Gewalt einzusetzen, dass der anderen Seite der Eintritt in eine offene Auseinandersetzung nicht eröffnet wird. Das wäre ein kräftiger Keil, der jahrelang ins transatlantische Verhältnis getrieben werden könnte.

Zweitens könnte aus einer unbedachten oder perfide provozierten Entwicklung eine Situation entstehen, in der beide Seiten in einen militärischen Konflikt geschleudert werden, weil die Hardliner ihre Präsidenten dazu aufstellten. Das ist die Gefahr, die der britische Außenminister Jeremy Hunt zu Recht angesprochen hat. In dieser Lage würde das Heft des Handels an diejenigen gehen, die eine immer riskantere Entwicklung anstoßen. Dabei kann es leicht geschehen, dass die Kontrolle darüber verloren geht.

Drittens könnten subversive Entwicklungen im Iran die Lage des Landes abseits einer militärischen Konfrontation vor die Frage stellen, wie die politische Ordnung gehalten werden kann. Da die Stabilisierung der Herrschaftsstrukturen in Teheran das erste Interesse des Regimes ist (wie dies für andere Regierungsformen nicht minder gilt), wäre diese Entwicklung mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Es wäre zudem nicht auf den Iran konzentriert, sondern würde über dessen Ausgriffe auch den Irak, Syrien und den Jemen direkt einbeziehen. 

Das Dilemma der EU-Staaten

Die Maßnahmen der USA haben bisher nicht den gewünschten strategischen Erfolg gezeigt. Im Gegenteil: Jetzt haben der Iran und seine losen Verbündeten – Russland vorneweg – ein Mittel, die politischen Gräben zwischen den USA und der EU weiter aufzureißen. Dass beide Seiten des Westens, die USA und die EU, ihre vitalen Interessen so unterschiedlich bewerten, kann sie in eine äußerst schwierige Lage führen. Das gilt sowohl für den Fall, dass die derzeitigen Spannungen zu Gewaltmaßnahmen führen als auch für eine längerfristige Perspektive einer iranpolitischen Entfremdung im transatlantischen Bündnis. Die politischen und wirtschaftlichen Schäden könnten größer sein, als sich das beide Seiten derzeit vorstellen. 

Deshalb sollte die Frage gründlich diskutiert werden, ob es im existentiellen Interesse der handlungsschwachen EU-Staaten ist, dass sie versuchen, ihre Iranpolitik gegen die handlungsmächtigen USA durchzusetzen. Abgesehen davon, dass dies zum Scheitern verurteilt wäre, würde es das transatlantische Verhältnis weiter verschlechtern. Werden die Beziehungen zu den USA als weniger existentiell eingestuft?  Richtig ist, dass die EU-Staaten mit ihrer Position, den Vertrag retten zu wollen, inhaltlich eine klügere Außenpolitik vorschlagen als die amerikanische Regierung. Noch richtiger ist, dass sie von allen militärischen Maßnahmen lautstark abraten. Aber sie sind ohne Handlungsrepertoire. Deshalb müssen sie aufpassen, dass sie nicht in die Lage desjenigen kommen, auf dessen Grabstein geschrieben steht: „Aber er war im Recht!“ 
 

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