Die Aserbaidschan-Connection - Willige Helfer eines Diktators

Die Maskenaffäre hat auch ein Licht auf die „Aserbaidschan-Connection" geworfen. Schon seit Jahren werden Bundestagsabgeordnete von Aserbaidschans Präsident llham Aliyev umworben. Den lässt der Skandal kalt. Er sonnt sich lieber im Erfolg seines militärischen Sieges in Bergkarabach.

Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev feiert sich für den militärischen Sieg in Bergkarabach / dpa
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Edda Schlager arbeitet als Korrespondentin in Zentralasien.

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Dass in Deutschland mehrere Politiker über Korruptionsvorwürfe gestolpert sind, die sie als willige Helfer eines der mächtigsten Despoten am Rande Europas aussehen lassen, bekommt die Öffentlichkeit in Aserbaidschan kaum mit: „Ich habe erst über Freunde in Deutschland erfahren, dass man das dort gerade diskutiert“, sagt Ramin Mammadov*, ein Enddreißiger, der als Finanzanalyst für eine Bank in der Hauptstadt Baku arbeitet. „Warum aber beschäftigt sich Deutschland ausgerechnet jetzt mit diesen Vorgängen?“, fragt sich Mammadov. „Dass die erste Familie ausländische Politiker besticht, ist seit Jahren bekannt. Hier interessiert das niemanden mehr.“

„Die erste Familie“ nennen Aserbaidschaner den Aliyev-Clan, um nicht den Namen von Präsident Ilham Aliyev aussprechen zu müssen. Der ist seit 2003 Staatschef von Aserbaidschan und politischer Erbe seines charismatischen Vaters: Heydar Aliyev etablierte in 20 Jahren Herrschaft nicht nur einen Personenkult, sondern auch jenes Ölimperium, aus dem die Familie bis heute ihr milliardenschweres Vermögen schöpft. Den politischen Visionen des Vaters konnte der oft unbeholfen wirkende Ilham zwar nie das Wasser reichen. Er festigte aber den Ruf der Familie als eines der korruptesten und repressivsten Diktatoren-Clans weltweit. Präsidentengattin Mehriban Aliyeva wurde 2017 Vizepräsidentin von Aserbaidschan, weitere Verwandte besetzen politische Schlüsselpositionen. 

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Offensichtliche Korruption

Nun ist Aserbaidschan – zehn Millionen Einwohner, im Südkaukasus am Kas­pischen Meer gelegen – Kulisse für einen Korruptionsskandal, der schon einige Opfer im Bundestag forderte. Mindestens seit Anfang der 2010er Jahre hat das Regime in Aserbaidschan deutsche Politiker für Lobbydienste bezahlt. Gegen CDU-Mann Axel Fischer wird ermittelt, Mark Hauptmann von der Thüringer CDU legte Mitte März sein Mandat aufgrund dubioser Kontakte nach Aserbaidschan nieder.

In aserbaidschanischen Medien sind die Korruptionsvorwürfe in Deutschland kein Thema. Regimekritiker, die so etwas in Richtung des Präsidenten adressieren könnten, sind ohnehin seit Jahren mundtot. Auch der Journalist Tural Sadigli musste aus Aserbaidschan fliehen. Das Regime sucht per Interpol nach ihm, fordert seine Auslieferung. Aus dem Exil in Deutschland heraus betreibt Sadigli das Onlineportal und den Youtube-­Kanal Azad Söz, bietet alternative Informationen, wie er sagt. „Die übliche Reaktion unserer Medien auf negative Berichte über Aserbaidschan im Ausland ist, diese als Schmutzkampagne zu diskreditieren“, erzählt Sadigli. Doch jetzt geschehe nicht einmal das: „Ich habe bisher keinerlei Reaktion aus der Regierung auf die jüngsten Fälle mit deutschen Abgeordneten gesehen.“

Sieg in Bergkarabach

Aliyev sitzt derzeit so fest im Sattel wie seit langem nicht; beim Volk ist der Präsident zwar immer unbeliebt gewesen. Durch den Sieg in Bergkarabach ist seine Popularität jedoch enorm gestiegen. Im November 2020 hatte Aserbaidschan nach einem kurzen Krieg gegen Armenien die Region Bergkarabach erobert; der Konflikt hatte zuvor Jahrzehnte geschwelt. Nach dem ersten Berg­karabachkrieg Anfang der neunziger Jahre war das Gebiet Armenien zugeschlagen worden. Den Groll darüber hegten fast alle Aserbaidschaner – Regimekritiker wie -anhänger gleichermaßen. 
„Aliyev hat sich während des Krieges als Ali Bas Komutan, als mächtiger Oberbefehlshaber, aufgeführt, wie einst Stalin“, sagt Matthew Kasper, Herausgeber von Meydan TV, einem in Berlin produzierten Exilmedium. „Dabei hat er Führungsstärke und Volksnähe gezeigt – oder diese zumindest gut inszeniert.“

Auch Analyst Mammadov ist über die neue Nahbarkeit Aliyevs überrascht: „Bis zum Krieg hatte er sich fast nie öffentlich oder frei sprechend geäußert. Jetzt erscheint er rhetorisch sicherer, emotionaler, zugänglicher.“ Möglicherweise, so hofft Mammadov, vollzieht sich bei Aliyev derzeit ein Strategiewechsel. So greife er zunehmend auf junge, gut ausgebildete Technokraten als Berater zurück – etwa den Außenpolitikexperten Hikmet Hajiyev oder Elchin Amirbayov, Ex-Botschafter in der Schweiz. „Vielleicht können sie ja die Probleme angehen“, hofft Mammadov, „denn trotz der Euphorie nach dem Krieg besteht die Korruption im Land, fehlt es an Arbeitsplätzen, sind wirtschaftliche Reformen dringend nötig.“

Anders als Putin oder Erdogan hat Aliyev keinen besonderen geopolitischen Gestaltungsdrang. Ihm ist vor allem sein Image wichtig, das Land soll als stabiler Partner für Wirtschaftsabkommen gelten. An der Macht hält er fest, um den Reichtum der Familie zu sichern – das ist auch immer der Antrieb für Deals mit deutschen Politikern gewesen. Politischen Einfluss in Europa oder Deutschland strebt er aber nicht an. „Im Prinzip will Aliyev einfach nur in Ruhe gelassen werden“, lautet Matthew Kaspers Fazit.

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.
 

 

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