Austritt der USA aus Uno-Menschenrechtsrat - Federstrich für Trump, Katastrophe für Europa

Die USA haben den Menschenrechtsrat der UNO eine „Jauchegrube“ genannt und ihn verlassen. Die Glaubwürdigkeit des Gremiums ist umstritten. Aber Donald Trump schadet internationale Organisationen mutwillig. Europa muss seine internationale Rolle neu definieren

Menschenrechtsrat der UNo: Der Austritt der USA ist ein Muster ihrer Außenpolitik / picture alliance
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Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Ob es richtig war, dass die USA den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) verlassen haben, darüber kann man trefflich streiten. Zusammen mit China und Saudi-Arabien die Einhaltung der Menschenrechte weltweit zu überwachen, ist ungefähr so glaubwürdig wie Milchwerbung mit Keith Richards. Es kann also gute Gründe geben, diesem Gremium den Rücken zu kehren, in das sich die USA sowieso erst unter Präsident Barack Obama wählen ließen und in dem sie von 2009 bis 2015 und wieder ab 2016 Mitglied waren. 

Schon 2006, als der Menschenrechtsrat durch die Generalversammlung der UN eingerichtet wurde, stimmten die USA – mit wenigen anderen Staaten – gegen dessen Einsetzung, weil aus Sicht der Regierung von George W. Bush nicht ausreichend geregelt war, wer dort Mitglied werden kann. Während die einen also argumentieren, es sei besser, in einem unvollkommenen Gremium für die Verbesserung der Menschenrechtslage zu wirken, kontern andere, dass die Teilnahme durch die USA dem Gremium eine Legitimation verleiht, die es nicht verdient hat. 

Ein Muster US-amerikanischer Außenpolitik unter Trump

Nun verliert der UNHCR mit dem Austritt der USA seine Legitimation nicht vollends; andere einflussreiche Länder wie die Schweiz, Belgien, Deutschland, Kroatien, Großbritannien, Spanien, Australien, Brasilien, Japan und Südkorea arbeiten derzeit in diesem Gremium mit. Auch mit den USA war er nicht die Menschenrechtsregierung der Welt. Insofern hält sich der Schaden in Grenzen, wenn nicht, ja, wenn sich dies inzwischen nicht als Muster amerikanischer Außenpolitik ablesen ließe.

Die USA unter Präsident Donald Trump schaden internationalen Organisationen und multilateralen Verfahren willentlich, wo immer diese nicht zum Nutzen eines sehr eng definierten nationalem Interesse des Landes handeln. Trumps Vorstellung von nationalen Interessen ist allerdings so eng, dass der Schaden am Ende auf die USA zurückschlagen wird. Denn auch die USA sind vom internationalem Austausch und verlässlichen Beziehungen abhängig. Diese untergräbt Trump derzeit, sehr zum Missfallen der amerikanischen Wirtschaft und Berufsdiplomatie. Trumps Pochen auf einseitigen Vorteilen untergräbt schon mittelfristig auch die Grundlagen amerikanischen Wohlstands. Die Frage ist, wie lange es dauert, bis dies offensichtlich wird und wie viel internationale Abstimmung bis dahin noch – wie heißt es bei den Modewortsprechern so schön – disruptiv bearbeitet werden kann. 

Eine Katastrophe für Europa

Schon die Aufkündigung des Transpazifischen Handelsabkommens (TPP), das anders als TTIP ausverhandelt war, entpuppte sich als Amtsantrittsgeschenk an China. TTIP, das die USA nicht weiterverfolgen, wäre ein Rahmen gewesen, alle Zollfragen zu verhandeln, die jetzt in einen protektionistischen Teufelskreis führen können. Die Nato erklärte Trump schon für obsolet, nur um dann sein Urteil zu revidieren. Aber wer weiß, welche neue Wendung sein Urteil nimmt, wenn die Verteidigungshaushalte in einigen EU-Staaten nicht deutlich gesteigert werden? So wie die Manöver mit Südkorea auf einmal zu teuer waren, um weitergeführt zu werden, kann dasselbe Schicksal auch die Zusammenarbeit mit den Nato-Truppen in Europa treffen. M

it der Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens und mit dem Ausstieg aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran, beide Male gegen massive Lobbyarbeit der europäischen Verbündeten in Washington, hat Präsident Trump deutlich unter Beweis gestellt, dass die Interessen der EU-Staaten für ihn keine Rolle spielen. Da fällt der Austritt aus einer anderen UN-Organisation, der Unesco Ende 2017, schon gar nicht mehr ins Gewicht. Übrigens ist ein Argument beim Austritt aus Unesco und UNHCR identisch: beide hätten anti-israelische Haltungen, konstatiert die Trump-Regierung.

Für Präsident Trump ist das jeweils ein Federstrich. Für seine Wähler ist das die richtige Politik, weil es amerikanische Steuern einspart. Für seine Partei aber ist es ein Albtraum, in dem sie sich aber inzwischen eingerichtet hat. Denn bis zum Aufstieg Trumps standen die Republikaner für Freihandel und gemeinsame Sicherheit im transatlantischen Bündnis. Das geben die Abgeordneten jetzt auf, um wiedergewählt zu werden. Denn wer gegen Trump ist, fliegt in den republikanischen Vorwahlen raus. Und für Europa ist es eine Katastrophe, die mangels eigener Fähigkeiten ertragen werden muss. Die USA wollen eben nicht mehr Weltpolizist sein, hat Präsident Trump erklärt. 

Das müsste für alle europäischen Kritiker US-amerikanischer Außenpolitik eigentlich eine gute Nachricht sein. Ist es aber nicht. Denn die USA verlassen die internationalen Organisationen und Abkommen ja nicht, weil es ihnen an Fähigkeiten und Geld mangelt, sondern weil sie es ohne sofort sichtbaren Schaden umsetzen können. Schwächere Staaten benötigen solche internationalen Organisationen aber, um internationalen Einfluss ausüben zu können oder zumindest eine vernehmbare Stimme zu haben. Die USA werden auch ohne diesen Resonanzboden gehört.

Die internationale Ordnung richtet sich neu aus

Die US-amerikanische Regierung ist nicht mehr bereit, internationale Führung auszuüben, wenn sie dafür nicht entlohnt wird. Aus ihrer Weltsicht sind die USA von Trittbrettfahrern (allen voran Deutschland) und Trickbetrügern (allen voran China) umgeben. Warum sollen sie für diese Staaten Leistungen erbringen? Allerdings wäre es falsch anzunehmen, dass nur Präsident Trump dies so sieht. Seine Sicht der Welt prägt inzwischen die amerikanische Debatte und hat sie deutlich in diese Richtung bewegt. Das ist, anders als einige Beobachter hoffen oder fürchten, kein Isolationismus. Überall da, wo die USA Interessen haben, werden sie diese verfolgen. Aber sie definieren ihre Interessen deutlich enger. Jedenfalls derzeit.

Denn sobald sichtbar wird, dass die Unterbrechung internationaler Produktionsketten Arbeitsplätze in den USA kostet und den Konsum verteuert, werden auch die USA ihre Interessen wieder breiter auslegen. Doch läuft die amerikanische Wirtschaft derzeit so gut, dass es noch einige Zeit dauern kann, bis es dazu kommt. Und wenn absehbar ist, dass es im Machtkampf mit China vorteilhaft ist, verlässliche Verbündete zu haben, werden die USA wieder auf deren Interessen Rücksicht nehmen wollen. Aber wer weiß, wohin sie Trump bis dahin getrieben hat. 

Die USA definieren derzeit ihre internationalen Rollen neu. Da hilft eine Metapher aus dem Theater: Da die USA eine der Hauptrollen im Mit- und Gegeneinander der Staatenwelt spielen, müssen die anderen Staaten, besonders die Verbündeten, feststellen, dass ihre Textpassagen nicht mehr passen. Da sprechen die Nebenrollen noch von der multilateralen Kooperation, während der Hauptdarsteller den Monolog des brachialen Bilateralismus vorträgt. Jetzt rangeln alle Staaten darum, wer seine Dialoge umschreiben muss. Nach Lage der Machtverteilung werden das die Verbündeten der USA sein. Die internationale Ordnung richtet sich neu aus. Turbulente Zeiten liegen vor uns, wenn daraus die falschen Schlüsse gezogen werden. 

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