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() Wie sicher sind die Pronosen über den Klimawandel wirklich?
Überhitzte Prognosen

Die Temperaturen steigen, die Klimakatastrophe droht, und das CO2 ist daran schuld.

Eines möchte ich von Anfang an klarstellen: Nach allen bisher vorliegenden Befunden ist die globale Erwärmung kein Grund zur Beunruhigung. Das widerspricht wahrscheinlich allem, was Sie in den vergangenen zwanzig Jahren gehört haben – und zwar immer in Verbindung mit der Behauptung, da seien sich alle Wissenschaftler einig. Wahr ist, dass wir nicht einmal darüber diskutieren, ob unsere Treibhausgasemissionen irgendwie zur globalen Erwärmung beitragen. Das tun sie mit ziemlicher Sicherheit, aber der Beitrag dürfte sehr gering sein. Man kann wohl kaum die Ansicht vertreten, dass der kleine, unregelmäßige Temperaturanstieg während der vergangenen rund hundert Jahre von besonderen Entbehrungen begleitet war. Es war ganz allgemein eine Zeit, in der sich der materielle Wohlstand in großen Teilen der Welt beispiellos verbessert hat. In Indien sind Hungersnöte heute trotz der gewaltig angewachsenen Bevölkerung nicht mehr die Regel. Das Bevölkerungswachstum selbst ist bereits ein Indiz für verbesserte Lebensbedingungen, und das trotz aller Bedenken, die es bei manchen Leuten geweckt hat (man denke nur an die Voraussagen des Club of Rome in den siebziger Jahren, wonach es in den achtziger Jahren eine Hungersnot geben sollte). In den Industriestaaten war es auch eine Phase der ungeheuren Verbesserungen bei den Umweltstandards. Die heutige Unruhe hat ihre Ursachen zum größten Teil in mangelnden Kenntnissen darüber, was bei Wetter und Klima normal ist. Extreme Wetterphänomene gibt es immer, und nach Angaben zahlreicher Institutionen vom National Hurricane Center der USA bis zum IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, populär auch „Weltklimarat“ genannt) gibt es keine Anhaltspunkte, dass sie systematisch zugenommen hätten. Außerhalb der Tropen sagt die Theorie für eine wärmere Welt sogar eine Abnahme der Schwankungen voraus. Was die Tropen angeht, gibt es Meinungsverschiedenheiten, aber alle meteorologischen Organisationen sind sich einig, dass man auf keinen Fall den Menschen für einzelne Hurrikane verantwortlich machen kann. Neuere Arbeiten legen sogar die Vermutung nahe, dass Wirbelstürme in einer wärmeren Welt schwächer wären. Der Meeresspiegel steigt seit dem Ende der vergangenen Eiszeit, wobei der Anstieg vor ungefähr 12000 Jahren am schnellsten war. In den vergangenen Jahrzehnten lag er den Befunden zufolge in der Größenordnung von einem bis zwei Millimeter im Jahr. In Wirklichkeit lässt er sich nur schwer genau messen, denn ein solcher Anstieg ist das, was nach Abzug viel größerer lokaler Schwankungen übrig bleibt. Von der globalen Erwärmung geht also eine geringere Gefahr aus als von anderen (vor allem tektonischen) Verschiebungen. Die Auswirkungen der Erwärmung auf Krankheiten erscheinen im besten Fall zweifelhaft. Von Insekten übertragene Seuchen wie die Malaria sind weniger von der Temperatur abhängig als vielmehr von Armut und mangelnder medizinischer Versorgung – insbesondere nachdem das DDT aus dem Arsenal verschwunden ist. Noch vor nicht allzu langer Zeit war die Malaria auch in Sibirien und Michigan verbreitet. Kälte ist in der Regel gefährlicher und nach Lieblingswohnorten von Pensionären zu urteilen auch weniger angenehm. Die armen, hungernden und verzweifelten Eisbären sagen über die gewaltige Wirkung einprägsamer Bilder mehr aus als über die Realität. Al Gore musste in seinem oscarprämierten Film „Eine unbequeme Wahrheit“ auf Animationen zurückgreifen. Das vielfach nachgedruckte Foto mit Eisbären, die scheinbar auf einer Eisscholle gestrandet waren, wurde vor mehreren Jahren von einem Fotografen aus etwa 30 Metern Entfernung aufgenommen (wobei man bedenken sollte, dass Eisbären bis zu 100 Kilometer weit schwimmen können). Vor allem aber haben die Eisbären auch die dreißiger Jahre des 20.Jahrhunderts überlebt, und damals war es in der Arktis viel wärmer als in letzter Zeit; in den vergangenen 65 Jahren ist ihre Zahl wegen den Jagdbeschränkungen um ein Mehrfaches angestiegen. Sämtliche Untersuchungen zu den Auswirkungen des Klimawandels gehen von einer langen Kette von Voraussetzungen aus, und es besteht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Folgen dieser Kette richtig vorausgesagt werden. Dass beängstigende Folgen genannt werden, liegt vor allem daran, dass die Modelle im Großen und Ganzen keine eindeutige Antwort geben können. Bei den 19 Modellen, die von der IPCC benutzt werden, reichen beispielsweise die Voraussagen für den Rückgang des Meereises bis 2100 von hundert Prozent bis zehn Prozent. Damit haben wir eine große Auswahl, wenn wir uns Folgen ausmalen wollen, aber schon an der Schwankungsbreite selbst kann man ablesen, dass die Modelle sehr unzuverlässig sind. Insbesondere aber hat die Kette ein bestimmtes Glied, dessen Bruch sämtliche Voraussagen über Auswirkungen zur Makulatur macht. Alle Szenarien gehen davon aus, dass das Klima empfindlich auf den vorausgesagten Anstieg der Treibhausgase reagiert. Al Gore vertritt in „Eine unbequeme Wahrheit“ eine Argumentation, die nach seiner Auffassung jedem Kleinkind einleuchten sollte. Zunächst zeigt er in einem Diagramm den Verlauf von Temperatur und Kohlendioxidmenge während der vergangenen 650000 Jahre, wie man ihn aus den Eisbohrkernen der Wostok-Forschungsstation in der Antarktis ableiten kann. Er stellt fest, dass Temperatur und Kohlendioxid gemeinsam schwanken, und deshalb wird das Kohlendioxid als Triebkraft des Klimas ins Spiel gebracht. Damit verletzt er zunächst die wissenschaftliche Grundregel, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist. Er übergeht aber auch die Einzelheiten der Grafik, die er zeigt: Daraus geht hervor, dass die Temperaturen in den vier vorausgegangenen Wärmeperioden höher waren als heute, obwohl der CO2-Gehalt der Atmosphäre niedriger lag. Er übersieht, dass die Temperaturen offenbar viel früher gesunken sind als der CO2-Gehalt (und er übergeht die Befunde aus detaillierteren Studien, wonach die Temperatur auch früher anstieg). Und schließlich nimmt er nicht zur Kenntnis, dass die Veränderungen des CO2-Gehalts, die sich mit den Zyklen der Eiszeiten verbinden, den derzeitigen Modellen zufolge eine heute für unmöglich gehaltene Empfindlichkeit erfordert hätten. Alle diese Anmerkungen ergeben sich nur aus der von Gore selbst gezeigten Grafik und neueren Forschungsergebnissen. Aber auch die Ableitung von Temperatur und CO2-Gehalt aus Eisbohrkernen und deren Datierung ist eine komplizierte, unsichere Angelegenheit, und es wäre alles andere als klug, solche Messungen dogmatisch zu betrachten. Wer weiß, wie die Interpretationen sich noch ändern werden? Schon heute unterstützen weder unsere Kenntnisse noch die von Gore gezeigte Grafik seine Interpretation, außer vielleicht in den Augen der Kleinkinder, die seine Zielgruppe zu sein scheinen. Nachdem Gore nun festgestellt hat, wie wichtig das CO2 ist, erklärt er im weiteren Verlauf, warum es zur Erwärmung beiträgt. Seine grundlegende Behauptung lautet: CO2 ist ein Treibhausgas (das heißt, es absorbiert im Infrarotbereich, während es im Bereich des sichtbaren Lichtes durchlässig ist) und hüllt die Erde wie eine Decke ein, sodass sie die von der Sonne aufgenommene Energie nicht mehr abstrahlen kann und das Energiegleichgewicht verloren geht. Leider ist auch dieses Bild fehlerhaft. (Das ist allgemein anerkannt, aber in der Regel wird behauptet, das wirkliche Bild sei für den Normalbürger zu kompliziert.) In Wirklichkeit kühlt die Erdoberfläche sich nicht in erster Linie durch Abstrahlung von Wärme ab; dazu enthält sie zu viel Treibhausmaterial – insbesondere Wasserdampf und Wolken. Die Wärme wird vielmehr physisch durch Luftströmungen abgeführt, die die Wärme weiter oben, aber noch innerhalb der Atmosphäre wieder abgeben, und da in diesen Höhen weniger Treibhausmaterial vorhanden ist, kann sie von dort effizient in den Weltraum abgestrahlt werden. Bei einer Vermehrung der Treibhausgase kann die Strahlung erst in größerer Höhe effizient in den Weltraum entweichen, und da die Temperatur aus komplizierten Gründen mit größerer Höhe abnimmt, wird die Strahlung (die proportional zur vierten Potenz der Temperatur in der Höhe ihres Ausgangspunktes ist) so gering, dass sie kein Gegengewicht zur einfallenden Sonnenstrahlung mehr bildet. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, muss sich die Atmosphäre in der Höhe der Abstrahlung erwärmen. Der Zusammenhang zwischen dieser Erwärmung und der Erwärmung an der Erdoberfläche ist alles andere als geklärt, aber in neueren Modelluntersuchungen wurden diese Prozesse isoliert betrachtet, und dabei stellte sich heraus, dass die Treibhauserwärmung sich auf die Höhe der Emissionen in den Tropen konzentriert, wo die Erwärmungsrate etwa 2,5 Mal so hoch ist wie an der Erdoberfläche. Satelliten- und Ballonmessungen zeigen, dass die Erwärmung in dieser Höhe nur ungefähr drei Viertel dessen beträgt, was man am Boden beobachtet, und an den Ergebnissen der Modelle kann man ablesen, dass nur ungefähr 40 Prozent davon auf Treibhauseffekte zurückzuführen sind. Demnach können solche Effekte nur für 30 Prozent der Erwärmung auf der Erdoberfläche verantwortlich sein. Also hat die Erwärmung an der Erdoberfläche ihre Ursache zum größten Teil nicht im Treibhauseffekt. Schon heute ist die Erwärmung am Boden viel geringer, als die Modelle es aufgrund der von Menschen erzeugten Treibhausgase voraussagen. Damit will ich nicht sagen, dass die von Menschen erzeugten Treibhausgase überhaupt keinen Effekt hätten, aber dieser Effekt ist relativ gering im Vergleich zu den normalen Schwankungen, die das Klima ständig durchmacht. Er ist sogar noch geringer als die eigentlich schon zu geringen Reaktionen, die wir am Erdboden beobachten. Damit sind wir bei der eigenartig kategorischen Aussage der vom IPCC herausgegebenen Zusammenfassung für Politiker über die wissenschaftliche Beurteilung. Danach besteht eine Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent (man beachte, dass diese Formulierung hier nicht im statistischen Sinn gemeint ist), dass die Erwärmung der vergangenen 50 Jahre zum größten Teil von Menschen verursacht wurde. Dem eigentlichen Text (der im Oktober fertig war, aber offiziell erst im Mai veröffentlicht wurde, weil man ihn in Einklang mit der Zusammenfassung bringen wollte – eine ungewöhnliche Vorgehensweise, um es vorsichtig auszudrücken) ist keine mathematische Begründung zu entnehmen. Wie man außerdem an den zuvor gemachten Ausführungen ablesen kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Aussage stimmt, praktisch gleich null. Was aber das Seltsamste ist: Selbst wenn die Aussage sinnvoll wäre, würde sie für sich betrachtet keinen Anlass zur Sorge geben. Ein Grund zur Beunruhigung wäre sie nur dann, wenn die Erwärmung, die auf den Menschen zurückgeführt wird, durch die Modelle vorhergesagt würde, die eine beunruhigende Erwärmung prophezeien. In Wirklichkeit enthält die Zusammenfassung eine Grafik, welche die heutige Situation sehr gut deutlich macht. Die Kette der Zusammenhänge von den Emissionen bis zum Temperaturanstieg ist ziemlich lang. Um von den Emissionen zum CO2-Gehalt der Atmosphäre zu gelangen, muss man die chemischen Verhältnisse von Meer und Land genau kennen, und darüber wissen wir in Wirklichkeit nur wenig. Vom CO2-Gehalt der Atmosphäre zur Einschränkung der Strahlung ist es ein relativ einfacher (allerdings nicht sehr genau formulierter) Weg, und um von der Einschränkung der Strahlung zur Temperatur zu gelangen, muss man die Empfindlichkeit des Klimas kennen, die in den Modellen sehr unsicher ist; sie dürfte aber wegen der gerade angeführten Argumente geringer sein, als es alle Modelle heute zeigen. Das genannte Schema zeigt, wie verschiedene Substanzen die Abstrahlung einschränken. Manche davon sind von Menschen erzeugte Treibhausgase, vor allem CO2, Methan, Stickoxid, Freon und halogenierte Kohlenwasserstoffe sowie das Ozon. Addiert man alle diese Substanzen, so erhält man 86 Prozent dessen, was man bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts erwarten würde (womit man zu ungefähr 3,5 Watt je Quadratmeter gelangt). Nach den derzeitigen Modellen sollte dies zu einem Temperaturanstieg zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius führen. In Wirklichkeit haben wir bisher nur 0,55 bis 0,75 Grad Celsius beobachtet (wobei verschiedene Analysen der Daten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen). Die Urheber der Modelle behaupten, sie könnten die beobachtete Erwärmung simulieren, aber das gelingt nur mit zwei Tricks. Erstens bemühen sie Aerosole in jeder gerade benötigten Menge, um mindestens die Hälfte der treibhausbedingten Strahlungseinschränkung los zu werden, aber wie man der Zusammenfassung entnehmen kann, ist die tatsächliche Verteilung der Aerosole so gut wie unbekannt. Und zweitens wird allgemein behauptet, die Ozeane würden die Reaktion verzögern. Das stimmt zwar, aber die Verzögerung hängt von der Empfindlichkeit des Klimas und dem Ausmaß der turbulenten Diffusion in den Ozeanen ab. In beiden Fällen wird die Verzögerung in den Modellen stark übertrieben. In einer normalen wissenschaftlichen Arbeit würde man ohne Weiteres einräumen, dass sich die Situation am einfachsten dadurch erklären lässt, dass die Modelle eine übertriebene Reaktion auf die treibhausbedingte Strahlungseinschränkung unterstellen, aber ohne diese Übertreibung würde das Thema aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden, und mit ihm würden sich auch die Prioritäten bei der Finanzierung der Klimaforschung verändern. Politische Bedeutung ist natürlich wichtig, aber sie kann keine wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage sein. Und schließlich wird trotz aller Belege für das Gegenteil lapidar behauptet, es bestehe kein Grund zu der Annahme, dass es noch Faktoren gibt, die den Urhebern der Modelle nicht bekannt sind. Was sollen wir nun von alledem halten? Immer noch fehlt das entscheidende Glied in der langen Kette der Schlussfolgerungen, die zu den beängstigenden Geschichten der vergangenen zwanzig Jahre führt, und das trotz der ständig wiederholten Behauptung, alle Wissenschaftler stünden hinter sämtlichen Szenarien, die die Unruhestifter sich ausmalen, trotz der Voraussagen, die sich über hundert Jahre erstrecken, obwohl man mit den gleichen Modellen noch nicht einmal das Wetter der nächsten Woche vorhersagen kann. Leider werden die armen Eisbären genau wie wir alle mit einem Klima zurechtkommen müssen, das sich ändert, wie es sich immer geändert hat, ganz gleich, für welche Maßnahmen wir uns entscheiden. Die Fortschritte in Technologie und Wohlstand werden uns weiterhin helfen, uns auf solche Veränderungen einzustellen. Die Vorstellung, das Rad zurückzudrehen und die Gesellschaft wieder in den verletzlichen Zustand vor dem Industriezeitalter zu versetzen, ist nicht nur vergeblich, sondern auch dumm, unmoralisch und kontraproduktiv. Übersetzung: Sebastian Vogel Richard Lindzen ist Klimatologe. Er lehrt und forscht als Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Boston

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