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() New York, 11. September 2001
Wacht auf, wir sind im Krieg!

Der Islamist hasst uns, weil wir anders sind. Weil wir anders sind, sind wir sein Feind. Weil wir sein Feind sind, will er unseren Untergang. Wir haben keine Wahl: Wenn er uns zu seinem Feind erklärt, müssen wir uns verteidigen

Der „Feind“ ist für Kinder von Juden, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, ein vertrauter Begriff. Die Eltern dieser Kinder waren der Feind von jemandem, der eines Tages an die Tür klopfen und die Familie und alles, was nahe und vertraut und lieb und teuer war, vernichten würde, weil er nichts anderes suchte als die Vernichtung. Der Feind, so wissen diese Kinder, benötigt kein Motiv, um ihre Eltern als Feind zu betrachten. Für die Kinder handelt es sich hier um den Feind in Reinform, eine unfassbare, beinahe schon übernatürliche Größe, die Negation der elterlichen Geborgenheit. Doch die Eltern sind machtlos. Nur durch blinden Zufall haben sie die Schrecken des Feindes überlebt. Und ihre Kinder wachsen daher mit dem Bedürfnis auf, die Eltern vor dieser immensen Gefahr und diesem blinden Zufall zu beschützen; unablässig sind sie mit Schutzmaßnahmen für den Fall des plötzlichen Angriffs befasst.

„Der Feind ist jemand, der bereit ist zu sterben, um dich zu töten“, schreibt der amerikanische Autor Lee Harris, der wohl wichtigste Denker in Sachen moralische und politisch-psychologische Implikationen des 11. September, in „Civilization and its Enemies“: „Und auch wenn der Feind einen bestimmten Grund hat, uns zu hassen, es ist sein Grund und nicht der unsere. Er hasst uns unserer Fehler wegen nicht mehr als unserer Tugenden wegen. Er sieht eine andere Welt als wir, und in der Welt, die er sieht, sind wir seine Feinde. Es fällt uns schwer, das zu begreifen, aber das müssen wir schon, wenn wir erfassen wollen, was der Begriff ,Feind‘ bedeutet.“

Als ich diese Worte las, wurde mir bewusst, dass Lee Harris nicht nur vom islamistischen Hass auf den Westen schrieb, sondern auch vom Hass, dem sich der Jude seit Jahrhunderten ausgesetzt sieht.

Ich bin mit der Angst vor dem Feind aufgewachsen. Durch die Erfahrungen meiner Eltern wusste ich als Kind, dass es ihn gab, jemanden, der mich als Feind betrachtete, aber ich wusste nicht, wer er war und wann er in Erscheinung treten würde. Zugleich war ich imstande, diese Angst zu relativieren, auf psychologische Implikationen zu reduzieren, die sich aus der Zufälligkeit meiner Geburt in eine jüdische Familie ergeben hatten. Es war eine Überempfindlichkeit, die sich mit der Zeit legen würde, von der ich wollte, dass sie sich legen würde, weil ich nicht nur ein Kind meiner Eltern, sondern auch ein Kind meiner Zeit und nicht bereit war, weiterhin mit dem Begriff „Feind“ zu leben; ich wollte mich auch den leichtfertigen Seiten der Errungenschaften des modernen Westeuropa hingeben können. Es ist befreiend zu vergessen, dass es einmal eine Zeit gab, in der der Feind eine alltägliche Realität war.

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