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(picture alliance) Pizza Salami – der Deutschen liebstes Tiefkühlprodukt hat mit italienischer Küche nichts gemein

Restaurants - Was Italiener und Griechen von uns denken

Was die Italiener, Chinesen, Griechen und Türken wirklich von uns Deutschen denken, erfährt man am deutlichsten, wenn man die Speisekarten ihrer hier eröffneten Restaurants betrachtet

Der Herbst ist die Saison der gastronomischen Wehmut. Die Ferien sind vorbei, und bis zum nächsten Sommer bleibt noch viel Zeit. Sehnsüchtig denkt man an den Urlaubsort zurück. Fotos und Souvenirs lassen die verlorene Zeit auch nicht zurückkehren, sie haben die Vergangenheit nur eingefroren. Wer sie wieder auftauen will, weiß sich oft nicht anders zu behelfen, als ein Restaurant zu besuchen, das authentische Gerichte aus dem Urlaubsland verspricht.

Speisen gehören zum Lebendigsten, das aus anderen Kulturen importiert werden kann. Das Geschmackserlebnis und die Einbindung in den eigenen Stoffwechsel bringt dem Esser die Fremde geradezu körperlich nah. Und so verheißt der Grieche an der Ecke eine Rückkehr nach Arkadien, nachdem der bronzene Teint wieder der nordischen Blässe gewichen ist. Doch das Bild, das eingewanderte Gastwirte von ihrer Heimat zeichnen, steht oft in einem frappanten Missverhältnis zu den eigenen Reiseerlebnissen. Das betrifft gar nicht einmal die beschönigenden Übertreibungen in der Dekoration des Gastraums und dem Habitus der Kellner, die man ohnehin erwartet, sondern vor allem die Wirklichkeit auf dem Teller. Was hier aufgetischt wird, stellt zumeist ein groteskes Zerrbild dessen dar, was in den Herkunftsländern gute Tradition ist.

Eine Pizza Hawaii zum Beispiel wird man schwerlich in Neapel bestellen können, ein gebackener Camembert dürfte in der Normandie den Zorn der Einheimischen provozieren, und Qualität und Machart hiesiger Tapas wären geeignet, in Spanien den Großinquisitor auf den Plan zu rufen. Manches mag darauf zurückgehen, dass man auf die Gaumen von argwöhnischen Gästen Rücksicht nehmen muss, aber das meiste ist das Resultat einer Projektion. In den Köpfen der Gastwirte hat sich eine Vorstellung von den Erwartungen der Deutschen gebildet, die inzwischen Grundlage einer eigenen Tradition ist. Es handelt sich hierbei um eine fast idealtypische Konvergenz, die überall auftritt, wo Einwanderer sich neben Einheimischen dauerhaft einrichten, ohne sich einer Leitkultur zu unterwerfen. Der Italiener in der Vorstadt serviert keine Blutwurst und kein Sauerkraut, aber auch kein echtes Ragù nach Bologneser Art, das ohne Tomaten, jedoch mit Hühnerleber bereitet wird. Stattdessen werden neue Gerichte entwickelt, die sich bis in die Supermärkte durchsetzen. Die Pizza Salami zum Beispiel ist unter den Tiefkühlprodukten in Deutschland das mit Abstand beliebteste, aber aus Italien kommt sie nicht.

Tatsächlich sind die veränderten und neu erfundenen Rezepte der Einwanderer nicht nur das Ergebnis einer Integration, sondern zugleich auch ein Kommentar. Mit dem, was die Gastwirte uns auftischen, zeigen sie, was sie von uns halten. Ein feinsinniger Beobachter kann schon bei der Betrachtung der Speisekarten erkennen, was Italiener, Chinesen oder Türken wirklich über die Deutschen denken. Während die einen uns als knauserige Sauertöpfe sehen und mit viel Lärm und Gerichten mit hohem Weizenanteil unserem Unterhaltungsbedürfnis entsprechen, ohne tief in die Tasche greifen zu müssen, setzen die anderen auf unsere Pedanterie mit ausgefeilten Nummernsystemen und so klein karierter wie klein geschnittener Kost. Der Türke hingegen zeigt Respekt vor dem deutschen Arbeitsethos, indem er eine anatolische Festspeise in ein Fastfood verwandelt, das auf dem Weg in die Fabrik umstandslos verzehrt werden kann. Darum ist der Döner auch ohne Werbefeldzüge und trotz aller Skandale bei uns beliebter als der Burger. Allein die Griechen bleiben sich selbst in der Diaspora treu. Es wandert keine Zehe Knoblauch weniger in den Tsatsiki, nur weil man in Remscheid ist. Und der Gastraum des „Akropolis“ in der Alleestraße fände auch in Saloniki Zuspruch. So sympathisch diese Authentizität sein mag, sie gibt auch zu denken, denn ihre Botschaft ist klar: Wir müssen euch nicht entgegenkommen – am Ende des Abends seid ihr es, die die Rechnung begleichen.

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