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50 Jahre ZDF - Quote, Event und Klamauk

Wer Fernsehen macht, will angeschaut werden. Rechtfertigen lassen sich die zur Haushaltsabgabe aufgehübschten Zwangsgebühren jedoch nur mit Qualität. Das ZDF setzt trotzdem weiter auf Eventisierung, Trivialisierung und Personalisierung und forciert damit den Hinauswurf aus dem Subventionsparadies

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Vielleicht hatte Rolf Dieter Brinkmann in den frühen 1970er Jahren auch das Zweite Deutsche Fernsehen im Blick, als er über den „Fortschritt“ dichtete: Dieser sei „ein kranker Gaul / nach außen frisch, doch innen faul.“ Forscher, frischer als heute präsentierte sich das ZDF nie. Es kann vor Kraft kaum laufen. Im Kalenderjahr 2012 war man der Sender mit den meisten Zuschauern, erreichte dank vieler Sportübertragungen einen Marktanteil von 12,6 Prozent. Auch zu Beginn des Jahres 2013 führt am ZDF kein Quotenweg vorbei. Im März entschieden sich unter den fernsehschauenden Menschen ab 3 Jahren 13,1 Prozent für die Lerchenberger, stolze 0,6 Prozentpunkte mehr als im März 2012. Das Erste und das kriselnde RTL folgen auf den Plätzen.

Die Freude ist verständlich. Wer Fernsehen macht, will angeschaut werden. Andererseits ist der öffentlich-rechtliche Quotentriumphalismus eine zweischneidige Sache. Rechtfertigen lassen sich die zur Haushaltsabgabe aufgehübschten Zwangsgebühren nämlich nur mit Qualität, nicht mit Quote, mit sozialer Relevanz, nicht mit Populismus. Je stärker ein derart hoch subventioniertes Produkt nachgefragt ist, desto schwieriger wird es, die Subventionen zu begründen. Wären ARD und ZDF lediglich die besseren Privatsender, hätten sie ihre Daseinsberechtigung verloren.

Deshalb wird Intendant Thomas Bellut nicht müde, den Gleichklang von „Qualität und Erfolg beim Publikum“ zu betonen. Außerdem schreibt er im aktuellen Jahrbuch des ZDF, die „öffentlich-rechtliche Qualitätssicherung“ fange die „kommerziellen Qualitätsmängel“ der nichtsubventionierten Konkurrenz auf. In der Tat mag man sich nicht ausmalen, wie es um unsere Zivilgesellschaft bestellt wäre, würde sie über Kriege, Krisen, Katastrophen nur auf dem Niveau von RTL oder Pro Sieben unterrichtet. Alles wäre bunt, nichts wirklich ein Problem. Hauptsache, die Frisur sitzt, die Frauen sind jung, die Männer muskulös.

Bestenfalls halbseiden aber ist die stete Litanei, „fast 50 Prozent Informationsanteil“ verbürgten Relevanz und Seriosität. Bekanntlich bestimmen die Sender weitgehend selbst, was denn unter der heißen Ware Information zu verstehen sei. Um überhaupt in messbare Bereiche zu gelangen, lässt sich Vox „Das perfekte Dinner“ gutschreiben, RTL II sogar „Big Brother“. Das ZDF hat keine Bedenken, mit „Aktenzeichen XY“, „Die Küchenschlacht“ und „Wetten, dass..?“ die Menge der Informationssendungen schönzurechnen. Wer Hütchenspielertricks anwendet, traut der eigenen Kompetenz nur auf Spuckweite.

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Das schlechte Gewissen der Verantwortlichen wird beim Blick auf die Flaggschiffe der ZDF-Information verständlich. Die Reportagereihe „37 Grad“ entwickelt sich zur Ratgebersendung für horizontale Freizeitbeschäftigungen. „Der erste Sex“ wird dort ebenso gerne verfilmt wie dessen käufliche Variante unter dem Titel „Ich mach‘ mein Geld mit Sex!“. Bei ZDFneo gab es schon einen Schwerpunkt zur Leitfrage „Wie werde ich Pornoregisseurin?“. Dort wollte man unter anderem herausfinden, was ein „Gang-Bang – 100 Männer und zehn Frauen“ mit „Lust und Erotik zu tun hat.“ Gebührengelder machen es möglich.

Nur bedingt ein Grund zur Freude ist es, dass „heute journal“ und „heute-show“ einander immer mehr ähneln. Ironie ist hier wie dort die bestimmende Haltung, grundiert vom guten Gefühl, das Richtige zu tun, Bescheid zu wissen, abzukanzeln. Dass sich Claus Kleber im Interview zum Verkündigungsauftrag in eigener Sache bekannte – „Die Kirche sollte voll sein, wenn wir anfangen zu predigen“ –, war hingegen ganz unironisch gemeint. Im gurrenden Ansagen alberner Grafiken und noch albernerer Einspielfilmchen liegt oft die ganze Seligkeit des „heute journal“ beschlossen. Sowohl der ägyptische Aufstand als auch die Katastrophe von Fukushima wurden zu klebrigen Videoclips mit sentimentaler Musik verhackstückt und kaum je kann man sich sicher sein, dass ökonomische Erklärstücke ohne Comics, Kinderdeutsch und Kalauer auskommen. Angesichts der Verwandlung des ehemaligen Wirtschaftsmagazins „Wiso“ in eine bebilderte Verbraucherillustrierte ist dieser Unernst doppelt betrüblich.

Alles in allem setzt das ZDF unter Bellut wie schon unter Vorgänger Schächter auf Eventisierung, Trivialisierung und Personalisierung. Der „Kulturkanal“ wird aus Quotengründen ebenso leichthin geschreddert, wie der berüchtigte „human touch“ flächendeckend ausgebaut wird. Menscheln muss es überall. Kompetenz soll man daran erkennen, dass Claus Kleber auf dem Schirm erscheint, Unterhaltung meint die Schriftzüge „Rosamunde Pilcher“, „Katie Fforde“, „Inga Lindström“, und der allgegenwärtige Fußball bedeutet ein weitgehend aus Fanperspektive und also unkritisch dargebotenes Event namens FCB, BVB, DFB. So erfreulich die Momentaufnahme sein mag, so sehr sich die Politiker in den Gremien über die wachsende Popularität ihrer ureigenen Schöpfung namens ZDF freuen mögen: Der Weg in den Quotenhimmel wird mit dem Hinauswurf aus dem Subventionsparadies bezahlt werden müssen.

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