Cicero im März

Cicero im März - Ausgebremst

Die Deutsche Bahn war einst weltbekannt für ihre Pünktlichkeit. Heute sind die Fahrpläne eher eine grobe Orientierung. Lesen Sie in der März-Ausgabe von Cicero, wie es so weit kommen konnte und warum die Bahn sinnbildlich für das ganze Land steht.

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Bundesrepublik hatte mal den Ruf eines Landes, dessen Bewohner zwar etwas langweilig und penibel sein mögen, in dem dafür aber so ziemlich alles perfekt funktioniert. Deutsche Gründlichkeit eben – von den Behörden über das Straßennetz bis hin zur Bahn. Wobei Letztere sogar als Sinnbild galt für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Taktung. Ich erinnere mich noch, wie meine Eltern vor vielen Jahren ein amerikanisches Ehepaar zu Gast hatten, die vom Frankfurter Flughafen mit dem Zug zu uns in die Provinz gekommen waren und sich nicht ohne eine gewisse Bewunderung darüber amüsierten, dass die Abfahrtszeiten in den Bahnhöfen minutengenau angezeigt wurden: „14.37 Uhr auf Gleis 7 – da fehlt eigentlich nur noch die Sekundenangabe“, lautete die spöttische Bemerkung. Damals konnte man praktisch die Uhr nach der Bahn stellen.

Das ist lange her. Inzwischen gilt die Deutsche Bahn vielmehr als ein Symbol dafür, was alles nicht mehr rund läuft in unserem Land. Verspätungen, ausgefallene Züge, überfüllte Waggons, keine Anschlussverbindungen: Wer auf Schienen unterwegs ist, muss sich auf eine Abenteuerreise gefasst machen. Die Ankunftszeiten laut Fahrplan erfüllen allenfalls noch die Funktion einer groben Orientierungshilfe. Vor ein paar Monaten durfte ich in Mannheim (natürlich auf eigene Kosten) übernachten, weil die Weiterfahrt nach Saarbrücken abgesagt wurde. Was die Passagiere aber auch erst mitgeteilt bekamen, nachdem der Zug anderthalb Stunden lang ohne weitere Begründung im Bahnhof gestanden hatte. „Thank you for travelling …“

Sinnbild des Landes

Was also ist da los bei der Deutschen Bahn? Können oder wollen die es nicht besser? Aber so einfach ist es eben nicht. Meine Kollegen Moritz Gathmann und Volker Resing haben sich gewissermaßen auf große Fahrt begeben, um die Dysfunktionalitäten der staatlichen Aktiengesellschaft zu ergründen, die doch eigentlich unsere Republik in Bewegung halten und noch dazu einen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll. 

Und genau da fängt das eigentliche Problem an. Die Bahn ist zu einem regelrechten Spielball politischer Interessen geworden: Sie soll immer mehr Menschen von A nach B transportieren, obwohl die zugrundeliegende Infrastruktur marode ist. Der Ausbau des Schienennetzes wiederum scheitert an Genehmigungsverfahren. Populistische Aktionen wie das ampelkoalitionäre Neun-Euro-Ticket sorgen für heillose Überlastung. Und so weiter und so fort.

„Störung im Betriebsablauf“ heißt unsere aktuelle Titelgeschichte. Sie handelt keineswegs nur von der Deutschen Bahn. Sondern von einem Land, das sich immer öfter selbst blockiert.
 

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Albert Schultheis | Fr., 24. Februar 2023 - 10:31

Viel schlimmer noch, auch Recht und Gesetz, ja das Grundgesetz selber hat "allenfalls noch die Funktion einer groben Orientierungshilfe." Famit aber, werter Herr Gathmann, haben wir aufgehört ein zivilisierten Staat zu sein - von einem Rechtsstaat ganz zu schweigen.

Spätestens wenn ein Rechtsstaat das Kriterium "Unterschwellige Strafbarkeit" installiert, ist eigentlich schon Hopfen und Malz verloren.

begreifen die meisten Menschen in Deutschland nicht, was sich seit Jahren hier abspielt: Rechts- und Gesetzesbrüche am laufenden Band!
Sie sind quasi zur NORMALITÄT geworden.
Man kann es noch so oft laut sagen und in aller Deutlichkeit schreiben:
Wenn die Einsicht (das Verständnis) nicht da ist, redet man gegen Wände.
Es ist hoffnungslos, einem Blinden die Farben nahebringen zu wollen oder einem Tauben die Schönheit einer Mozart-Symphonie.
Vieles lernen viele Menschen nur durch Fühlen der unangenehmen Konsequenzen am eigenen Leibe.

Eigentlich wollte ich nichts schreiben. Warum? Die Probleme sind hinreichend bekannt, sie schreien die Bahnnutzer regelrecht täglich an. Da ich sehr selten Bahn fahre, kann ich von eigenen Erlebnisse nicht berichten. Als ich dann aber ihren kurzen Beitrag las Herr Schultheiß, musste ich Ihnen einfach nur Danke sagen und völlig recht geben. Man kann diese Vorgänge nicht oft genug hier niederschreiben und damit wenigstens etwas Dampf ablassen. Offenbar waren 70 Jahre nach dem Krieg nur ein Märchen. Denn wer von uns davon erzählt, der muss mit dem Satz anfangen: Es war einmal....
Allen Foristen schönes Wochenende. Bei uns wird am Sonntag ein neuer Bürgermeister gewählt. Mal sehen was das wieder gibt.

Gerhard Lenz | Fr., 24. Februar 2023 - 10:47

Die Bahn. Aber es timmt schon. Wer mit der Bahn unterwegs ist, längere Strecken zurücklegen und dabei auch mal umsteigen muss, kann sich fast darauf verlassen: Irgendeine Verspätzung, irgendein Zugausfall ist immer drin!

Wir verweisen dann gerne auf die Schweiz oder andere Länder, wo der Schienenverkehr besser funktioniert. Was z.T. ja auch der Fall ist - aber eben nicht überall, siehe z.B. GB.

Die Gründe sind natürlich immer die gleichen, auch wenn man DIE lieber verschweigt.

Einerseits hat die Politik die Bahn jahrlang vernachlässigt. Deutschland ist schliesslich Autoland. Margret Thatcher meinte einst, wer in einem bestimmten Alter noch öffentliche Verkehrsmittel benutze, müsse in seinem Leben etwas falsch gemacht haben - ein Spruch der vermutlich nicht nur in der Wirtschafts-FDP beklatscht wurde.

Und wenn die Bahn mal Geld hatte, wurde das für Investitionen sonstwo - für Strecken, mit denen man vermeintlich Geld verdient - investiert, während der Nahverkehr dahin dümpelte.

Manfred Bühring | Fr., 24. Februar 2023 - 15:16

Nicht nur die Dysfunktionalität der Bahn ist ein Sinnbild für den Zustand unseres Gemeinwesens. Die ganze Gesellschaft vom Sport über die Kultur, Wirtschaft, Zusammenhalt etc. ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Handball - ex; Fußball - ex; Energie - ex; wehrhafter Rechtsstaat - ex. Usw. Usw.

Heidemarie Heim | Fr., 24. Februar 2023 - 17:16

Verspätet es sich völlig ungeniert;) Wie weit man als viertgrößte? Industrienation und Hochsteuerland= (fehlgeleiteter Staatseinnahmen) von anderen inzwischen entfernt ist, zeigt sich am traurigen Beispiel Ukraine. Da fährt die Bahn auch noch bei Raketenangriff und Bombardierung der Bahnhöfe. Vielleicht verzögert sich Ankunft und Abfahrt gemäß Sirenenalarm und nachts gibt`s kein Licht im Zug, aber die Menschen kommen von A nach B und das Zugpersonal versieht seinen Dienst pflichtbewusst auch deshalb weiter, weil sie sich gerade in dieser furchtbaren Lage der Wichtigkeit ihrer Aufgabe und ihres Platzes in der Gesellschaft sowie dem Vertrauen ihrer Fahrgäste bewusst sind. Ich vermute mal stark angesichts der jetzigen, scheinbar unlösbaren Aufgaben der DB würde im vorher geschilderten Fall keiner auch nur eines Zugs ansichtig werden, geschweige in einem fahren. Zu meinen aufregendsten Kindheitserlebnissen gehörten auf dem Schulweg eine geschlossene Schranke und die herannahende Dampflok!